Leichtbauhalle sorgt für Verdruss in der Nachbarschaft
Schwarzbau in Bad Endorf – Ja oder Nein? Landratsamt sorgt für Überraschung
Eine Leichtbauhalle sorgt für Ärger. In einem Gewerbegebiet am nördlichen Ortsrand von Bad Endorf geht es um „fliegende Bauten“, Abstand zwischen den Gebäuden und Wortgefechte auf offener Straße. Nun setzt das Landratsamt einen überraschenden Schlusspunkt.
Bad Endorf – Im Gewerbegebiet am nördlichen Ortsende von Bad Endorf sorgt eine Leichtbauhalle für Verdruss. Ihr Besitzer erklärt den Nachbarn, das sei ein „fliegender Bau“, dafür brauche er keinen Bauantrag und keine Genehmigung. Und mit dem Nachbarn, der gerade seine Firma für hochwertige Kunststoffteile vergrößert, habe er sich verständigt, da könne er bis direkt auf die Grundstücksgrenze bauen.
Margarete Schießl gehört ein weiteres Nachbargrundstück mit Kfz-Werkstatt. Ihr Lebensgefährte sieht das ganz anders: „Es kann ja wohl nicht sein, dass Absprachen unter Nachbarn die Bayerische Bauordnung (BayBO) aushebeln“, sagt Günther Schmitt. Und ein „fliegender Bau“ sei die Leichtbauhalle auch nicht. Dafür sei sie viel zu groß. 75 Quadratmeter dürften es sein, Schmitt geht vom knapp Dreifachen aus. Dafür sei selbstverständlich ein Bauantrag nötig. So sei es ein Schwarzbau.
„Fliegender Bau“ wird an wechselnden Orten aufgestellt
„Ganz grundsätzlich: Ein ‚fliegender Bau‘ ist eine Anlage, die dazu bestimmt ist, an wechselnden Orten aufgestellt zu werden. Das ist im konkreten Fall nicht so, denn die Leichtbauhalle soll dauerhaft auf dem Grundstück bleiben“, erklärt Michael Fischer, Pressesprecher des Landratsamts Rosenheim. Deswegen gelte auch die für echte „fliegende Bauten“ geltende Faustregel nicht, dass erst nach drei Monaten eine Genehmigung fällig wird. „Es lag zu keiner Zeit eine Verfahrensfreiheit vor“, erklärt Fischer nach Rücksprache mit der Bauabteilung, „Wolfgang Kirner hätte vor der Aufstellung eine Baugenehmigung einholen müssen.“ Die hat das Landratsamt schon vor einer Weile angefordert, bis zum 26. Juli sei sie aber nicht auf dem Schreibtisch des zuständigen Mitarbeiters gelandet, heißt es aus dem Landratsamt. „Im anschließenden Genehmigungsverfahren wird auch geklärt, ob die Abstandsflächen eingehalten wurden“, so Fischer.
Der Abstand zur Kfz-Werkstatt ist mindestens 1,20 Meter zu gering, hat Günther Schmitt ausgemessen. Der Diplomingenieur hat in seinem Leben schon einige Baupläne und Bauanträge eingereicht und ist sich seiner Sache sicher. Genauso sicher ist sich der Nachbar, Wolfgang Kirner, dass Carport und Pergola der Nachbarin Margarete Schießl seit vielen Jahren auf seinem Grund stehen. Miete oder Pacht habe er dafür nie verlangt. „Das Verhältnis in der Nachbarschaft ist bisher gut“, sagt Kirner. Jetzt richte ein Rosenheimer Schaden an. „Schmitt ist nicht mein Nachbar, Margarete Schießl ist meine Nachbarin“, sagt Kirner deutlich.
Nachbarin verweigert Unterschrift
Als Kirner seiner Nachbarin vor ein paar Wochen den Bauantrag zur nachbarschaftlichen Unterschrift vorlegte, fehlten da laut Schmitt wesentliche Angaben. Unter anderem seien keine Abstandsflächen eingezeichnet gewesen. Ganz im Gegenteil sei die Leichtbauhalle tatsächlich bis auf die Grundstücksgrenze des Neubaus „geschoben“ worden. „Wenn eine private Absprache die Bayerische Bauordnung aushebelt, verstehe ich die Welt nicht mehr“, sagt Schmitt. Margarete Schießl hat übrigens nicht unterschrieben.
Anzeige auf Privatklageweg verwiesen
Als Schmitt im Frühjahr Kirner, Chef einer Metallbaufirma, auf der Straße auf die Leichtbauhalle und die Abstandsflächen ansprach, sei er lautstark und wüst beschimpft worden, sagt Schmitt. Die Beleidigungen hat Schmitt säuberlich aufgelistet und im April bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. Diese Anzeige, so Oberstaatsanwalt Gunther Schabert, sei wegen mangelndem öffentlichen Interesse auf den Privatklageweg verwiesen worden. „Das kann er gerne versuchen“, sagt Kirner gelassen.
Bad Endorf hat, als die Abstandsflächen in der BayBO geändert wurden, um Nachverdichtung einfacher zu machen, darauf verzichtet, eine eigene Satzung zu verabschieden. „Wir haben uns bewusst entschieden, die Finger davonzulassen“, sagt Martin Mühlnickel, der Geschäftsleiter der Marktgemeinde. Da es auch im Bebauungsplan für das Gewerbegebiet von 1980 keine Ausnahmeregelungen bei den Abstandsflächen gebe, gelte die Rechtsvorschrift zum jeweiligen Zeitpunkt.
Landratsamt: Bauantrag nicht nötig
Das weiß Wolfgang Kirner: Er ist seit 2008 Mitglied des Gemeinderates und auch Mitglied im Bauausschuss der Marktgemeinde. Dass er die geltenden Vorschriften einhält, das bescheinigte ihm jetzt nach eingehender Prüfung auch das Landratsamt. Und kommt zu einem überraschenden Schluss: Die Prüfung des beantragten Vorhabens ergab, dass kein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach Artikel 59 BayBO erforderlich sei, heißt es in einem Schreiben der Bauabteilung des Landratsamtes, das Anfang August bei Kirner einging. „Ihr Vorhaben soll gemäß Artikel 58 BayBO genehmigungsfrei gestellt werden“, heißt es weiter. Anders gesagt: Kirner braucht keine Baugenehmigung, weil der Aufbau der Leichtbauhalle den im Gewerbegebiet geltenden Vorschriften entspricht.
Die Vorwürfe Schmitts, er habe einen Schwarzbau errichtet, haben Kirner nicht kaltgelassen. Er setze sich immer dafür ein, Lösungen zu finden, dass die Leute so bauen könnten, wie sie es brauchen, sagt Kirner, „es sei denn, es führt gar kein Weg dahin.“ Dann müssten Gemeinde und Landratsamt ablehnen. Gelegentlich auch wegschauen? Bei einem Rundgang durch das Gewerbegebiet sehe man Anbauten, die so möglicherweise nicht genehmigt seien. Die aber nicht störten. „Sollen die jetzt alle zurückbauen müssen, weil sich jemand, der gar nicht selber betroffen ist, aufregt?“, fragt Kirner.