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OVB-Exklusiv-Interview

„Ich habe darauf bestanden, verhaftet zu werden“: Sängerin Mona Mur über ihre Zeit als Punk

Mona Mur (links) und Monika Hauser-Mair, Leiterin der Städtischen Galerie. Im Hintergrund ist der deutsche Musiker, Musikproduzent und Hörspielkünstler FM Einheit zu sehen.
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Mona Mur (links) und Monika Hauser-Mair, Leiterin der Städtischen Galerie. Im Hintergrund ist ein Fotoplakat mit dem deutschen Musiker, Musikproduzenten und Hörspielkünstler FM Einheit zu sehen.

Noch bis Sonntag, 13. April, läuft in der Städtischen Galerie in Rosenheim die Ausstellung „Punk: Wir versprechen nichts!“. Doch was macht die Ausstellung so besonders? Und warum lohnt sich ein Besuch? OVB-Gespräch mit Sängerin Mona Mur und Galerie-Leiterin Monika Hauser-Mair.

Rosenheim – Kurz bevor es für Mona Mur und Monika Hauser-Mair in die Berge geht, nehmen sie sich Zeit für ein Interview. Die Atmosphäre ist locker, es gibt Wasser und Kaffee. Mur erzählt von den Anfängen ihrer Karriere und davon, wie der Kontakt zur Städtischen Galerie entstanden ist. Hauser-Mair erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht. Über Punks in Telefonzellen, Verhaftungen und eine Reise in die Vergangenheit.

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Mona Mur: Der Kontakt zur Städtischen Galerie ist über meinen Freund und Kollegen FM Einheit entstanden. Einheit kenne ich seit 1980, als er bei den „Einstürzenden Neubauten“ und „Abwärts“ und dann in meiner Band „Mona Mur & die Mieter“ spielte. Wir haben seitdem immer wieder zusammen gearbeitet.

Monika Hauser-Mair: Wir haben uns mit FM Einheit getroffen. Er hat uns neben Mona Mur unter anderem auch von der Fotografin Ilse Ruppert erzählt. Von beiden hatte ich zu diesem Zeitpunkt zwar gehört, wusste aber nicht mehr über sie. Nach dem Gespräch mit FM habe ich Mona direkt geschrieben und wir haben ein paar Tage später telefoniert. In dem Gespräch ging es unter anderem um die Bilder von Ilse.

Mur: Ilse Ruppert ist eine ganz besondere und vollkommen furchtlose Frau. Sie hat mich über Jahre fotografiert, auch meine Plattencover. Außerdem waren wir hin und wieder als eine Art „Dr. Gonzo“-Reporter-Team unterwegs. Beispielsweise für die Zeitschrift ‚Konkret‘ – 1982 in Ost-Berlin, um über die Musikszene, Night Life, Jugendkultur zu berichten. Die Reportage begann an dem Tag, als Ronald Reagan in West-Berlin zu Besuch war. Es war die Hölle los, Riots brachen aus. In Ost-Berlin – Stille. Aber: Das Erste, was wir sahen, war ein Punk in einer Telefonzelle.

Hauser-Mair: Etwas, das zu dieser Zeit total unvorstellbar war, aus meiner damals westdeutsch geprägten Sicht.

Mur: Wir haben damit auf jeden Fall nicht gerechnet. Wir hielten sofort an und fragten den Punk, ob wir ein Foto machen dürfen (lacht). Da kam gleich die Volkspolizei. Wir hatten zwar eine offizielle Akkreditierung über die Staatssicherheit, waren aber drei Stunden zu früh. Die Polizisten wollten deshalb Ilse und den Punk festnehmen, um den „Sachverhalt zu klären“. Mich wollten sie zurücklassen. Ich bestand darauf, ebenfalls verhaftet zu werden.

Wie blicken Sie im Nachgang auf diese Szene?

Mur: Ich fand es damals deutlich lustiger als heute. Jahre später blicke ich viel kritischer auf die Situation. Ich war damals 21 Jahre alt und habe die Ernsthaftigkeit der Situation nicht im Ansatz verstanden. Wie dem auch sei: Nachdem unser Arbeitsaufenthalt offiziell begonnen hat, wurden wir freigelassen. Wir waren eine Woche in Ost-Berlin. Ilse hat dann die ikonischen Fotos „Punks vor dem Lenin-Denkmal“ gemacht, die um die Welt gingen.

