Forderung nach „kostenlosem Wohnraum für alle“
Hausbesetzer sorgen für Großeinsatz in Rosenheim: So überwältigte die Polizei die Aktivisten
Großeinsatz der Polizei am Donnerstag, 13. April, in der Münchener Straße in Rosenheim: Mehrere Aktivisten hatten das ehemalige Hotel „Goldener Hirsch“ besetzt. Die Forderung der Hausbesetzer: kostenloser Wohnraum für alle. Was hinter der Aktion steckt - und wie die Lage letztlich geklärt werden konnte.
Rosenheim - Die Worte „Ihr kriegt uns hier nicht raus“ vom „Rauch-Haus-Song“ tönen aus den Lautsprechern. Lilafarbener Rauch steigt in den Himmel. Mehrere Banner mit Slogans wie „Die Häuser denen, die drin wohnen“ oder „Refugees welcome“ flattern im Wind. Während sich innerhalb kürzester Zeit gleich mehrere Polizisten vor dem ehemaligen Hotel „Goldener Hirsch“ versammeln, beobachtet eine Person im zweiten Stock das Geschehen auf der Straße. Sie trägt eine Sonnenbrille, der Rest des Gesichts wird von einem schwarzen Schal verdeckt. Wenige Sekunden später ist sie wieder im Haus verschwunden.
Kundgebung über verschiedene Messenger-Dienste
Es sind Szenen, die sich am Donnerstag, 13. April, an der Münchener Straße in Rosenheim abgespielt haben. Per Rundschreiben hatte das neu gegründete Kollektiv „Häuser besetzen“ Interessierte in verschiedenen Messenger-Diensten über ihre erste anstehende Hausbesetzung in der Rosenheimer Innenstadt informiert. „Die Besetzer möchten mit ihrer Aktion für kostenlosen Wohnraum und gegen immer weiter steigende Mieten protestieren“, sagt ein Sprecher des Kollektivs gegenüber dem OVB, der anonym bleiben möchte. Er und seine Mitstreiter würden sich an der Tatsache stören, dass „Wohnraum in bester Lage“ über Jahre hinweg leer steht - wie beispielsweise das ehemalige Hotel „Goldener Hirsch“. „Für uns ist das schlimmer als ein Hausfriedensbruch“, fügt er hinzu.
Zumindest die Polizei dürfte das anders sehen. Denn bei einer Hausbesetzung handelt es sich um eine Straftat. „Der Eigentümer hat bereits Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet“, sagt Arno Mühlhausen, Verwalter der Immobilie „Goldenen Hirsch“. Bis 2019 befand sich in dem Gebäude an der Münchener Straße 40 ein indisches Restaurant. Mittlerweile ist es entkernt und steht zum Verkauf. „Wir verhandeln mit verschiedenen Interessenten“, sagt Mühlhausen. Wieso sich die Aktivisten ausgerechnet das Haus in der Innenstadt ausgesucht haben, ist auch für ihn fraglich und zugleich höchst ärgerlich. Von der Polizei fordert der Verwalter deshalb die „umgehende Räumung“.
Aneinander an ein Rohr gekettet
Doch genau das war lange Zeit nicht möglich. Stundenlang tauschten sich die Polizisten aus und verhandelten mit den Aktivisten. Kurz vor 18 Uhr stürmten Kräfte der Rosenheimer Polizei, der Bereitschaftspolizei und des Unterstützungskommandos schließlich das Gebäude. Vor Ort angetroffen werden konnten - laut Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd - drei Personen. Zwei Männer und eine Frau. Weil sich zwei Personen aneinander an ein Rohr gekettet hatten, musste die Feuerwehr gerufen werden, um sie voneinander zu trennen. Rund 45 Minuten später konnten die drei Personen festgenommen und auf die Dienststelle der Rosenheimer Polizeiinspektion gebracht werden. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Einsatz. Niemand wurde verletzt“, sagt Sonntag.
