Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Das erste Jahr ist das schwerste“

Weihnachten ohne Angst: So feiern Rebecca, Lisa, Karla und Marlene im Rosenheimer Frauenhaus

Weihnachten im kleinen Kreis: Am heutigen Heiligabend wird es auch im Rosenheimer Frauenhaus ein Bescherung geben.
+
Weihnachten im kleinen Kreis: Am heutigen Heiligabend wird es auch im Rosenheimer Frauenhaus ein Bescherung geben.

Weihnachten ist das Fest der Liebe – aber auch die Zeit, in der die Gewalt in etlichen Familien eskaliert. Betroffene Frauen und ihre Kinder finden im Rosenheimer Frauenhaus Zuflucht. Doch Grund zum Feiern hat man dort eigentlich nicht, oder doch?

Rosenheim – Das erste Jahr ist immer das Schwerste. Darin sind sich die Frauen einig. „Ich bin froh, dass ich nach der Trennung nicht alleine zu Hause bin“, sagt Rebecca. Sie sitzt an einem großen Holztisch, der mitten im Aufenthaltsbereich steht. Die FFP2-Maske bedeckt fast ihr ganzes Gesicht, ihre Hände versteckt sie unter den langen Ärmeln ihres Pullovers.

Playmobil-Figuren und Lego-Sets

Viel erzählen will sie nicht. „Für mich hatte Weihnachten noch nie eine Bedeutung“, sagt sie. Der Kinder zuliebe hätte sie in den vergangenen Jahren alles über sich ergehen lassen. Den Rehbraten bei der Schwiegermutter. Den Baum, der von den Kindern geschmückt wurde und die Geschenke darunter, in denen sich meist Playmobil-Figuren oder Lego-Sets verbargen.

Lesen Sie auch: Junge Frau berichtet von prügelndem Ehemann und wie Rosenheimer Beratungsstelle „Migra“ hilft

Und vielleicht war es genau um diese Zeit, als Rebecca endgültig den Entschluss gefasst hat, ihren Mann zu verlassen und Zuflucht im Frauenhaus zu suchen. Seitdem lebt sie mit Frauen unter einem Dach, die alle ein ähnliches Schicksal teilen.

Schläge und physische Gewalt

Da wären zum Beispiel Lisa, Karla und Marlene. Keine der Frauen heißt wirklich so. Es gibt Dinge über ihr Leben, die sie nicht in der Zeitung lesen wollen. Alles, was Hinweise zu ihrer Identität liefern könnte, gehört dazu. Sie verraten weder ihre Herkunft noch zu viele Details über das, was ihnen zugestoßen ist. Aber sie machen auch kein Geheimnis daraus, dass Schläge, psychische Gewalt und das Gefühl sich in den eigenen vier Wänden nicht sicher zu fühlen, lange Zeit zu ihrem Leben dazugehört haben.

Seit sieben Monaten im Frauenhaus

Doch an diesem Vormittag geht es nicht um die dunkle Vergangenheit der Frauen, sondern um Weihnachten. Zwei von ihnen werden die Feiertage – sofern es ihre Sicherheit nicht gefährdet – bei Freunden und Verwandten verbringen. Lisa zum Beispiel. Die junge Frau und ihre beiden Kinder leben seit sieben Monaten im Frauenhaus. Heiligabend wird sie bei ihrem Vater sein. Es wird Kartoffelsalat und Würstchen geben, direkt im Anschluss die Bescherung. „Da kommt schon ein bisschen Weihnachtsstimmung auf“, sagt sie.

Über fünf verschiedene Plätzchensorten haben die Frauen und Kinder gemeinsam gebacken.

Fünf unterschiedliche Sorten gebacken

Die herrscht auch im Frauenhaus. An der Fensterscheibe kleben selbst gebastelte Papiersterne, an der Wand gegenüber hängt ein Adventskalender. Auf dem Tisch liegen Äpfel, Mandarinen, Nüsse und kleine Schokoladen-Weihnachtsmänner. In einer Ecke steht der Christbaum, den die Frauen gemeinsam dekoriert haben. Davor steht ein kleiner Tisch, auf dem eine Schüssel mit selbst gemachte Plätzchen steht. „Ich habe fünf unterschiedliche Sorten gebacken“, sagt Karla. Die Frau mit der Brille und den kurzen Haaren lebt seit einem Monat im Frauenhaus.

