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Schreckliche Schicksale und große Wunder

Soyener Ärztin hilft nach Erdbeben in der Türkei: „Unsagbares Leid und Zerstörung erlebt“

Die Soyener Ärztin Dr. Hansi Sobez versorgt in einer Zeltstadt in Südostanatolien die Erdbebenopfer, darunter auch viele kleine Kinder.
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Die Soyener Ärztin Dr. Hansi Sobez versorgt in einer Zeltstadt in Südostanatolien die Erdbebenopfer, darunter auch viele kleine Kinder.

Sie war schon in vielen Katastrophengebieten im Einsatz, doch noch nie war die Lage „so krass“ wie nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien, sagt Dr. Hansi Sobez aus Soyen. Sie versorgt Verletzte, die ihre ganze Familie verloren haben und bei klirrender Kälte in einem Trümmerfeld leben.

Soyen - Dr. Hansi Sobez aus Soyen versorgt als Ärztin mit einem Team von humedica Erdbebenopfer in einer Zeltstadt nördlich von Gaziatep in Südostanatolien. „Es ist schon erschütternd, mit welchen Schicksalsschlägen die rund 6000 Menschen in der Notunterkunft hier zu kämpfen haben“, sagt sie. Die Soyenerin ist seit dem 12. Februar mit zwei weiteren Ärztinnen, einem Arzt, einer Krankenschwester und zwei Koordinatorinnen für humedica in der Notunterkunft bei Gaziatep, um das Ärzteteam einer weiteren Hilfsorganisation zu unterstützen. Im Gepäck hatten die ehrenamtlichen Helfer der Kaufbeurer Hilfsorganisation bei ihrer Ankunft 500 Kilogramm Medikamente, Zelte und Wasseraufbereitungsfilter.

Schnell hat sich das Team mit den Gegebenheiten vor Ort arrangiert und mit der Behandlung begonnen. „Es geht uns als Team insgesamt gut, obwohl das Erlebte nicht immer einfach zu verarbeiten ist. Anstrengend ist auch die Kälte, denn auch in der Unterkunft hat es nur acht Grad“, sagt Sobez, die als Leiterin des medizinischen Teams mit der medizinischen Versorgung, aber auch mit koordinierenden und organisatorischen Aufgaben betraut ist. Voraussichtlich bis 24. Februar wird sie mit ihrem Team vor Ort bleiben, dann wird die Ablösung durch ein Folgeteam erwartet.

Lagerleben bei klirrender Kälte.

Schon viel Leid und Zerstörung erlebt

„Die zerstörten Häuser und die Menschen zu sehen, die nicht selten ihre komplette Familie verloren haben, vor den Trümmern sitzen und darauf warten, dass ihre Angehörigen tot geborgen werden, nimmt einen schon mit“, sagt die Medizinerin, die im Rahmen ihrer Tätigkeit bei humedica und Partnerorganisationen bei der medizinischen Versorgung in Katastrophengebieten beispielsweise in Togo, bei der Erdbebenkatastrophe in Nepal und beim Tsunamieinsatz in Indonesien schon viel Leid und Zerstörung erlebt hat, „aber so krass habe ich es bisher noch nie empfunden“, sagt die 62-Jährige rückblickend.

Dr. Hansi Sobez mit ihrem Einsatzplan: Sie arbeitet für die Hilfsorganisation Humedica.

Verletzt und traumatisiert

Die Erdbeben vom 6. Februar zählen schon jetzt zu den schlimmsten Naturkatastrophen der vergangenen hundert Jahre. In der Nacht wurden die Menschen in der türkisch-syrischen Grenzregion von gewaltigen Erdstößen aus dem Schlaf gerissen. Zehntausende wurden dabei getötet, unzählige wurden verletzt, verloren ihre Angehörigen und ihr Zuhause. „Ganze Ortschaften und die komplette Versorgungs- und Infrastruktur wurden in Mitleidenschaft gezogen. Arztpraxen sind zerstört und ein kleines Krankenhaus kann auch nur eingeschränkt arbeiten “, berichtet Hansi Sobez. Die Menschen seien bei eisiger Kälte und Minusgraden Grad seit Tagen auf engstem Raum in Großraumzelten untergebracht, viele hätten die Zeit auch im Freien verbracht. Sie seien verletzt, traumatisiert und auf Hilfe angewiesen.

