„Jungen Menschen eine Bühne geben“
Senegal trifft Wasserburg: Wie Samba Coulibaly Jugendliche mit Poetry-Slam begeistert
„Sprache soll keine Barriere sein“ ist der Poetry-Slammer Samba Coulibaly aus dem Senegal überzeugt. Für Workshops mit Jugendlichen war der 40-Jährige zu Besuch in Wasserburg. Was sowohl die Kids im Senegal als auch hier beschäftigt und was sich Coulibaly von den Wasserburgern abschaut.
Wasserburg – Samba Coulibaly (40), der unter dem Künstlernamen Jo Malado performt, steht auf einer Bühne am Tollwood-Festival in München. Hinter ihm spielen drei Männer und eine Frau der Gruppe „Die Alphornbläser vom Olympiapark“ ein Stück. Coulibaly steht vor ihnen und trägt einen Text auf Französisch vor.
Coulibaly ist Poetry-Slam-Künstler und gibt Workshops im Texten und Dichten. Im Juli war er für jeweils zwei Veranstaltungen in Wasserburg und Rott. Der Poetry-Slammer ist dafür aus Tambacounda angereist – eine Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern im Senegal, in der er als Englisch-Lehrer an einer Schule tätig ist. Im von ihm mitgegründeten Verein „Slamarttamba“ arbeitet Coulibaly mit jungen Menschen und ermutigt sie, Texte zu schreiben und vorzutragen. „Zu Beginn eines Workshops sind die Jugendlichen noch sehr schüchtern. Doch mit der Zeit trauen sie sich das Schreiben mehr und mehr zu“, erzählt der Senegalese. Mittlerweile zähle der Verein etwa 200 Mitglieder, die an Wettkämpfen und Festivals teilnehmen würden, sagt der 40-Jährige.
In seiner Arbeit mit Texten und Poesie ist es Coulibaly wichtig, den jungen Teilnehmern seiner Workshops Mut und Selbstbewusstsein mitzugeben, „sodass sie sich dadurch selbst ermächtigen und sagen, wenn sie unzufrieden sind.“ Nur so könnten sie ihre Zukunft mitgestalten, sagt er. Das will Coulibaly jungen Menschen mitgeben. Die „Miss-Slam“-Veranstaltungen zum Beispiel sind für Mädchen und junge Frauen. „Viele von ihnen leiden weiterhin unter den Traditionen im Senegal. Manche werden noch im Jugendalter zwangsverheiratet“, erklärt der 40-Jährige. Bildung und Selbstbewusstsein seien an solchen Stellen in der Gesellschaft besonders wichtig.
„Jungen Menschen haben etwas zu sagen“
Coulibaly appelliert daran, jungen Menschen zuzuhören. Denn „sie haben etwas zu sagen und wir sollten ihnen eine Bühne geben“, ist der Poetry-Slammer überzeugt. „Sie spielen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft und sind die Hauptcharaktere im Schulsystem. Doch sie werden zu wenig miteinbezogen“, sagt der Englisch-Lehrer. Kein Wunder also, dass laut Coulibaly sowohl Kids im Senegal als auch in Wasserburg und Rott nicht gerne zur Schule gehen. „Ihnen gefällt das System nicht“, meint der 40-Jährige.
In Coulibalys Arbeit gehe es zudem darum, für Muster aus der Kolonialzeit zu sensibilisieren und aufzuklären. „Die Kinder im Senegal denken zum Beispiel oft, Poesie gibt es nur in anderen Sprachen wie Französisch, weil sie es nicht anders kennen“, sagt der Poetry-Slammer. Im Senegal gebe es jedoch auch einige andere Sprachen. Manchmal werde er auf der Bühne von anderen Senegalesen nicht verstanden. Doch in der Poesie müsse nicht jedes Wort erkannt werden, erklärt der 40-Jährige. „Über die Sprache sollen vor allem die Emotionen beim Gegenüber ankommen.“ Das Wort stehe dabei an zweiter Stelle, betont Coulibaly. „Denn Sprache soll kein Zaun und keine Barriere sein“, sagt er.
„Kulturelle Grenzen überwinden“
Dem stimmt auch der Wasserburger René Landspersky (46) zu. Er ist künstlerischer Leiter von „what remains gallery projects“. Zusammen mit Martina Riescher, die die Veranstaltungen in München organisierte, hat er Culibaly für das Kulturprojekt „Wofür sind Worte da?“ in die Region eingeladen. „Es geht darum, kulturelle Grenzen zu überwinden“, fasst Landspersky seine Arbeit zusammen. So wolle er Fremdenangst verringern und mit Stereotypen und Vorurteilen aufräumen. „Menschen sollen zusammenkommen und so eine ‚afro-päische‘ Perspektive aufzeigen“, erklärt er. Coulibaly und Landspersky haben sich vor einigen Jahren auf einem Kultur-Festival im Senegal kennengelernt.
Der Einladung Landsperskys hat Coulibaly gerne angenommen. „Ich interessiere mich sehr für andere Kulturen und wollte deswegen gerne kommen“, sagt er. Der 40-Jährige ist das erste Mal in seinem Leben geflogen und in Europa. Die Menschen in Wasserburg habe er als freundlich, wenn auch ein wenig distanziert erlebt. Zudem seien hier auffällig viele ältere Menschen auf dem Fahrrad unterwegs und aktiv. „Das ist wichtig, um gesund zu bleiben. Das schaue ich mir für zu Hause ab“, sagt er schmunzelnd. Auch von der Landschaft ist Coulibaly begeistert. „Ich habe die Berge gesehen und hier ist alles so grün. In Tambacounda haben wir bis zu 45 Grad Celsius“, sagt er. „Dort brauchen wir auch mehr Bäume, so wie in Wasserburg.“