Erstes Fest mit fremden Frauen

Dort, wo sie herkommt, beginnt das Weihnachtsfest bereits drei Tage vor Heiligabend. Es wird gemeinsam gebacken, geschmückt und gesungen. Manchmal hat sie bei ihrem Sohn gefeiert, manchmal gemeinsam mit den Großeltern. Dieses Jahr feiert sie ihr erstes Weihnachten im Frauenhaus. „Wir werden zusammen kochen“, sagt sie.

Großteil mit Migrationshintergrund

Was genau geplant ist, stand zumindest zu der Zeit des Interviews noch nicht fest. Weil ein Großteil der Frauen im Haus einen Migrationshintergrund hat, werden sie ein Gericht aus ihrer Heimat beisteuern. Sie werden zusammensitzen, sich austauschen und für einen Moment alles um sich herum vergessen – oder es zumindest versuchen.

Lesen Sie auch: Zweite Chance mit Second Stage: So hilft das Rosenheimer Frauenhaus, wenn Frauen in Not sind

Ein besonderer Höhepunkt für die Kinder wird auch in diesem Jahr die Bescherung sein. „Wir bekommen zahlreiche Spenden. Eine Mutter aus Großkaro hat zum Beispiel für jede Frau und jedes Kind Geschenke organisiert“, sagt die Leiterin des Frauenhauses, Marita Koralewski.

Gemeinsame Aktivitäten gehören im Frauenhaus dazu: Wie beispielsweise das Adventskranzbinden.

Neujahrsfest statt Heiligabend

Auf die leuchtenden Augen ihrer Kinder, wenn sie ihre Geschenke auspacken, freut sich auch Marlene. Sie und ihre beiden Kinder leben seit vier Monaten im Frauenhaus. Weihnachten gibt es in ihrem Kulturkreis eigentlich nicht. Stattdessen feiert sie das Neujahrsfest „Nowrouz“, das am 21. März stattfindet. Es gibt Fisch, dazu Reis und einen Eintopf. „Bevor wir essen, wird die ganze Wohnung geputzt“, sagt Marlene.

Lesen Sie auch: Häusliche Gewalt nimmt in der Pandemie zu - Rosenheimer Frauenhaus startet Prävention an Schulen

Außerdem wird der Tisch mit sieben Bestandteilen gedeckt, die in ihrer Muttersprache mit dem Buchstaben „S“ beginnen. Ein Apfel beispielsweise, der für Gesundheit steht. Oder getrocknete Mehlbeeren, die Liebe und Lebensfreude symbolisieren. Doch seit sie in Deutschland lebt, ist vieles anders. Nicht nur die Feste, die gefeiert werden. Auch die Menschen, mit denen sie fast täglich zu tun. „Aber wir sind ein gutes Team.“

Familiäre Stimmung

Das merkt man auch an diesem Vormittag. Die Frauen lachen, erinnern sich gemeinsam an den Tag vor einigen Wochen, als der Nikolaus zu Besuch kam. Es habe Geschenke gegeben, dazu habe man gesungen und Gedichte aufgesagt. „Die Stimmung war sehr familiär“, sagt Karla.

Weihnachten ohne Angst

Sowohl für sie, als auch die anderen Frauen, wird es das erste Weihnachten sein, das sie ohne Angst verbringen können. Ganz ausblenden werden sie ihre Vergangenheit jedoch nicht können. Zumal es immer wieder vorkommt, dass die Kinder nach ihrem Vater verlangen. „Das schmerzt. Aber das wird sich wahrscheinlich nie ändern“, sagt Marlene.

Lesen Sie auch: Rosenheim: Seit Beginn der Corona-Pandemie kein Anstieg bei Gewalt an Kindern

Ihre Kinder werden die Weihnachtstage bei ihrem Mann verbringen. Keine Selbstverständlichkeit, wie Marita Koralewski weiß.

Auch sie wird die Frauen während der Weihnachtstage im Frauenhaus besuchen und dafür sorgen, dass es den Bewohnerinnen an nichts fehlt – eben weil das erste Jahr immer das Schwerste ist.

Kommentare