Angriff auf Rosenheimer Notarzt
Nach Attacke im Krankenwagen: Werden Einsätze für Rettungskräfte immer gefährlicher?
Aggression und Gewalt gehören für viele Rettungskräfte zum Beruf dazu. Doch wie ist die Situation in Rosenheim? Ein Notarzt erzählt von seinem Alltag - und dem Moment, als ihn ein Patient nicht nur beleidigt hat, sondern auch versuchte, ihn zu würgen.
Rosenheim - Dr. Paul Stäbler will sich nicht als Opfer darstellen. Das sagt er gleich zu Beginn des Gesprächs. Trotzdem ist es ihm wichtig, über das Geschehene zu sprechen. Unter anderem deshalb, weil er zeigen will, dass Vorfälle, wie man sie aus Berlin und Köln kennt, auch in Rosenheim vorkommen können.
Seit Dezember ist er im Rettungsdienst tätig - neben seiner Tätigkeit als Kinderarzt im Romed-Klinikum. „Der Job macht mir wahnsinnig viel Spaß“, sagt er. Daran ändere auch der Zwischenfall von vor einigen Wochen nichts. Spuren hinterlassen hat er trotzdem. „Ich bin nicht traumatisiert, trotzdem ist es ärgerlich“, sagt der Notarzt.
Angriff mit knapp über zwei Promille
Es sei an einem Freitag, gegen 22 Uhr gewesen, als er und seine Kollegen zu einem Patienten gerufen worden seien. Der 58-jährige Mann aus dem Landkreis Rosenheim sei eine Treppe hinuntergestürzt und habe sich dabei eine Platzwunde am Kopf zugezogen, die vom Rettungsdienst medizinisch versorgt werden musste. „Schon kurz nach dem Eintreffen hat uns der Mann beschimpft“, sagt Stäbler. Die Situation habe sich im Krankenwagen weiter zugespitzt. Stäbler habe gerade Notizen gemacht, als der 58-Jährige auf ihn zustürzte und versuchte, ihn zu schlagen und zu würgen. Sein Kollege sei „sofort aufgesprungen“ und habe den Patienten festgehalten. „So sind wir dann verharrt, bis die Polizei eingetroffen ist“, sagt Stäbler. Im Polizeibericht wird später stehen, dass sich die Situation nach dem Eintreffen der Beamten entspannt hat und der 58-Jährigen einen Alkoholwert von knapp zwei Promille hatte.
„Ich habe wirklich Glück gehabt“, sagt Stäbler einige Tage nach dem Angriff. Einen Vorfall wie diesen habe es in seiner Karriere noch nicht gegeben. Trotzdem, schiebt der Arzt hinterher, müsse man fast damit rechnen, wenn man tagtäglich mit Menschen zu tun hat. Doch auch das ändert nichts an der Tatsache, dass Stäbler für ein solches Verhalten kein Verständnis hat. „Wir wollen den Patienten nur helfen, opfern unsere Feiertage, nur um dann beschimpft und geschlagen zu werden. Das ist unwürdig“, sagt er.
Negative Erfahrungen halten sich in Grenzen
Dass Fälle wie diese in Rosenheim eher Seltenheit sind, bestätigt Thomas Neugebauer, stellvertretender Kreisgeschäftsführer beim Bayerischen Roten Kreuz. „Mir sind keine Vorfälle bekannt“, sagt er. Von dem Vorfall, in den Dr. Paul Stäbler involviert war, habe er lediglich aus den Medien erfahren. Und auch unter seinen Mitarbeitern seien gewalttätige Patienten so gut wie kein Thema. So gebe es ein Mitarbeiterportal, in dem die Einsatzkräfte Vorfälle dieser Art eintragen können. „Da steht fast nichts drin“, sagt Neugebauer. Lediglich hin und wieder komme es vor, dass ein alkoholisierter oder unterzuckerter Patient um sich schlägt.
Aber - auch das macht er deutlich - weder er noch seine Mitarbeiter würden Gewalt tolerieren. „Wenn jemand angegriffen wird, erstatten wir Anzeige“, sagt der stellvertretende Kreisgeschäftsführer. Zwar sei die Situation in Rosenheim mit der in Großstädten nicht vergleichbar, trotzdem hat auch Neugebauer beobachtet, dass vor allem die verbale Gewalt über die Jahre zugenommen hat. „Wir werden sehr oft beleidigt und hin und wieder auch angespuckt“, sagt er. Aber: Ein Großteil der Bevölkerung sei „in Ordnung“.
Wunsch nach respektvollem Umgang
Das bestätigt auch Dr. Paul Stäbler. Dennoch beobachtet er während seiner Arbeit im Romed-Klinikum, dass viele Angehörige und Patienten „nicht ädäquat mit dem Personal umgehen“. Sie würden oft schimpfen, hin und wieder beleidigend werden. „Das ist schade, weil wir unter hohem Druck arbeiten, oft nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung haben und trotzdem versuchen, allen gerecht zu werden“, sagt Stäbler. Sein Wunsch: Ein respektvoller Umgang miteinander.