Hauser-Mair: Und etliche davon hängen auch jetzt bei uns in der Städtischen Galerie. Über Mona ist dann auch der Kontakt zu dem Film- und Musik-Produzent Klaus Maeck entstanden. Das hat mich wahnsinnig gefreut. Uns wurde sehr viel Vertrauen entgegengebracht.

Welches Ziel verfolgt die Ausstellung?

Hauser-Mair: Uns war es von Anfang an wichtig, dass wir Punk und Punkmusik nicht erklären, sondern etwas über Clubs erzählen, in denen Punkmusik gespielt wurde. Wir sehen die Zeit quasi als Popkultur-Phänomen.

Mur: Und das ist das Schöne. Wobei ich sagen muss, dass es schon etwas sonderbar war, plötzlich die Klamotten von FM Einheit in einem Museum zu sehen. Ich kannte ihn ja nicht anders. Ich habe im Winter 1984 vier Wochen bei ihm in der Berliner Hauptstraße in der Wäschekammer gelebt. Seinen Overall von damals jetzt bei der Ausstellung zu sehen, hat mich ins Grübeln gebracht.

Inwiefern?

Mur: Ich sehe, was die Stunde geschlagen hat (lacht).

Gibt es Punk, wie er damals existiert hat, heute überhaupt noch?

Mur: Nein. Der Punk als solcher ist längst vorbei. Wenn jemand heute noch so gestylt durch die Gegend läuft, wirkt es wie eine Verkleidung oder eine Art Maskerade.

Hauser-Mair: Wobei ich finde, dass die Energie und Attitüde immer noch da sind. Beim Punk geht es in meinen Augen darum, Haltung zu zeigen. Nach dem Motto: Ich bin dagegen und schreie es in die Welt hinaus.

Mur: Es ging auf jeden Fall darum, dem Mainstream den Rücken zu kehren und der Masse nicht blind zu folgen. Der Künstler muss Sand im Getriebe sein. Mit der Musik ist es mir gelungen, genau das zu tun. Wobei die Musik zu Beginn meines Lebens natürlich noch nicht revolutionär angehaucht war. Ich hatte Musikunterricht seit ich sieben Jahre alt bin, spielte Akkordeon, Klavier und sang.

Wie ging es dann weiter?

Mur: Mit elf, zwölf Jahren habe ich angefangen, „Black Sabbath“, Doors oder Brian Eno zu hören. Schon zu dieser Zeit war ich vollkommen verrückt nach härterer, düsterer Musik. Als ich dann mit 16 Jahren Patti Smith hörte, wusste ich: Das mache ich auch.

Wie war es für Sie, die Ausstellung in der Städtischen Galerie zum ersten Mal zu sehen?

Mur: Ich hab mich sehr gefreut, dass nicht alles erklärt wurde. Es ist sehr weit gespannt. Es gibt Bilder von Andy Warhol, Werke von Vivienne Westwood und Lisa Endriß. Punk ist mehr als nur eine aufmüpfige Jugendkultur. Es war auch eine ästhetische Revolution, die bis heute die Popkultur prägt. Ich finde es klasse, dass hier nicht nur Klischees bedient werden. Man spürt eine große Offenheit, wenn man durch die Ausstellung geht.

Bleiben wir kurz beim Thema Offenheit. Wie wurden Sie damals als Frau in der Musikbranche aufgenommen?

Mur: Von den Menschen, mit denen ich Musik mache, werde ich immer zu 100 Prozent respektiert. Mir ist es egal, dass es sich bei diesen Menschen hauptsächlich um männliche Menschen handelt. Der Vibe muss stimmen. Für mich steht immer die Musik ganz oben. Dann kommt lange Zeit erst einmal gar nichts. Und dann kommen alle anderen Kriterien.

Hauser-Mair: Wobei ich mir auch gut vorstellen kann, dass du in der Art und Weise, wie du aufgetreten bist, gar nicht zugelassen hast, dass irgendjemand an dir zweifelt.

Mur: Es hat sicherlich geholfen, dass ich wusste, wie Musik funktioniert. Und deshalb war es mir auch wichtig, dass ich mir selber beibringe, wie man Musik produziert. Seit 30 Jahren habe ich ein eigenes Studio. Das war mein Schritt in die Unabhängigkeit.

Hauser-Mair: All das ist auch in dem neuen Dokumentarfilm „Mona Mur in Conversation“ zu sehen. Der Dokumentarfilm feierte im November 2024 Premiere und hat den Publikumspreis des „Unerhört!-Musikfilmfestivals“ in Hamburg bekommen. Im Juli läuft er bei „Soundtrack Cologne“ und geht im Herbst 2025 auf Kinotour.

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