Lernen aus der Pandemie
Sollen die telefonischen Krankschreibungen bleiben? Das sagen Rosenheimer Ärzte dazu
Husten, Fieber, Schlappheit. Typische Krankheitssymptome zwingen die Erkrankten oft dazu, im Bett zu bleiben. Dennoch ist eigentlich ein Besuch beim Arzt notwendig, um eine Krankschreibung zu bekommen. In der Zeit der Pandemie war es möglich, das per Telefon zu erledigen. Soll das weiterhin möglich sein?
Rosenheim - Die Maßnahmen im Zuge der Corona Pandemie sind nun passé. Mit Anfang April hat auch der Bund alle Beschränkungen aufgehoben. In Bayern ist das bereits im März passiert. Krankenhausbesuche und Fahrten im Nahverkehr sind nun wieder ohne Maske möglich. Die Vorsicht bleibt mancherorts noch, aber sichtbar ist die Pandemie nicht mehr.
Telefonische Krankschreibungen haben sich bewährt
Mit dem Ende der Maßnahmen sind aber auch Instrumente weggefallen, die sich als nützlich und durchaus praktisch für alle Beteiligten erwiesen haben. So war es während der Pandemie möglich, sich auch schon bei Erkältungen vom behandelnden Arzt am Telefon krankschreiben zu lassen. Aus Sicht des Vorstands des Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) hat sich die telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gerade in den hausärztlichen Praxen gut bewährt und sollte deswegen in die Regelversorgung übernommen werden.
Große Arbeitserleichterung
Sowohl für die Praxen, als auch für die Patienten stelle die telefonische AU eine enorme Arbeitserleichterung dar. Viele Ärzte, die ohnehin schon mit der Bürokratie überlastet seien, hätten so mehr Zeit, sich um die sonstigen, häufig chronisch erkrankten Patienten zu kümmern. „Insbesondere bei Infekten und leichten Erkrankungen ist die Telefon-AU sehr nützlich”, sagte Dr. Christian Pfeiffer, der Vorstandsvorsitzende der KVB. „So wird das Risiko von Ansteckungen im Wartezimmer gesenkt und die Patienten müssen keine Auto- oder Busfahrt in die nächstgelegene Praxis auf sich nehmen, nur um eine Krankschreibung zu erhalten.” Einer ähnlichen Meinung ist auch Dr. Wolfgang Hierl, der Leiter des Rosenheimer Gesundheitsamts. Gegenüber dem OVB sagte er: „Aus infektiologischer Sicht macht es natürlich Sinn, dass Patienten mit ansteckenden Atemwegserkrankungen und ohne Maskenpflicht nicht die Arztpraxen aufsuchen müssen und dort im Wartezimmer andere Patienten anstecken können.”
Kontakt zum Patienten sollte immer hergestellt werden
Der Vorschlag, die telefonischen Krankschreibungen beizubehalten, stößt auch auf Zustimmung der Ärzte in der Region. „Ich finde die Idee gut, dass die telefonischen Krankschreibungen fortgeführt werden”, sagt Dr. Florian Bonke, Allgemeinmediziner aus Flintsbach am Inn. So könne man die Patienten aus der Praxis heraushalten, die zwar Infekte haben, aber nicht dringend einen Arzt bräuchten. „Bei viele Patienten, die einfach nur Schnupfen oder Husten, aber kein Fieber und keine Warnsignale haben, reicht es, wenn man mit ihnen telefoniert.”
Dieser Kontakt sollte aber auf jeden Fall hergestellt werden, findet der Rosenheimer Arzt Dr. Nikolaus Klecker, Bezirksvorsitzender für Oberbayern des Bayerischen Ärzteverbands. Damit sich der Arzt glaubhaft davon überzeugen kann, dass der Patient auch wirklich krank ist. Zudem gäbe es ja auch noch die Möglichkeit der Video-Sprechstunde. „Das kann man mit bekannten Patienten auch machen”, sagt Dr. Bonke. „Das ist aber ein technischer Aufwand, den viele Praxen noch nicht integriert haben und auch schwer integrieren können, wenn das noch nicht in den Abläufen drin ist.”
Gefahr der Ausnutzung
So praktisch eine telefonische Krankschreibung auch für alle Beteiligten ist, birgt sie aber auch Gefahren. So sieht Dr. Klecker die Möglichkeit, dass das System ausgenutzt werden könnte. „Die Medaille hat zwei Seiten. Man sollte sich davon überzeugen, dass der Patient auch Husten und eine raue Stimme hat und es ihm nicht gut geht, dann ja.” Es dürfe nicht möglich sein, das auszunutzen. Deswegen müsse sich der Arzt auch wirklich am Telefon oder per Video davon überzeugen, dass der Patient auch wirklich krank ist. „Sonst kommt der in die Praxis und steckt vielleicht andere an.”
„Sagen wir es so, ich kenne keinen Arzt, der mit dem Patienten auf die Toilette geht, um zu schauen, ob er wirklich Durchfall hat”, sagt Dr. Bonke. „Die Möglichkeit der Ausnutzung ist jetzt schon im System.” Wenn der Patient sagt, er fühle sich schlecht und kann nicht in die Arbeit, weil ihm alles weh tue, stelle das kein Arzt in Frage.
Vorbereitung für die nächste Krankheitswelle
Aus Erfahrung nehmen die Krankheitswellen mit dem einsetzenden Frühling wieder ab. Seien es die Corona- oder auch die Grippewellen. „Aber spätestens im Herbst werden wir wieder einen Anstieg an Infektpatienten erleben, denen mit einer unkomplizierten Krankschreibung per Telefon eigentlich einfach und unbürokratisch zu helfen wäre“, so Dr. Pfeiffer und fordert die Verantwortlichen im zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss dazu auf, das Ende der telefonischen Krankschreibungen zu überdenken.
Auch Dr. Bonke hält eine Wiederaufnahme für möglich. „Weil es einfach Sinn macht. Das hat bisher gut funktioniert. Das nicht in den Regelbetrieb aufzunehmen wäre unvernünftig.”