„Ich vermisse meine Kinder“
Frauenhaus wird zur Dauerbleibe – und stellt eine Rosenheimerin vor Herausforderungen
Der angespannte Wohnungsmarkt in der Region beeinflusst auch die Arbeit im Frauenhaus. Weil die Frauen zeitnah oft keine Wohnung finden, bleiben sie länger als geplant in der Schutzeinrichtung und blockieren Plätze. Eine dieser Frauen ist Anna G. Jetzt wendet sie sich mit einem Appell an die Bürger.
Rosenheim - Eigentlich dachte Anna G., das Schlimmste liege schon hinter ihr. Anfang Juli entscheidet sich die Frau, die eigentlich anders heißt, aber anonym bleiben will, dazu, ihren Mann zu verlassen. Gemeinsam mit ihrem zweieinhalb Jahre alten Sohn flieht sie ins Frauenhaus und lässt das Leben, welches sie sich in den vergangenen fünf Jahren in Deutschland aufgebaut hat, hinter sich.
Psychologisch fertiggemacht
Über die Gründe, warum sie ihren Mann verlassen hat, spricht sie an diesem Nachmittag nur kurz. „Er hat mich und meine drei Kinder psychologisch fertiggemacht“, sagt sie. Zwei Kinder sind aus einer früheren Beziehung, sind aber bereits vor einiger Zeit aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und in Wohngruppen untergebracht worden. „Mein Mann wollte sie nicht mehr im Haus haben“, sagt sie.
Ihre Stimme ist leise, in der rechten Hand hält sie ein Taschentuch, mit dem sie sich immer wieder verstohlen die Tränen aus dem Gesicht wischt. Sie holt Luft, wirft einen Blick auf ihr Telefon. „Von meinem Mann geht keine Gefahr mehr aus“, sagt sie dann.
„Second Stage“ hilft beim Aufbau einer neuen Existenz
Das bestätigt auch Ivonne Wiese. Die Sozialarbeiterin ist für das Projekt „Second Stage“ verantwortlich, das vom Bayerischen Sozialministerium auf den Weg gebracht wurde. Im Rahmen dessen helfen die Sozialarbeiterinnen den Frauen dabei, sich nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine neue Existenz aufzubauen. Sie unterstützen bei der Wohnungssuche, dem Umzug und der Nachbetreuung. „Wir wollen nicht, dass die Frauen zurück zu ihren gewalttätigen Männern müssen“, sagt Wiese.
Angespannter Wohnungsmarkt in der Region
Doch in der Vergangenheit wäre genau das oft geschehen. Denn der Wohnungsmarkt in der Region ist angespannt. Das hat auch Anna G. in den vergangenen Monaten zu spüren bekommen. Seit vielen Wochen durchforstet sie sämtliche Portale nach möglichen Wohnungsangeboten. Sie schreibt Bewerbungen, telefoniert mit Eigentümern und nimmt jede Wohnungsbesichtigung wahr, zu der sie eingeladen wird.
Aufenthalt im Frauenhaus zeitlich begrenzt
Doch fünf Monate nach ihrem Einzug wohnt Anna G. immer noch im Frauenhaus. Und das, obwohl die Zimmer eigentlich nur für maximal drei Monate zur Verfügung stehen, um Platz für andere hilfesuchende Frauen zu machen. „Ich will endlich auf eigenen Beinen stehen und meine Kinder wieder zu mir holen“, sagt sie.
Schufa-Auskunft vorhanden
Dass Anna G. dazu durchaus in der Lage ist, daran hat auch Ivonne Wiese keinerlei Zweifel. „Sie ist sehr gut organisiert und hat ihr Leben im Griff“, sagt die Sozialarbeiterin. Ihre Bewerbungsunterlagen seien gut sortiert, die positive Schufa-Auskunft sei vorhanden ihre Deutschkenntnisse würden stetig besser werden. „Ich bin ordentlich, ruhig und Nichtraucher“, versichert Anna G.
Integrationskurs im Februar
In ihrer Heimat Sizilien habe sie nach ihrem Hauptschulabschluss in einem Supermarkt gearbeitet, nach ihrer Ankunft in Deutschland in verschiedenen Restaurants. Ihre beiden älteren Kinder besuchen die Berufsschule in Rosenheim, ihr jüngster Sohn den Kindergarten. „Im Moment bin ich noch in der Elternzeit“, sagt sie. Im Februar beginnt sie einen Integrationskurs und wird ihren Sprachkurs B2 beginnen, anschließend will sie sich nach einer neuen Arbeit als Putzfrau oder in einem Supermarkt umschauen.
Doch die Grundlage für all das, sei eine eigene Wohnung. „Es gefällt mir im Frauenhaus. Aber ich vermisse meine Kinder sehr. Ich will sie endlich alle wieder um mich herum haben.“
Jobcenter übernimmt die Kaution
Gesucht wird eine Wohnung für vier Personen in Rosenheim – wenn möglich durch öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen, da kein Auto vorhanden ist. Das Jobcenter übernimmt sowohl die Kaution als auch die Miete in einem gewissen Rahmen.
„Außerdem wird sie von uns noch weitere sechs Monate begleitet“, sagt Ivonne Wiese. Die Vermieter hätten also auch eine zusätzliche Anlaufstelle, um Dinge zu besprechen und offene Fragen zu klären „Ich will nur, dass mir jemand eine Chance gibt“, sagt Anna G. Damit sie und ihre drei Kinder die Vergangenheit endlich hinter sich lassen können.
Mehr Informationen
Wer eine Wohnung zur Verfügung hat oder Ideen hat, wohin sich Anna G. wenden könnte, kann sich bei den Mitarbeiterinnen des Projekts „Second Stage“ melden, die anschließend einen Kontakt zu Anna G. herstellen werden. Sie wird sich anschließend direkt mit potenziellen Vermietern in Kontakt setzen. Mehr Informationen gibt es unter Telefon 08031/381478.