Wenn die Helfer selbst Hilfe brauchen
Ersthelfer unter Schock – und was dann? So hilft die Notfallseelsorge Rosenheim bei Unfällen
Ein Ersthelfer ist, wie der Name schon sagt, einer der Ersten, die sich bei einem Unfall um Verletzte kümmern. Hilfe, die Helfer auch oft selbst schwer belasten kann. Wie die Krisenintervention und die Notfallseelsorge in solchen Fällen Unterstützung bieten.
Prien/Rosenheim – Es ist ein Horrorszenario. Man ist mit dem Auto unterwegs. Plötzlich passiert vor einem ein Unfall. Oder man erblickt ein Auto, das gerade von der Straße abgekommen ist. Der Fahrer des Unfallwagens? Noch immer im Auto. Er ist nicht mehr bei Bewusstsein. Er hat auch keinen Puls mehr. Als Ersthelfer beginnt man mit Erste-Hilfe-Maßnahmen. Ein wichtiger Dienst am Menschen. Doch manchmal wird man die Bilder von Blut und schweren Verletzungen am Unfallort nicht mehr los. Dann braucht der Ersthelfer womöglich selber Hilfe.
Diese Hilfe bieten die Krisenintervention oder die Notfallseelsorge mit psychosozialer Notfallversorgung (PSNV). „Im Landkreis Rosenheim teilen sich diesen 24/7-Dienst die Kirchen, das Bayerische Rote Kreuz (BRK) und die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH)“, sagt Thomas Jablowsky, Landkreisbeauftragter der katholischen Notfallseelsorge Rosenheim. Die Zielgruppen der PSNV sind Ersthelfer, Augenzeugen, unverletzte Beteiligte, Angehörige, und Menschen, die eine Person als vermisst gemeldet haben. „Auch wenn wir eine kirchliche Organisation sind, spielt es keine Rolle, welchen Glauben die betroffenen Personen haben“, betont Jablowsky.
Experten werden über ILS alarmiert
Schwere Unfälle kommen leider immer wieder in der Region vor. Im Gespräch mit dem OVB berichtet Jablowsky von zwei Motorradunfällen, die sich in jüngster Zeit im Landkreis ereignet haben. Einer mit Todesfolge. Alarmiert werden die Helfer über die integrierte Leitstelle (ILS). „Wenn ein Einsatzleiter Bedarf sieht, gibt er das an die ILS weiter. Wir sind in deren System eingebettet und werden dann gerufen“, teilt Jablowsky mit. Bei bestimmten Einsätzen werde die PSNV auch sofort alarmiert. Als Beispiel nennt er, wenn ein Kind unter zwölf Jahren betroffen ist. „Da reagiert das System auf bestimmte Worte in der Alarmierung, und dann ist aus den Notfall-Piepsern eine elektronische Stimme zu hören, oder die Smartphone-Apps informieren.“ Immer aber erkundigen sich die Experten, bevor sie zum Einsatzort fahren, bei der ILS über die Notwendigkeit ihres Dienstes und die aktuelle Lage.
Zur Einsatzstelle fahren die Notfallseelsorger im Normalfall alleine, bei schwierigen Fällen wird Hilfe nachalarmiert. Vor Ort erkundigen sie sich dann bei den Einsatzkräften zuerst nach dem Unfallhergang, der aktuellen Lage und wie es den Betroffenen geht. Eine wichtige Maßnahme, denn „wir können ja nicht von zum Beispiel Augenzeugen verlangen, dass sie uns die ganzen schrecklichen Szenen nochmal schildern“, betont Jablowsky.
„Dann gehen wir mit diesem Wissen auf die Leute zu.“ Die Aufgabe der Einsatzkräfte der PSNV sei es dann zu erkennen, was die Betroffenen in ihrer aktuellen Situation benötigen, damit ihnen schnell geholfen werden kann. Das könne ein Gespräch sein, der Anruf von Angehörigen, „ich bin auch schon mal mit einer Frau eine Stunde lang spazieren gegangen, weil sie sagte, dass sie das gerade braucht“, berichtet Jablowsky.
Im Austausch mit anderen Hilfsorganisationen
Für diese Tätigkeit ist eine Ausbildung zur PSNV-Fachkraft notwendig. Das Ausbildungskonzept sieht 100 Wochenstunden vor. „Da ist es auch egal, ob ich bei einer Hilfsorganisation arbeite oder – eben in unserem Fall – bei der Kirche, die Ausbildung ist ein Muss“, sagt Jablowsky.
Im Landkreis Rosenheim existiert das kirchliche Angebot seit über 25 Jahren. Dort sind Hauptamtliche und Ehrenamtliche im Einsatz. Die Verantwortlichen stehen auch im Austausch mit den Johannitern und dem BRK. „Wir haben einen gemeinsamen Arbeitsplan organisiert, da BRK und Johanniter nur mit Ehrenamtlichen arbeiten. Daher sind ihre PSNV-Kräfte überwiegend an Wochenenden und kirchlichen Feiertagen im Einsatz“, erklärt Jablowsky.