Taufen ohne Termin? Es gibt auch Skepsis
Taufe to go: So will die Rosenheimer Dekanin Dagmar Häfner-Becker die Menschen erreichen
Mit einer ungewöhnlichen Aktion öffnet die Rosenheimer Erlöserkirche am Samstag ihre Türen für alle, die auf der Suche sind. Mitbringen muss man nur ein offenes Herz - und den Personalausweis.
Rosenheim - „Ich bin da, man kommt vorbei, wann es eben passt”, sagt Dekanin Dagmar Häfner-Becker. Das gilt freilich wohl nicht rund um die Uhr, aber für kommenden Samstag zwischen halb elf und eins. Dann nämlich ist die Pfarrerin in der Kirche und wartet auf Täuflinge. Welche kommen oder auch ob überhaupt welche kommen, weiß sie nicht. Vielleicht tauft sie auch niemanden, vielleicht spricht sie nur mit den Menschen. Aber möglich ist es allemal: Jeder darf kommen und bei der Taufe-To-Go das Sakrament der Taufe empfangen.
Keine Religionsprüfung
Meist sind Taufen ja mit größeren Familienfeiern verknüpft - auch mit der neuen Familie, in die man aufgenommen wird: der Gemeinde. Aber das sei vielleicht nicht jedermanns Sache, sagt Häfner-Becker. „Unser Angebot richtet sich an Menschen, die vielleicht kein Fest feiern wollen oder können.”
Aber vor allem richtet sich das Angebot allgemein an Suchende: „Ich mache da keine Religionsprüfung”, sagt die Theologin, „aber ich führe natürlich ein Kennenlerngespräch.“ Bei dem gehe es lediglich darum zu klären, warum ein Mensch sich taufen lassen will. Und wenn jemand kommt, „der sagt, er habe Lust darauf, aber weiß eigentlich nichts über die Kirche, dann machen wir ein Folgegespräch aus.” Das jemand kommen könnte, der sich einfach taufen lässt, ohne sich irgendeinen Gedanken gemacht zu haben, glaubt Häfner-Becker nicht: „Da passiert ja schon vorher etwas, vielleicht eine Suchbewegung, vielleicht durch die Kinder im christlichen Kindergarten.”
„Siehe, da ist Wasser; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?“
Und diese Suchbewegung reicht Häfner-Becker. Und der Bibel auch: In der Apostelgeschichte des Lukas gibt es die Geschichte des äthiopischen Kämmerers, der nachdem er in Jerusalem die Schriften las, ein Gespräch mit einem Diakon der Urgemeinde führt und dann zu diesem sagt: „Siehe, da ist Wasser; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?“
Die Kirche soll geschmückt sein, ein wenig feierlich. Handreichungen für Taufsprüche - wahlweise auf Papier oder per App - sind vorhanden, aber Häfner-Becker sagt lächelnd, „vielleicht fällt mir ja auch etwas ein.” Mitbringen muss der potentielle Täufling lediglich seinen Personalausweis, schließlich ist die Taufe auch ein bürokratischer Akt. Musik gibt es auch; nicht von der Orgel, sondern von einer Bluetooth Box, die die Pfarrerin mitbringt. Was für Musik dann läuft, entscheidet der Täufling.
Erfunden hat die Rosenheimer Pfarrerin die Taufe-to-go allerdings nicht. In Skandinavien gibt es ähnliche Angebote, dort als „Drop in Taufe“ bekannt, schon länger und im laufenden Jahr gab es unter anderem in Hanau und Oldenburg Termine zu Spontantaufen. In beiden Orten kam das Angebot gut an. In Hanau gab es 14 Taufen und in Oldenburg sogar 20.
Für den katholischen Kollegen in Rosenheim, Pfarrer Andreas Zach, ist das nichts: „Eine Taufe ist ja kein Probe-Abo oder Schnupperkurs, sondern eine lebenslange Entscheidung“, sagt er. Um das Sakrament zu empfangen, erklärt er, bedürfe es eines Weges. Bei to-go sei dies wohl eher nicht der Fall. Er findet es wichtig, dass den Menschen klar ist, auf was sie sich da einlassen. Sollten also mehrere Gespräche stattfinden, spreche auch für ihn nichts dagegen. To-go sei das dann allerdings nicht mehr.
Keine Angst vorm Sakrament
„Rituale”, sagt Häfner-Becker, „können um den verbindlichen Kern herum unterschiedlich gestaltet werden, weil wir auch unterschiedlich glauben.” Keine Angst ist bei ihr zu spüren, dass das eine von zwei Sakramenten der evangelischen Kirche bei der Aktion Schaden nehmen könne. „Ich kann verstehen, wenn Menschen das Befremdlich finden, aber die Menschen sind eben verschieden.” Und Kirche sei für alle da.
Besonders die Volkskirche: „Menschen leben ihre Kirchenzugehörigkeit sehr anders und das Bild von Kirche ist oft noch mit Zwang und Verpflichtung verknüpft. Manchen reicht schon der Weihnachtsgottesdienst, um sich das ganze Jahr berührt zu fühlen.” Durch diese Unterschiede definiere sich Volkskirche - im Gegensatz zu etwas engeren, strikteren Gemeinden. Die Taufe-to-Go soll einen leichten Zugang schaffen, das sei aber keine Beliebigkeit. Mitgliedschaft in einer Volkskirche zeigt sich für Häfner-Becker in einer gemeinsamen inneren Beheimatung, in der Gewissheit „als Kind Gottes Teil einer großen Familie zu sein.”
Auch, ist sich die Pfarrerin sicher, habe das Ritual eine tiefgreifende Wirkung: „Zu mir kam mal ein Mann, der sich sicher war, getauft worden zu sein, aber er konnte keine Belege dafür finden.” Er habe gesagt, „Ich spüre das”. Und in der Tat, wie Häfner-Becker herausfand, war er getauft. Später, erzählt sie, habe sie ihn dann konfirmiert. „Eine Berührung”, sagt sie, „braucht manchmal nur einen kurzen Moment.”