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Apotheken am 14. Juni geschlossen

„Sehr düstere Zukunft“: Welche Auswirkungen der Apotheker-Streik auf die Verbraucher hat

Am 14. Juni streiken die Apotheker in der Region. Unter ihnen auch Christine Mayerhofer, Apothekenbetreiberin in Haag und Gars, und Jörg Heider, Apothekenbetreiber in Wasserburg, Griesstätt und Taufkirchen.
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Am 14. Juni streiken die Apotheker in der Region. Unter ihnen auch Christine Mayerhofer (links oben), Apothekenbetreiberin in Haag und Gars, und Jörg Heider (links unten), Apothekenbetreiber in Wasserburg, Griesstätt und Taufkirchen.

Die Apotheker im Wasserburger Land haben die Nase voll: Am 14. Juni streiken sie wegen der schlechten Arbeitsbedingungen. Was sie fordern und was das für den Verbraucher bedeutet.

Von Anja Leitner und Winfried Weithofer

Wasserburger Land – Den Apothekern im Wasserburger Land reicht‘s: Seit Jahren kämpfen sie gegen die immer schlechter werdenden Bedingungen. Nun ziehen sie ihre Konsequenzen: Am Mittwoch, 14. Juni, wird gestreikt, die Apotheken in der Region bleiben zu.

Christine Mayerhofer, Inhaberin der Grafschaft-Apotheke und Löwen-Apotheke in Haag sowie der St. Ulrich-Apotheke in Gars, und ihr Team streiken ebenfalls. „Es kommt einfach viel zusammen. Extrem viele Aspekt spielen eine Rolle“, erklärt Mayerhofer. „Die Lieferengpässe erschweren uns die Arbeit massiv. Das ist ein bekanntes Problem. Wir haben im Team darüber gesprochen, wie viel Mehrarbeit es macht, für unsere Patienten die richtigen Medikamente zu besorgen und den Herstellern hinterherzutelefonieren. Das sind täglich ein bis zwei Stunden. Damit ist eine Vollzeitkraft einen Tag in der Woche beschäftigt“, erläutert sie kopfschüttelnd.

Viele Medikamente seien oft nicht zu bekommen, „also haben wir sie teilweise selbst hergestellt, wie Amoxicillin. Doch wie und ob das von den Krankenkassen übernommen wird, wissen wir nicht. Es gab eine Sonderregelung, die ist Anfang Juni abgelaufen“, so die Inhaberin. „Doch wir müssen ja jetzt schon für den Winter planen, unsere Vorräte auffüllen“, weiß Mayerhofer, die seit fast 20 Jahren Apothekerin ist.

„Überbordende Regulation“

Doch das sei nur eines von vielen Problemen. „Für uns gilt eine überbordende Regulation“, meint Mayerhofer. „Die Bürokratie ist immens. Wir müssen alles belegen. Wenn wir ein Medikament nicht bekommen, müssen wir bei den Krankenkassen beweisen, dass wir mindestens zwei Händler angefragt haben, ansonsten bezahlen sie die Arznei nicht“, verdeutlicht die Inhaberin. Sind auf den Rezepten Formfehler zu finden – wenn beispielsweise der Arzt die Dosierangabe nicht angegeben hat – setzt die Krankenkasse dieses Rezept voll ab und die Apotheke erhält kein Geld dafür. Das kann bis zu einem Jahr rückwirkend geschehen. „Wir bleiben dann auf den Kosten sitzen“, erklärt Mayerhofer. „Trotzdem sind wir verpflichtet, die Patienten zu versorgen. Das machen wir gerne – aber nicht zu unseren Lasten. Da entsteht schon ein gewisser Frust“, betont sie.