Schicksalsschläge wie diese seien für sie auch der Grund, warum sie mit humedica immer wieder in Katastrophengebiete reise. Die Organisation ermögliche kürzere Einsätze von zwei bis vier Wochen und das sei mit ihrer eigenen Praxis am besten vereinbar, erzählt die Medizinerin. „Das ist mein Beitrag, den ich leisten kann, um beizutragen, das Leid ein wenig zu lindern“. Die Sorge um die eigene Gesundheit müsse man dabei ein wenig verdrängen, denn sonst könne man hier nicht arbeiten. Erst während der Woche habe es eines nachts ein Nachbeben gegeben und alle hätten das Hotel verlassen, aber glücklicherweise seien die Erdstöße nicht so heftig gewesen und die Angst schnell verflogen, erzählt die krisenerprobte Ärztin, die für ihre Arbeit auch viel Unterstützung von ihrer Familie bekommt.

Im Camp in Gaziatep behandelt das Team um Hansi Sobez überwiegend Riss- und Quetschwunden, aber letztendlich wird eine breite Palette der medizinischen Grundversorgung geleistet. Menschen seien beispielsweise beim Beben aus dem zweiten Stock gesprungen und hätten sich Verstauchungen und Prellungen zugezogen, berichtet die Fachärztin für Chirurgie und Psychotherapeutin, die als Psychoonkologin auch honorarärztlich stundenweise auf der Palliativstation am Ebersberger Krankenhaus tätig ist.

Ein Patient habe sich Verbrennungen zweiten Grades zugezogen, weil er sich bei klirrender Kälte am offenen Feuer gewärmt habe und als Diabetiker die Hitze nicht gespürt habe. Läuse, Krätze, aber auch Infektionen wie Cholera und Typhus, die aufgrund schlechter hygienischer Bedingungen nach Katastrophen auftreten können, müssten ebenfalls beobachtet werden. Die Verständigung vor Ort klappt gut, denn viele der Überlebenden haben in Deutschland gearbeitet oder haben dort Angehörige, die zur Unterstützung zurückgekommen sind. Für die Übersetzer sei die Situation aber häufig auch sehr belastend, denn neben ihrem eigenen Unglück würden sie auch noch mit dem Schicksal anderer Betroffener konfrontiert, sagt Sobez.

Lichtblicke und Wunder

Ein Lichtblick sei die Geschichte einer schwangeren jungen Frau, die verzweifelt gewesen sei, weil sie ihr Baby nicht mehr gespürt habe. Eine Kollegin habe mit einem eigenen Handy und entsprechender App einen Ultraschall machen können und festgestellt, dass das Kind am Leben sei. Das kleine Herz schlagen zu sehen, habe nicht nur bei der Mutter, sondern beim ganzen Team ein Glücksgefühl ausgelöst, das unbeschreiblich sei. „Solche Momente und die Dankbarkeit in den Augen der Überlebenden geben die Kraft, um die vielen traurigen Erlebnisse besser aushalten zu können. Es entsteht eine tiefe Verbundenheit mit den Menschen und ihren Schicksalen.

Humedica

Humedica e.V. mit Hauptsitz in Kaufbeuren ist eine international operierende Nichtregierungsorganisation (NRO). Mit Projekten in 90 Ländern leistet humedica seit 1979 humanitäre Hilfe mit einem Schwerpunkt auf medizinischen Katastropheneinsätzen. Näheres unter: www.humedica.org Spendenkonto IBAN: DE35734500000000004747 bei der Sparkasse Kaufbeuren

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