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Am Außenlager des KZ Dachau

Zwei von Millionen: In Stephanskirchen erinnern neue Stolpersteine an Nazi-Opfer

Gunter Demnig bei der Verlegung der zwei Stolpersteine in Haidholzen. Unter den gut fünfzig Menschen, die die Verlegung begleiteten, befanden sich (von links) auch der Kulturreferent des Landkreises, Christoph Maier-Gehring, Stephanskirchens Altbürgermeister Rainer Auer, Karl-Heinz Brauner, Vorsitzender des Historischen Vereins Rosenheim, Bürgermeister Karl Mair sowie Dr. Thomas Nowotny von der Initiative Erinnerungskultur.
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Gunter Demnig bei der Verlegung der zwei Stolpersteine in Haidholzen. Unter den gut fünfzig Menschen, die die Verlegung begleiteten, befanden sich (von links) auch der Kulturreferent des Landkreises, Christoph Maier-Gehring, Stephanskirchens Altbürgermeister Rainer Auer, Karl-Heinz Brauner, Vorsitzender des Historischen Vereins Rosenheim, Bürgermeister Karl Mair sowie Dr. Thomas Nowotny von der Initiative Erinnerungskultur.

Eine unfassbare Zahl greifbar machen – das ist das Ziel der „Stolpersteine“. In Stephanskirchen, wo es einst ein Außenlager des KZs Dachau gab, holen die Jugendlichen des Schulradios „Simssee Welle“ die Menschen aus der Anonymität. Dieses Mal mit prominenter Unterstützung.

Stephanskirchen – „Es wird sichtbar, dass die Verbrechen der NS-Zeit nicht irgendwo stattfanden und irgendwen betrafen, sondern auch hier mitten in unserer Gemeinde, an Orten, an denen wir uns täglich aufhalten.“ Mit diesen Worten von Bürgermeister Karl Mair ist der Sinn der „Stolpersteine“ bestens beschrieben.

Die Zahl der in den Konzentrationslagern umgekommene Menschen ist so monströs, dass sie gar nicht wirklich ins Bewusstsein dringen kann. Sechs Millionen ermordete Juden – all die anderen Verfolgten wie Sinti, Roma, politisch Andersdenkende, Homosexuelle, nicht angepasste Bürger, die in den KZs ihr Leben verloren, noch gar nicht eingerechnet: Die Menschen, die sich hinter dieser Zahl verbergen, werden wegen deren unvorstellbarer Größe zu einer grauen Masse ohne Gesichter. Stolpersteine sollen wenigstens einige von ihnen aus der Anonymität herauslösen. 

Von diesen kleinen in den Boden eingelassenen Steinquadern mit Metallplaketten, eine Gedenkoffensive des Kölner Künstler Gunter Demnig, gibt es mittlerweile über 100.000 in 32 Ländern Europas. In Stephanskirchen befinden sich seit vergangenem Sonntag drei davon. Ein Stein für den Antifaschisten Johann Vogl wurde bereits 2018 verlegt, an dem Ort, an dem er einen kleinen Kiosk betrieb. Zwei weitere befinden sich nun in der heutigen Siedlung Haidholzen. Dort, wo einst ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau war, in dem sich Zwangsarbeiter für die Rüstung aufarbeiteten: Marcin Sabozki aus Polen und Kuzma Martschenko aus der Ukraine haben, wie viele andere, die Qual nicht überlebt. 

Einen großen Verdienst bei dem Versuch, diesen Menschen wieder zu einem Gesicht und zu einer Persönlichkeit zu verhelfen, hat das Stephanskirchner Schulradio, die Simssee Welle. Unter der Leitung ihrer Lehrerin Michaela Hoff machen sich seit 2017 aufeinanderfolgende Schülergenerationen der Otfried-Preußler-Schule an die Recherche zu den Einzelschicksalen. So haben sie auch bei Marcin Sabozki und Kuzma Martschenko deren Leidensweg durch verschiedene Konzentrationslager rekonstruiert. Möglich wurde dies nicht zuletzt auch durch die Tatsache, dass der Massenmord damals nicht einfach so geschah, sondern bürokratisch bis ins Kleinste durchgeplant war. Wie penibel, wie „ordentlich“ damals Vernichtung verwaltet wurde – das war für die Schüler wohl ein schockierender Erkenntnismoment im Zuge ihrer Bemühungen.

Das Hauptaugenmerk richtet sich bei ihrer Arbeit aber immer darauf, die Menschen wieder zu Wesen aus Fleisch und Blut werden zu lassen. Ein Stilmittel der Schulradioprojekte ist es deshalb, die Umgekommenen in fiktiven Dialogen selbst zu Wort kommen zu lassen, ein Auszug war auch bei der Stolpersteinverlegung zu hören. Diese Gespräche sind keine reine Fiktion, man kann, wie Michaela Hoff sagte, davon ausgehen, dass sich Marcin und Kuzma begegnet sind, sich wahrscheinlich – wegen der Nähe ihrer beiden Muttersprachen zueinander – auch unterhalten haben.

Den Umgekommenen eine Stimme geben

Den Umgekommenen jener Zeit wieder eine Stimme zu geben, sie damit gewissermaßen lebendig zu machen, ist eine wesentliche Voraussetzung für ein Erinnern, wie Dr. Thomas Nowotny von der Initiative Erinnerungskultur seit langem immer wieder betont. Denn eines ist sicher unbestritten: ein Gedenken an bloße Zahlen, gerade wenn sie jedes Vorstellungsvermögen übersteigen, ist kaum möglich, individuelle Schicksale von Einzelpersonen aber können haften bleiben. Diejenigen, die das nationalsozisalistische Mordregime überlebt haben und vom Leidensweg in den KZs Zeugnis ablegen können, werden jedoch immer weniger. 

Schüler sind weiter auf der Suche

Nowotny wie Bürgermeister Karl Mair und auch Christoph Maier-Gehring, der Kulturreferent des Landkreises, bedankten sich deshalb ausdrücklich bei Michaela Hoff und ihren Schülern. Die wiederum versicherten: „Die Verlegung der beiden Stolpersteine heute ist kein Abschluss, sondern ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir weiter auf der Suche sind“. Ein wichtiges Versprechen in einer Zeit, in der eine möglichst breite Entschlossenheit zum „Nie wieder“ immer wichtiger zu werden scheint.  

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