Außerdem seien die Apotheken – wie alle anderen auch – von der Inflation betroffen. „Alles ist teurer geworden. Energie- und Personalkosten, Medikamente“, zählt die Apothekerin auf. „Die Tariflöhne für die Mitarbeiter sind um zehn Prozent gestiegen. Das finde ich auch richtig, wir haben sowieso Fachkräftemangel und Nachwuchsschwierigkeiten. Da sollte der Beruf auch anständig bezahlt sein, damit er attraktiv bleibt, aber dann müssen andere Komponenten angepasst werden“, fordert Mayerhofer.

Grundsätzlich sei die Versorgung auf dem Land auch anders als in der Stadt. So könnten nicht alle Apothekenstandorte miteinander verglichen werden, wie es seitens der Regierung geschehen sei, so Mayerhofer. „Wir haben hier bei uns alle zehn Kilometer eine Anlaufstelle. In München gibt es in einer Straße drei bis vier. Irgendwann gibt es auf dem Land keine Apotheken mehr, wenn das so weiter geht“, verdeutlicht die Inhaberin.

Fünf Nächte nicht geschlafen

Auch ärgere sie sich über die Aussage vonseiten der Regierung, dass die Apotheken während der Pandemie gut verdient hätten. „Ich weiß noch gut, wie es mit der Maskenausgabe losging“, weiß Mayerhofer noch gut. „Ich habe fünf Nächte nicht geschlafen, wir haben die Mund-Nasen-Bedeckungen per Hand sortiert. In der Woche habe ich 100 Stunden gearbeitet, das war zu dieser Zeit keine Seltenheit“, sagt die 45-Jährige, die bei der Erinnerung daran schwer schlucken muss. „Wir haben nur geleistet und dann sowas“.

Das Fass zum Überlaufen gebracht habe dann die Erhöhung des Kassenrabatts im Februar. Bisher lag er bei 1,77 Euro, jetzt bei zwei Euro pro verkaufter Arznei, die die Apothekerin an die Krankenkasse abführen muss. Für Mayerhofer ein Unding bei gleichzeitig steigenden Kosten. „Wir müssen schließlich auch wirtschaften, wir sind ein Unternehmen“, verdeutlicht sie.

Apotheker-Streik am 14. Juni

Die Apotheken in der Region streiken am 14. Juni. Es gibt nur einen Notdienst: Die Grafschaft Apotheke in Haag hat für Notfälle geöffnet. Die Apotheken empfehlen, Medikamente vorausschauend oder an anderen Tagen zu besorgen. Fragen an das Apothekenteam sollten möglichst vor oder nach dem Protesttag geklärt werden.

Auch Jörg Heider, der in Wasserburg, Griesstätt und Taufkirchen (Vils) Apotheken betreibt, ist tief besorgt. „Am meisten belasten mich die Lieferschwierigkeiten“, klagt Heider. Er spricht von einer „extremen Knappheit“ bei manchen Arzneien aufgrund starker Nachfrage oder Problemen in der Logistik. Das bedeute 10 bis 15 Anrufe täglich, auch um mit den Ärzten Rücksprache zu halten, Alternativen zu finden. „Dieser Zusatzaufwand erschwert unsere Arbeit massiv.“ Unter anderem Antibiotika und Kindersäfte seien nicht ausreichend vorhanden. „Wir sind am Limit“, so Heider. Und er weist auf die nach seiner Ansicht massiv gestiegenen Kosten hin – für Energie, Mieten und Personal. „Das beeinflusst meine Finanzierung definitiv.“

Insgesamt sieht er für die Branche eine „sehr düstere Zukunft“. Auch den bürokratischen Aufwand hält Heider mitunter für übertrieben. Zum Beispiel bei der Abgabe von Kanülen sieht er überzogene Auflagen und Kontrollen. Und er fragt: „Sind diese Reglementierungen wirklich notwendig?“ Das eigentliche Kerngeschäft, die Beratung, komme in vielen Fällen zu kurz. „Wir kommen nicht dazu, sie ordentlich durchzuführen, weil wir mit so vielen anderen Sachen belastet sind.“

Für Mayerhofer ist klar, dass durch die Forderungen der Apotheker Mehrkosten entstehen, entweder beim Endverbraucher oder bei den Krankenkassen. Doch bei ihren Kunden ist sie bisher nur auf positive Resonanz gestoßen. „Unsere Problematik ist allgemein bekannt. Wir müssen eine Lösung finden, das erklären wir auch den Patienten. Ansonsten gibt es bald keine Apotheken mehr“, prophezeit sie.

