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Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Verdacht in Prien: Sexueller Missbrauch im Sport – Hilfsangebote für Eltern und Vereine

Collage: Abwehrende und ablehnende Handhaltung und ein Kind mit einem Fußball in der Hand
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Immer wieder kommen Fälle von sexuellem Missbrauch in Sportvereinen an die Öffentlichkeit. Das Hilfsangebot dazu wächst und Organisationen bieten Betroffenen halt.

Sportvereine sollten für Kinder und Jugendliche ein Ort der Sicherheit und des Spaßes sein - doch in diesem geschützten Raum ereignen sich immer wieder sexuelle Missbrauchs-Taten. Auch in Prien wird aktuell ermittelt. Wo Eltern und Vereine Hilfe und Tipps bekommen.

Prien Es geht um einen Vorfall aus dem Sommer 2024: Wie das OVB erfuhr, ermittelt die Staatsanwaltschaft Traunstein gegen einen ehemaligen Trainer der Fußballabteilung des TuS Prien wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem Anfangsverdacht, dieser setzte „lediglich voraus, dass es zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschuldigte möglicherweise eine verfolgbare Straftat begangen hat“, so Rainer Vietze, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein.

Derzeit dauere das Ermittlungsverfahren an und die sichergestellten elektronischen Datenträger werden ausgewertet. „Diese Auswertung wird voraussichtlich noch mindestens mehrere Monate dauern“, schreibt der Oberstaatsanwalt auf OVB-Anfrage. Sexueller Missbrauch in Sportvereinen sind keine Seltenheit. Eine Studie aus dem Jahr 2022 mit über 4.000 Teilnehmenden kam zu dem Ergebnis, dass 26 Prozent der Befragten mindestens einmal sexualisierte Grenzverletzungen oder Belästigungen ohne Körperkontakt im Kontext des Sportverein erlebten. 19 Prozent erfuhren mindestens einmal sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung oder Gewalt mit Körperkontakt, z.B. sexuelle Berührungen oder sexuelle Handlungen gegen den Willen.

Was ist sexueller Missbrauch?

Sexueller Missbrauch beginnt dort, wo jemand bewusst die körperlichen und sexuellen Grenzen eines Kindes oder eines Jugendlichen missachtet und überschreitet. Das können anzügliche Bemerkungen oder mehrdeutige Messenger-Nachrichten sein, ein gezieltes Starren auf den Intimbereich, den Po oder die Brust, sexualisierte Gesten und Geräusche. Jede sexuelle Handlung, die an oder vor Kindern und Jugendlichen gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie (weil sie körperlich, seelisch, geistig oder sprachlich unterlegen sind) nicht wissentlich zustimmen können, ist sexueller Missbrauch. (Quelle: Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs)

„Gerade in kleinen, ehrenamtlich geführten Vereinen braucht es klare Schutzkonzepte, niederschwellige Fortbildungsangebote und regelmäßige Gespräche über Grenzen, Nähe und Verantwortung im Umgang mit Kindern und Jugendlichen“, schreibt Ina Lambert von Safe Sport dem OVB. Die unabhängige Ansprechstelle Safe Sport e.V. ist ein Angebot für Menschen, die im Kontext des Sports jegliche Form von Gewalt erlebt haben, beobachten oder davon erfahren haben.

Was können Vereine konkret machen, um Kinder und Jugendliche im Verein zu schützen? „Einen Verhaltenskodex einführen und regelmäßig thematisieren, verpflichtende Ehrenkodizes für Trainerinnen und Betreuer und Benennung von Ansprechpersonen für den Kinderschutz im Verein“, zählt Lambert von Safe Sport auf. Dazu seien Kooperation mit regionalen Fachberatungsstellen oder örtlichen Jugendämtern und die Nutzung von Angeboten der Landessportbünde oder Sportjugenden zur Qualifikation in Kinderschutzthemen weitere Möglichkeiten.

Offene Kommunikation ist wichtig im Verein

Für Christian Wanner vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) ist eine offene Kommunikation im Verein wichtig: „Sensibilisierung beginnt bei offener Kommunikation und der Vereinskultur. Prävention greift dann, wenn das Thema im Sportalltag bekannt ist und gelebt wird. Schutzmaßnahmen zu etablieren heißt, allen – Sportlerinnen und Sportlern, Trainerinnen und Trainern sowie Eltern – muss das Thema vertraut sein.“ Dazu sei es wichtig, dass alle Personen im Sportkontext wissen sollten, wohin sie sich wenden müssen, wenn etwas vorfällt.

Auch Eltern können eine wichtige Rolle einnehmen, um Gefahren zu erkennen. „Eine altersgerechte, offene Kommunikation ist der wichtigste Schutzfaktor. Eltern sollten Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, über unangenehme Erlebnisse zu sprechen und ihnen vermitteln, dass sie jederzeit mit allem zu ihnen kommen können – ohne Angst vor Schuld oder Konsequenzen“, schreibt Lambert. Dabei können diese Grundsätze beachtet werden:

• Erklären Sie, was gute und schlechte Geheimnisse sind.

• Sprechen Sie über körperliche Selbstbestimmung – jedes Kind darf „Nein“ sagen.

• Achten Sie auf das Verhalten Ihrer Kinder – Rückzug, starke Stimmungsschwankungen oder plötzliches Misstrauen können Hinweise sein.

• Nutzen Sie kindgerechte Materialien von Fachstellen wie z. B. dem Verein Zartbitter e.V., dem PETZE-Institut oder den Kinderschutz-Zentren.