Bereits am Vormittag hatten die Vertreter des Kollektivs „Häuser besetzen“ mehrere Forderungen in den sozialen Medien gepostet. Neben kostenlosem Wohnraum für alle sprachen sie sich für die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen wie Vonovia aus und forderten eine Studie zum Leerstand in Rosenheim sowie eine Zweckentfremdungssatzung für die Stadt. Zudem wollen die Aktivisten - laut Forderungskatalog - mit dem Eigentümern über die weitere Nutzung des Gebäudes verhandeln und bestanden darauf, nicht angezeigt zu werden.
Im August 2022 hatte sich die SPD in einem Antrag an Oberbürgermeister Andreas März (CSU) ebenfalls für die Aufstellung einer Zweckentfremdungssatzung stark gemacht. Sie ist ein Mittel, um gezielt dagegen vorzugehen, dass Wohnungen als Feriendomizil oder Gewerbefläche zweckentfremdet werden oder länger leer stehen. Einstimmig hatte damals der Stadtrat beschlossen, den Antrag zurückzustellen. In diesem Zusammenhang erinnerte die Verwaltung jedoch daran, dass sie bereits alle zwei Jahre darüber berichtet, wie sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entwickelt hat.
Wohnungssuche immer herausfordernder
Dass nach wie vor mehr passieren muss, machte die Rosenheimer SPD in einer Pressemittelung deutlich, nachdem sie von der Hausbesetzung erfahren hatte. Hausbesetzungen seien kein legitimes Mittel, um in einem demokratischen Rechtsstaat Protest auszudrücken, zugleich sei es „unerträglich“, heißt es in der Mitteilung, zu sehen, dass Liegenschaften wie der Goldene Hirsch seit Jahren leer stünden, während die Mieten immer weiter stiegen und die Wohnungssuche immer herausfordernder werde.
„Wer glaubt, in Rosenheim gibt es keine Leerstände, versperrt sich vor der Realität. Das gilt sowohl für den Wohnraum, vor allem aber für Gewerbeimmobilien“, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ricarda Krüger. Ihr Kollege - Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan - pflichtet ihr bei und fordert eine aktivere Leerstands- und Stadtentwicklungspolitik. „Wer glaubt, der Markt regle das schon alles, der nimmt weitere Leerstände wie den Goldenen Hirschen in Kauf. Es braucht zeitnah ein aktives Leerstandsmanagement in Rosenheim“, ist Erdogan überzeugt.
Kritik an der Besetzung auch vom zweiten Bürgermeister
Kritik an der Maßnahme des Kollektivs „Häuser besetzen“ äußerte am Donnerstag, 13. April, der Rosenheimer AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Winhart: „Viel zu lange hat man der linksextremen Szene in Rosenheim eine Bühne geboten. Jetzt werden die Mittel immer radikaler.“ In einem Schreiben forderte er alle „relevanten Entscheidungsträger auf, jetzt mit voller Härte gegen die Straftaten der linksradikalen Szene in Rosenheim vorzugehen“. Zudem fordert Winhart, dessen AfD-Büro wiederholt Ziel einer Farbbeutel-Attacke war, alle Stadträte in Rosenheim auf - insbesondere aber Ricarda Krüger und Abuzar Erdogan - sich von den „Aktivisten und den Straftaten der linksradikalen Szene zu distanzieren“. „Wir setzen uns nicht mit unsachlichen Beiträgen, schon gar nicht wenn sie aus der rechtsextremen Ecke stammen, auseinander“, antwortete Erdogan darauf.
Und auch Rosenheims zweiter Bürgermeister Daniel Artmann (CSU) äußert sich zu den Ereignissen an der Münchener Straße: „Die Stadt Rosenheim steht für den demokratischen Diskurs innerhalb der grundgesetzlichen Regeln. Die Hausbesetzer haben heute nicht nur die überschritten, sondern haben sich auch strafrechtlich schuldig gemacht. Sowas wird in Rosenheim nicht geduldet.“ In Rosenheim sei kein Platz für Extremismus - weder von rechts, noch von links. „Wir werden uns gemeinsam mit der Polizei und mit dem Verfassungsschutz Maßnahmen gegen die auffallend extreme linke Szene in Rosenheim überlegen“, fügt er hinzu.