Das fordert die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) legt ihre Forderungen in einem Katalog an die Bundesregierung in zehn Punkten dar.

1. Erhöhung des Fixums in der Arzneimittelpreisverordnung: Das in der Arzneimittelpreisverordnung festgelegte „Fixum“ (derzeit: 8,35 € netto) muss auf 12,00 Euro erhöht werden.

2. Regelung zur indexierten Erhöhung des Fixums: Dieses Fixum muss durch einen regelhaften Mechanismus jährlich an die Kostenentwicklung angepasst werden, ohne dass es gesonderter Maßnahmen des Gesetz- oder Verordnungsgebers bedarf.

3. Einführung einer zusätzlichen regelmäßigen Pauschale für jede Betriebsstätte: Diese Pauschale dient der Grundsicherung der Flächendeckung und soll für jede Betriebsstätte gleich hoch sein.

4. Handlungsfreiheit für Apotheken für die schnelle Patientenversorgung: Die größeren Entscheidungsfreiheiten ermöglichen eine schnelle Versorgung der Patientinnen und Patienten und vermeidet in deren Interesse gefährliche Therapieverzögerungen, insbesondere auch bei Lieferengpässen. Die verordnenden Ärzte werden von bürokratischem und zeitlichem Aufwand entlastet.

5. Reduzierung von Retaxationsverfahren auf das sachlich gebotene Maß: Vollständige Verweigerung der Bezahlung des Preises des abgegebenen Arzneimittels müssen verboten werden, wenn der/die Versicherte entsprechend der ärztlichen Verordnung versorgt wurde. Teil-Retaxationen sind nicht ausgeschlossen, müssen aber auf den Betrag beschränkt werden, der sich aus dem Zuschlag (Fixum + 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis) ergibt. Formfehler, die der verordnende Arzt/die verordnende Ärztin verursacht hat, berechtigen nicht zu einer Retaxation.

6. Engpass-Ausgleich: Für den zusätzlichen Aufwand bei der Bewältigung von Lieferengpässen muss ein angemessener finanzieller Ausgleich („Engpass-Ausgleich“) geschaffen werden.

7. Beseitigung der finanziellen Risiken aus dem Inkasso des Herstellerrabattes für die Krankenkassen: Für den Fall, dass die Apotheke bei Zahlungsunfähigkeit des pharmazeutischen Unternehmers von diesem keinen Ausgleich für den an die Krankenkasse geleisteten Herstellerabschlag erhält, muss die Krankenkasse zur Rückerstattung des von der Apotheke verauslagten Herstellerrabattes verpflichtet werden.

8. Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Arzt-Apotheker-Kooperation beim Medikationsmanagement: Es muss eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, dass Vertragsärzt*innen und Apotheken als Leistungserbringer in der Regelversorgung (nicht nur wie bisher in Modellvorhaben wie ARMIN) bundesweit und für Versicherte aller Krankenkassen ein gemeinsames Medikationsmanagement anbieten können.

9. Einschränkung des Präqualifizierungsverfahrens: Die Apotheken müssen von der Notwendigkeit der Durchführung des Präqualifizierungsverfahrens im Hilfsmittelbereich ausgenommen werden, soweit die Qualität ihrer Leistungserbringung bereits durch andere regulatorische Maßnahmen sichergestellt ist.

10. Einzelmaßnahmen zum Bürokratieabbau: Regulatorische Anforderungen, deren Zielsetzung entfallen oder anderweitig gewährleistet ist, sind zu streichen. 

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