Anlaufstelle bietet Hilfe für Betroffene

Safe Sport bietet Betroffenen Hilfe, wenn „eine betroffene Person sich einem Vereinsmitglied oder einer Vertrauensperson anvertraut und diese Person unsicher ist, wie sie reagieren soll“, so Lambert. Sie nennt zwei weitere Anhaltspunkte: „Wenn es Beobachtungen oder Hinweise auf Übergriffe gibt, aber keine klaren Aussagen vorliegen und wenn Vereinsmitglieder psychologische und/oder rechtliche Unterstützung benötigen, z. B. nach Bekanntwerden eines Vorfalls.“

Dabei richtet sich die Hilfe stets an die betroffenen Personen oder an Menschen, die im Interesse und auf Wunsch der Betroffenen handeln möchten. Lambert: „Wir nehmen die Schilderungen der Ratsuchenden ernst, geben bei Bedarf eine Einordnung der Geschehnisse und eröffnen die Perspektive auf Handlungsmöglichkeiten.“

Schutzkonzepte für Vereine

Vereine können sich bei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch auch an den BLSV wenden. „Neben individueller Erstberatung im konkreten Fall, vermitteln wir an geeignete Fachberatungsstellen weiter. Wir bieten Fortbildungen, z.B. für angehende Vertrauenspersonen im Verein und Online-Seminare an“, schreibt Wanner und erklärt weiter: „Zudem beraten und unterstützen wir im Aufbau eines vereinsinternen Schutzkonzepts. Wir vermitteln außerdem Referentinnen und Referenten, die im eigenen Verein unterschiedliche Zielgruppen, insbesondere Vereinsvertreterinnen und Vereinsvertreter und Übungsleiterinnen und Übungsleiter zum Thema sensibilisieren, aufklären und schulen.“

Der BLSV empfiehlt seinen Vereinen:

- das Thema sexualisierte Gewalt zu enttabuisieren (über das Thema offen reden).
- Werte /Haltung zu sexualisierter Gewalt in der Vereinssatzung zu verankern.
- eine männliche und eine weibliche Vertrauensperson im Verein zu benennen, an die man sich jederzeit wenden kann, bei einem Verdacht oder bei Betroffenheit und ein funktionierendes, niederschwelliges Beschwerdemanagement zu etablieren.
- Wissens- und Handlungskompetenz zu entwickeln (z.B. das Wahrnehmen von Schulungen der BSJ oder durch vereinsinterne Qualifizierung, Hinzunahme von Fachberatungsstellen etc.). Alle müssen mit dem Thema vertraut sein im Verein – auf allen Ebenen.
- einen Handlungs- und Krisenleitfaden für den Umgang mit Verdachtsfällen einzuführen. Das angesprochene Flussdiagramm der BSJ kann als Orientierung dienen. Die Sportlerinnen und Sportler sowie Trainerinnen und Trainer sollten wissen, an wen sie sich vertrauensvoll wenden können.
- bei einem Vorfall und bereits bei einem Verdacht eine Fachberatungsstelle einzuschalten, eine Übersicht an Fachberatungsstellen finden Sie auf unserer Webseite unter „Ansprechpersonen und Fachberatungsstellen“.
- die Eignung von Mitarbeitenden zu überprüfen: z.B. durch das Einfordern eines erweiterten Führungszeugnisses von Trainerinnen und Trainern, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich und die Unterzeichnung einer verbindlichen Selbstverpflichtung (Ehrenkodex), auch um abschreckend für mögliche Täterinnen und Täter zu wirken. 
- eigene Schutzvereinbarungen zu formulieren. Diese können helfen, sportliche Aktivitäten transparent und sicher zu gestalten. Dazu gehören z.B. keine Einzeltrainings ohne Kontrollmöglichkeit anzubieten.

Es gebe keine eindeutigen Merkmale von potentiellen Tatpersonen, weiß Wanner vom BLSV: „Täterinnen und Täter nutzen oft gezielt ihre Vertrauensstellung aus. Wachsam sein und eine Kultur des Hinsehens im Verein etablieren sind daher essenziell. Unverhältnismäßige Nähe, Geheimnistuerei oder Grenzüberschreitungen sollten immer ernst genommen und angesprochen werden.“ Im Falle eines Falles sei es besser ein Bauchgefühl ernst zu nehmen, als wegzuschauen. „Wichtig ist, der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss an erster Stelle stehen. Es gibt sogenannte „Täterstrategien“, diese aufzudecken ist schwer, es ist wichtig, dass Vereine sich Wissen zum Thema aneignen“, plädiert Wanner.

Verein möchte sich nicht äußern

Ähnlich sieht es Lambert von Safe Sport: „Es ist schwer, Tatpersonen wirklich zu erkennen – zumal man dies den allermeisten Menschen nicht zutrauen würde. Achtsamkeit und eigene Sensibilität helfen aber, aufmerksam zu sein. Täter bzw. Täterinnen nutzen gezielt Strukturen, in denen sie Nähe und Vertrauen aufbauen können – besonders dort, wo Autorität und Hierarchie unreflektiert bleiben.“

Mögliche Strategien von Tatpersonen können für Lambert sein: „Grenzverletzungen im Kleinen: z. B. unangemessene Kommentare, körperliche Nähe, die nicht klar als Trainingserfordernis begründet ist. Einzelkontakte: z.B. gezielte Isolation des Kindes („Exklusivförderung“), Einzel-Chats. Vertrauensaufbau: intensive emotionale Bindung, um Abhängigkeit zu erzeugen und eine Täter-Opfer-Umkehr: das Kind wird für die Situation verantwortlich gemacht.“

Der OVB bat auch die Beteiligten beim TuS Prien um eine Stellungnahme: „Da das Verfahren unserer Kenntnis noch nicht abgeschlossen ist, werden wir uns dazu gegenüber der Presse nicht äußern. Wir bitten um Verständnis.“

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