Nach Corona-Ausbrüchen in Seniorenheimen
Startete man in Rosenheim zu spät mit der dritten Spritze gegen Corona?
Noch im August sahen Stadt und Kreis Rosenheim von der Verabreichung sogenannter Boosterimpfungen gegen das Coronavirus ab. Die Haltung änderten die Behörden nach einem Corona-Ausbruchsgeschehen Anfang September. Wohl auch, weil man die Dynamik der Infektionen unterschätzt hatte.
Rosenheim – In elf Alten- und Pflegeheimen ist es in den vergangenen vier Wochen zu Corona-Ausbrüchen gekommen. Das berichtet das Staatliche Gesundheitsamt auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen. Noch am Freitag meldete die Behörde in ihrem Corona-Lagebericht Corona-Ausbrüche in sechs Heimen mit 29 an Covid erkrankten Bewohnern und 25 positiv auf Corona getesteten Mitarbeitern.
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Die bittere Bilanz inzwischen: Nach einem Ausbruch im Rosenheimer Altenheim Elisabeth Anfang September hatten sich 22 Bewohner mit dem Virus infiziert, von denen einer die Infektion nicht lebend überstand. 14 der Bewohner hatten noch keine Impfung erhalten. Auch neun Mitarbeiter wurden positiv auf das Coronavirus getestet, von diesen waren sieben ungeimpft.
Sinneswandel von August auf September
Noch Mitte August hatten die Stadt Rosenheim, der Landkreis wie auch das Staatliche Gesundheitsamt mitgeteilt, vorest auf Auffrischungsimpfungen verzichten zu wollen. Auch, weil es noch an wissenschaftlichen Grundlagen fehle. Stattdessen wollte man sich, auch durch Sonderaktionen, darauf konzentrieren, die allgemeine Impfquote zu steigern. Der Sinneswandel kam just nach dem Ausbruch im Rosenheimer Altenheim. „Die Dynamik des Ausbruchs und die hohe Zahl der infizierten Bewohner haben uns überracht“, kommentierte der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamts, Dr. Wolfgang Hierl das Geschehen.
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Man habe daraus gelernt. Die Konsequenz: Anfang September begannen die Drittimpfungen auch in Stadt und Land Rosenheim. Wobei Stadt und Landkreis Rosenheim sowie das Staatliche Gesundheitsamt auf Nachfrage einen Zusammenhang zwischen dem Infektionsgeschehen im Altenheim Elisabeth und dem Beginn der Drittimpfungen ausschließen. Die Behörden benennen stattdessen Bayerns Gesundheitsministerium wie auch den Bayerischen Hausärzteverband, der den Auffrischungsimpfungen eine medizinische Unbedenklichkeit attestiert hatte.
Bislang 176 Dosen verabreicht
Bislang wurden bei den Drittimpfungen bis Sonntag 176 Dosen verabreicht – im Impfzentrum, durch sechs mobile Impfteams wie auch durch Hausärzte. Die Einrichtungen wurden seitens der Stadt über die Möglichkeit der Drittimpfung informiert, diese konnten aber selbst entscheiden, auf welchem Weg ihre Bewohner die dritte Dosis erhalten sollen.
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Genaue Zahlen, wie viele Bewohner in welchen Einrichtungen das Vakzin erhalten, erfasst die Stadt nicht und verweist auf „täglich wechselnde Lagen“, die verhinderten, solche Zahlen seriös erheben zu können.
Berufsverband gegen Impfpflicht für Pfleger
Mit Blick auf die gemeldeten Infektionen geht es letztendlich auch um die Frage, inwiefern die Pflegekräfte dort geimpft sind. In dieser Woche wurde bekannt, dass auch im Rimstinger Siebenbürger-Heim Corona-Fälle aufgetreten sind. Ein Bewohner sowie zwei Mitarbeiter haben sich mit dem Erreger infiziert. Beim Bewohner ist dem Landratsamt bekannt, dass dieser geimpft war, nicht jedoch bei den Mitarbeitern. Der Leiter des Heims war bis gestern im Urlaub und für die OVB-Heimatzeitungen nicht zu erreichen.
Keine belastbaren Daten für die Statistik
Von einer Impfpflicht für Mitarbeiter in Pflegeberufen hält der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) indes wenig: „Wir empfehlen den beruflich Pflegenden die Impfung, da sie besonders gefährdet sind und sich mit der Impfung am besten schützen können“, antwortet der DBfK auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen. Die Impfung müsse aber freiwillig bleiben.
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„Um die Impfbereitschaft weiter zu erhöhen, ist es wichtig, bei denen, die noch unentschlossen sind, gezielt Fragen und Unsicherheiten aufzulösen und damit die Impfbereitschaft deutlich erhöhen sowie belastbare Daten zu erheben, anhand derer man die tatsächliche Impfbereitschaft einschätzen kann“, fordert der Verband. Denn: Bislang unterscheide das Robert-Koch-Institut bei der Erfassung der Geimpften nicht nach Berufsgruppen oder Qualifikation.
Impfpflicht als Ultima Ratio
Doch um aus der Pandemie zu lernen und die Impfbereitschaft deutlich zu erhöhen, brauche man derartiges Datenmaterial dringend, findet der DBfK. Drastischer formuliert es Bayerns Pflegebeauftragter, der Landtagsabgeordnete Peter Bauer (Freie Wähler), der eine verpflichtende Impfung für bestimmte Berufsgruppen – darunter medizinisches Personal – als Ultima Ratio nicht mehr ausschließt. „Seit Beginn der Pandemie war es immer meine Hoffnung, dass die drastischen Erfahrungen, die vor allem unser Gesundheits- und Pflegesystem durchgemacht hat, dazu beitragen, Vorbehalte gegen Impfungen endlich abzubauen. Insofern habe ich bislang auf Freiwilligkeit beim Thema Impfen gesetzt. Leider ist die Impfquote beim Pflegepersonal noch zu niedrig“, bedauert Bauer.
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In den Romed-Kliniken zumindest haben Mitarbeiter seit vergangener Woche die Möglichkeit, sich bereits ein drittes Mal gegen Corona impfen zu lassen. Das Angebot werde gut angenommen. Bislang seien alle angebotenen Termine ausgebucht gewesen, heißt es vonseiten des Klinikverbunds.