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Katastrophen und Krisen fordern

Retten und schützen: Warum die Wasserburger Johanniter jetzt selbst Hilfe brauchen

Das Einsatzspektrum der Johanniter in Wasserburg hat sich stark erweitert. Sogar tierische Helfer gehören zum Team. Sie unterstützen vor allem bei der Vermisstensuche.
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Das Einsatzspektrum der Johanniter in Wasserburg hat sich stark erweitert. Sogar tierische Helfer gehören zum Team. Sie unterstützen vor allem bei der Vermisstensuche. 

Sie retten Verletzte, suchen Vermisste, helfen in Krisen und Katastrophen: Die Johanniter in Wasserburg haben ein großes, sehr forderndes Aufgabenspektrum - und ein Problem.

Wasserburg - 1991 sind sie in Wasserburg gestartet - „mit einem einzigen Notfallkoffer und zehn Helfern“, erinnert sich Dienststellenleiter Markus Haindl. Heute sind 150 Ehren- und 70 Hauptamtliche bei den Wasserburger Johannitern im Einsatz. Der Ortsverband wird weit über die Grenzen der Stadt hinaus gerufen, wenn es kriselt: Die Aktiven retten und helfen Menschen im Raum Rosenheim und den Nachbarlandkreisen. Sie werden laut Pressesprecher Gerhard Bieber auch oft gerufen, wenn sich extreme Ereignisse abgespielt haben: zum Rettungseinsatz bei der Jahrhundertflut im Ahrtal, zur Evakuierung nach einem Bombenfund in Regensburg, zur Vermisstensuche im bayerischen Wald, aktuell zum Umzug der Romed-Klinik Wasserburg. Die Johanniter reagierten während der Pandemie mit einem eigenen Corona-Testzentrum und - was kaum jemand in Wasserburg weiß - der Ortsverband betreibt sogar eine Kita in Kirchseeon. Auch jetzt, in einer Zeit, in der sich das Augenmerk auf den Katastrophenschutz im Falle eines Blackouts richtet, sind die Johanniter eingebunden.

Helfer auf vier Pfoten besonders effektiv

Sie haben sich laut Haindl im Ortsverband Wasserburg in den vergangenen 31 Jahren den Herausforderungen angepasst. 2018 beispielsweise als Folge der zunehmenden Einsätze bei der Vermisstensuche mit der Gründung einer Rettungshundestaffel. Denn es hatte sich herausgestellt, dass die Helfer auf vier Pfoten viel effektiver sind als die Helfer auf zwei Beinen. Was ein Hund in einer halben Stunde absucht, schaffen zwölf Personen in zwei Stunden, berichtet Haindl. Sieben geprüfte Vierbeiner sind in der Staffel im Einsatz, gut 20 in der Ausbildung. Flächendeckend suchen sie, geleitet von ihrem Hundeführer, beispielsweise Waldgebiete ab. Geruchsspuren folgen die sogenannten Mantrailer: Hier steuert der Hund den Mensch, der ihn an der Leine hat. Die Johanniter haben bereits einen ausgebildeten Personenspürhund in der Staffel, vier bis fünf weitere sind in der „Lehre“. Zusätzlich soll in Zukunft die Drohne zum Einsatz kommen: Sie überfliegt mit einer Wärmebildkamera größere Flächen. Zehn Piloten sind laut Haindl im Ortsverband Wasserburg im Training, eine Drohne steht bereit.

Neu im Leistungsangebot der Johanniter: der Drohneneinsatz. 

Für die Tatsache, dass die Vermisstensuche so zugenommen hat, gibt es nach Erfahrungen von Haindl einen Grund: die zunehmende Überalterung der Gesellschaft und die wegbrechenden Großfamilienstrukturen. Es gebe immer mehr ältere Menschen mit Demenz, die sich verirren würden. Der Klassiker ist also der Senior, der sich verlaufen hat, außerdem der Teenager, der nach dem Discobesuch nicht pünktlich heimkommt, oder ein Mensch, der psychisch erkrankt ist und bei dem akute Selbstmordgefahr besteht.

