Nahverkehrsplan stellt Defizite fest
RVO will Ringlinie kappen und zu Ortsbus machen – Stephanskirchen soll planen und zahlen
Acht Buslinien von und nach Rosenheim im Gemeindegebiet Stephanskirchen – und doch keine richtig gute Anbindung. Trotz Nahverkehrsplan und MVV-Beitritt. Nun will der RVO eine Linie abkoppeln. Und Stephanskirchen soll es richten.
Stephanskirchen – Acht Buslinien und doch sind montags bis freitags die fünf Staatsstraßen durch Stephanskirchen gerne mal verstopft. So richtig gut scheint die Anbindung der 11.000-Einwohner-Gemeinde an Rosenheim nicht zu sein.
Bürgermeister Karl Mair und Brigitte Weber, die Mobilitätsexpertin im Stephanskirchner Rathaus, kritisierten in einem Gespräch mit Rico Auerswald vom Regionalverkehr Oberbayern (RVO) und Oliver Kirchner, dem Geschäftsführer der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft (RoVG), die mangelhafte Anbindung der Gemeinde. Vor allem am Wochenende. Samstags gibt es sporadische Fahrten am Vor- und Nachmittag, ein „Ausreißer“ ist der Bus um 18.15 Uhr Richtung Prien über Prutting. Sonntags fährt kein einziger Bus.
Am Sonntag bleiben nur Sammeltaxi und Auto
Das werde sich auch nach dem Winter-Fahrplanwechsel am 10. Dezember nicht ändern, so Auerswald und Kirchner. Trotz MVV-Beitritt von Stadt und Landkreis Rosenheim. Denn der sorgt nach Aussage der beiden Herren nur für Änderungen im Tarifsystem, nicht aber im Angebot. Am Wochenende könnten die Stephanskirchner das Anrufsammeltaxi AST nutzen.
Nahverkehrsplan diagnostiziert Erschließungsdefizite
Seit 2019 gibt es einen Nahverkehrsplan von Stadt und Landkreis Rosenheim. In dem steht unter anderem: „In der Gemeinde Stephanskirchen bestehen Erschließungsdefizite, die durch eine Anpassung der Ringlinie 9498 behoben werden können. Hierfür ist eine detaillierte Betrachtung der Linienführung zu prüfen.“
Drei der acht Buslinien des Regionalverkehrs Oberbayern (RVO) tangieren Stephanskirchen nur, biegen an der Innbrücke Richtung Rohrdorf/Samerberg/Frasdorf ab oder direkt oben am Schloßberg links nach Vogtareuth und Wasserburg. Für alle, die zwischen Rosenheim und Simssee, beziehungsweise umgekehrt eine Anbindung brauchen, spielen diese Buslinien keine Rolle. Auch die Verbindungen nach Prutting (bereits stündlich), und nach Riedering (ab 10.Dezember stündlich) tangieren die großen Wohngebiete wie Haidholzen nur. Die Ortsteile am Simssee werden durch die unregelmäßigen und seltenen Fahrten der Ringbuslinie 9498 von Rosenheim nach Baierbach angebunden.
RVO will Ringlinie von Rosenheim abkoppeln
Diese Ringlinie soll nun, bis auf die Schulbusse, so stellt es sich der RVO vor, nicht mehr direkt an Rosenheim angebunden sein, sondern rein innerhalb der Gemeinde fahren. Auerswald habe das damit begründet, so die Bekanntgabe von Brigitte Weber jüngst im Gemeinderat, dass so mehr Kilometer im Gemeindegebiet gefahren und die Taktung erhöht werden könnten. Der Einsatz kleinerer Busse, die schmalere Straßen und engere Kurven schaffen, sei denkbar. Der Anschluss an die Busse von und nach Rosenheim soll in Schloßberg, an der Kirche, erfolgen.
Zweifel am Umstieg
Hier äußerten sowohl die Dritte Bürgermeisterin Steffi Panhans (SPD), als auch Johannes Lessing von den Grünen als auch Brigitte Weber Zweifel, ob das sinnvoll ist und angenommen wird. Da müssten die Umstiege schon perfekt passen, waren sie sich einig.
Die Planung für den künftigen „Ortsbus“ übernehmen RVO und/oder RoVG? Fehlanzeige: Das soll die Gemeinde tun. So jedenfalls die Ansage der Herren Auerswald und Kirchner im Gespräch mit Bürgermeister und Mobilitätsexpertin. Und an den Kosten der geänderten Ringlinie soll sich Stephanskirchen, geht es nach dem RVO, auch beteiligen.
Stadtbus im Halbstundentakt
Die Stadt Wasserburg hat seit vielen Jahren einen Stadtbus. Der pendelt mittlerweile im Halbstundentakt – am Wochenende im Stundentakt – zwischen dem Wasserburger Bahnhof im Stadtteil Reitmehring und dem Badria. Bei der Umstellung auf den Halbstundentakt hat den Betrieb der Stadtbuslinie ausgeschrieben. „Hat sich gelohnt“, sagt Andreas Hiebl, der ÖPNV-Experte im Wasserburger Rathaus. Für die nahezu doppelte Zahl an Fahrten zahlte Wasserburg im vergangenen Jahr reine Betriebskosten von rund 630.000 Euro für etwa 200.000 gefahrene Kilometer, inklusive „Verstärker“ zu den Schulzeiten. Im letzten Jahr des Stundentaktes war es eine halbe Million Euro Betriebskosten. Die Einnahmen durch Fahrkarten sind bei den reinen Betriebskosten noch nicht gegengerechnet.
Für die Gemeindeverwaltung sei es schwierig, so Weber im Gemeinderat, die Vorteile des Ortsbuskonzeptes mit dem Nachteil der wegfallenden Anbindung an Rosenheim abzuwägen. Allerdings hat die Gemeinde bereit 2020 das Büro „planmobil“ aus Kassel beauftragt, ein verbessertes ÖPNV-Angebot zu erarbeiten. Dann kam Corona und das Projekt lag auf Eis. Jetzt, berichtete Weber, wird planmobil beauftragt, die Ideen von RVO und RoVG zur Ringlinie zu prüfen, die Vor- und Nachteile zu bewerten sowie die eigenen Untersuchungen zur Verbesserung der Ringlinie zu aktualisieren. Ziel sollte es sein, so Weber, die Linienführung sowie die Taktung der Linie 9498 – möglicherweise als Ortsbus – zu entwerfen sowie die damit verbundenen Kosten abzuschätzen.
Begeisterung war bei den Gemeinderäten nicht zu bemerken. Die Diskussion beginnt, wenn Planungen und Zahlen zur Ringlinie als „Ortsbus“ vorliegen.