Opfer (18) geht es wieder besser
K.o.-Tropfen im Getränk? Polizei ermittelt nach Vorfall in Rosenheimer Club
Das Thema ist ernst, die Dunkelziffer höher als die gemeldeten Verdachtsfälle: Immer wieder kommt es vor, dass Menschen im Nachtleben mit K.-o.-Tropfen betäubt werden. Jetzt soll es auch in Rosenheim, in einem Club in der Samerstraße, einen Vorfall gegeben haben.
Rosenheim /Bad Aibling – An viel erinnern, kann sich Michelle Klinghammer (18) aus Bad Aibling nicht mehr. Freitagnacht sei sie gemeinsam mit einer Freundin feiern gewesen. Sie habe getanzt, Leute kennengelernt und sich von zwei Männern ein Getränk ausgeben lassen. Einige Minuten später sei ihr Mund plötzlich taub geworden. Ihr sei schlecht gewesen, sie habe am ganzen Körper gezittert.
„Ich habe mich gefühlt wie in Watte gepackt“, sagt Klinghammer. Vor allem die Tatsache, keine Kontrolle mehr über ihren Körper zu haben, habe ihr Angst gemacht. „Ich dachte erst, es ist der Alkohol. Aber so ging es mir noch nie.“ Der Türsteher habe schließlich einen Krankenwagen gerufen. Was danach passiert ist, weiß Klinghammer nicht mehr. Nur noch, dass ihre Mutter sie in den frühen Morgenstunden aus dem Krankenhaus abgeholt hat.
Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung
Mittlerweile hat auch die Rosenheimer Polizei die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen. Ob es sich tatsächlich um K.-o.-Tropfen handelt, sei im Moment noch nicht vollständig geklärt. „Es ist aber durchaus vorstellbar. Wir müssen jetzt die Ergebnisse der Blutprobe abwarten“, sagt Polizeihauptkommissar Robert Maurer. Ein freiwilliger Alkoholtest habe bereits bestätigt, dass Michelle Klinghammer „nicht merklich alkoholisiert war“.
Nach 20 Minuten setzt Übelkeit ein
Als K.-o.-Tropfen bezeichnet man Substanzen, die eine narkotisierende Wirkung haben und verabreicht werden, um jemanden wehrlos zu machen. Die Präparate werden heimlich in Getränke oder Speisen gemischt. „K.-o.-Tropfen sind farblos und nicht zu schmecken, wenn sie in Getränke oder Speisen gemischt werden.
Bereits nach zehn bis 20 Minuten setzen Schwindelgefühle und Übelkeit ein“, teilt der Weiße Ring – eine Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer – auf seiner Website mit. Typisch für die Tropfen sei ein Gedächtnisverlust. Das Opfer habe keinerlei Erinnerung, was von Beginn der Wirkung der Tropfen, bis zu deren Abklingen geschehen ist.
Dunkelziffer höher als gemeldete Fälle
„In Rosenheim haben wir immer mal wieder Fälle. Die Dunkelziffer ist aber sicherlich höher“, sagt Günter Schwarz, Außenstellenleiter des Weißen Rings in Rosenheim. Oft werde der durch die K.-o.-Tropfen resultierende Filmriss auf den Alkohol geschoben. Hinzu komme, dass die Tropfen schon nach wenigen Stunden nicht mehr im Körper nachweisbar sind. Schwarz rät deshalb dazu, sein Getränk niemals unbeaufsichtigt stehen zu lassen und aufmerksam zu sein.
Kampagne, die über Gefahren aufklärt
Außerdem weist er auf die Aufklärungskampagne „No! K.o. – Geh auf Nummer sich“ hin, die über die Gefahren von K.-o.-Tropfen aufklärt. Unter dem Slogan „Nicht mit mir!“ werden unter anderem Armbänder in Signalfarbe verkauft. Zudem gibt es beim Weißen Ring Flyer mit Hinweisen, Bierdeckel mit wichtigen Tipps und sogenannte Spikeys. Dabei handelt es sich um einen Getränkeschutz, der in den Flaschenhals gedrückt wird, sodass nur noch Platz für einen Strohhalm ist. „Damit kann nichts mehr in das Getränk gemischt werden“, sagt Schwarz.
Im Rosenheimer Nachtleben durchaus selten
Fest steht aber auch, dass die Verabreichung von K.-o.-Tropfen zumindest im Rosenheimer Nachtleben durchaus selten ist. Das bestätigen sowohl die Polizei als auch mehrere Clubbetreiber. „Bei uns ist es in den ganzen Jahren jetzt vielleicht einmal vorgekommen“, sagt Franz Fischer vom „Nerdz“. Auch er rät dazu, seine Getränke nicht aus den Augen zu lassen.
Er hat deshalb extra vor seinen Lokalen Tische aufgestellt, damit die Gäste ihre Getränke auch während des Rauchens im Blick behalten können. „Das ist allerdings nur ein Entgegenkommen für die Raucher. In der restlichen Zeit dürfen die Getränke das Lokal nicht verlassen, da dies durch das Ordnungsamt vorgeschrieben ist“, sagt Fischer.
Clubbetreiber mit deutlicher Meinung
„In meinen 20 Jahren gab es noch nie einen Fall, der nachweislich bestätigt wurde“, sagt Sascha Khayat vom „P2 Club“. Hin und wieder komme es zwar vor, dass er von Leuten höre, die angeben, dass ihnen etwas ins Getränk gekippt worden sei, doch ob es sich dabei tatsächlich um K.-o.-Tropfen gehandelt habe, hat aber niemand sicher bestätigen können. Gleiches berichtet Josefine Schütz von der „Party Oim“. In den vergangenen drei Jahren habe es in ihrem Lokal noch keinen Vorfall gegeben. „Feiern in Rosenheim ist sicher“, sagt die Betreiberin.
Appell an ihre Mitmenschen
Es ist eine Aussage, die Michelle Klinghammer zumindest im Moment wohl nicht unterschreiben würde. Denn auch wenn es ihr mittlerweile besser geht, bleibt die Angst.
„Ich werde mein Glas jetzt immer dabei haben und nur Getränke annehmen, wenn ich gesehen habe, wie sie eingeschüttet worden“, sagt sie. Es ist ein Appell, den sie auch an ihre Mitmenschen richtet. Damit niemand das durchmachen muss, was sie in der Nacht auf Samstag erlebt hat.
Weitere Geschädigte beziehungsweise Zeugen sollen sich mit der Rosenheimer Polizei unter Telefon 08031/200 2200 in Verbindung setzen.
Das rät der Weiße Ring:
• Das eigene Glas nie unbeobachtet lassen.
• Das eigene Glas unausgetrunken stehen lassen, wenn man sich nicht sicher ist.
• Kein offenes Getränk von Leuten annehmen, die einem nicht bekannt sind.
• Freunde, Bekannte oder das Personal ansprechen und um Hilfe bitten, wenn man sich unwohl fühlt oder einem schlecht wird.
• Sich bei einem Verdacht der Gesundheitsgefährdung durch K.o.-Tropfen einem Arzt anvertrauen oder direkt in die Ambulanz eines Krankenhauses fahren.
• Sich um Freunde kümmern, die zu viel getrunken haben. Unterstützung organisieren.
• Im Zweifel immer die 110, die 112 oder das kostenfreie Opfer-Telefon des Weißen Rings unter 116006 anrufen.