Krisenintervention wird immer wichtiger

Die veränderten gesellschaftlichen Strukturen führen auch dazu, dass die Krisenintervention immer wichtiger wird, stellen Haindl und Bieber fest. Menschen leben immer häufiger allein oder weit entfernt von Angehörigen. Die klassische Großfamilie, die sich gegenseitig tröstet, wenn ein Mitglied verunglückt, gibt es oft nicht mehr. Die Johanniter in Wasserburg bauen deshalb ein Kriseninterventionsteam auf. 19 Ehrenamtliche sind derzeit in der Ausbildung und lernen in psychosozialen Notfällen Betroffenen zur Seite zu stehen. Seit Februar sind die ersten in Wasserburg ausgebildeten Ehrenamtlichen im Einsatz. Sie betreuen Angehörige, die erfahren, dass ein geliebter Mensch einen schweren Unfall hatte, Menschen, die nach einem Brand um ihr Hab und Gut bangen, Opfer und die Familien von Gewalt. Manchmal benötigen auch die Helfer Hilfe, sagt Haindl - Feuerwehrmänner und -frauen, Polizisten, Rettungssanitäter, Ärzte. Und die Mitarbeitenden im Krisenintervention, für die es regelmäßig Supervisionen zum Aufarbeiten gibt.

Der Bedarf für die Krisenintervention nimmt zu, die Johanniter in Wasserburg bilden neue Helfer aus. 

Verbale Attacken nehmen zu

Thema ist hier oft auch die Tatsache, dass Retten, Bergen und Helfern, Verletzte versorgen und Menschen in Not betreuen immer häufiger auf Unverständnis stößt. Haindl erinnert sich noch an Zeiten, als ein vorfahrender Rettungswagen Respekt auslöste. Damals blieben andere Pkw stehen, Menschen gingen an die Seite und warteten geduldig, bis der Einsatz vorbei war. Heute fühlen sich Passanten oft gestört, meckern, stören, bestehen darauf, trotz gesperrter Straße Durchlass zu bekommen, vergreifen sich im Ton. Auch einen körperlichen Angriff hat Haindl schon einmal erlebt - der Angreifer entschuldigte sich jedoch immerhin später. Als Rettungsdienst würden die Johanniter oft als Teil des Staates empfunden, obwohl sie hauptsächlich im Ehrenamt tätig seien, so Bieber. „Die Unzufriedenheit mit dem Staat wird nicht selten auf uns projiziert.“

Vermisstensuche mit Hund: Der Helfer auf vier Pfoten ist in der Regel sehr effektiv bei der Arbeit. 

Neubau kostet etwa 4,8 Millionen Euro

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Der Arbeit der Johanniter ist deshalb auch psychisch herausfordernd - egal ob im Sanitätsdienst bei Veranstaltungen oder Festen, im Krankentransport sowie im Auslandsrückholservice, über den Hausnotruf, den 950 Bürgerinnen und Bürger bereits gebucht haben, bei der Jugendarbeit oder in einem der acht Blaulichtfahrzeuge, in der Krisenintervention oder bei der Vermisstensuche. Auch deshalb müssen die Arbeitsbedingungen stimmen, findet Haindl. Der Altbau der Wasserburger Rettungswache, 1954 von der Eon erstellt, 1991 vom Ortsverband gemietet, 2000 erworben, hat mit seinen 400 Quadratmetern Nutzfläche nicht mehr ausreichend Platz.

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Ein Neubau auf einem Grundstück in der Nähe (Pfarrer-Neumair-Straße), das die Johanniter für 60 Jahre in Erbpacht von der Heiliggeist-Spitalstiftung der Stadt nutzen können, ist geplant. Auf drei Stockwerken sollen 1900 Quadratmeter Nutzfläche entstehen - ein Gebäude mit Rettungswache, Garagen für die Fahrzeuge, Sanitäts-und Schulungsräumen für Erste-Hilfe-Kurse und Jugendarbeit, Desinfektionsanlage. 4,8 Millionen Euro kostet das Bauvorhaben, 1,6 Millionen bringen die Johanniter als Eigenanteil auf, berichtet Susanne Meierhofer, Kampagnenleiterin für den Neubau. 3,2 Millionen Euro müssten noch über Spenden und Sponsorengeld hereingeholt werden. 2023 soll der Spatenstich stattfinden, 2024 der Umzug möglich sein. Der Bauaussschuss des Stadtrates widmet sich dem Vorhaben am Donnerstag, 15. Dezember.

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