„Das Esbaum-Viertel stirbt aus“
Nächste Hiobsbotschaft für Rosenheimer Innenstadt: Beliebter Bücherladen schließt
In der Rosenheimer Innenstadt schließt ein weiteres Geschäft: Am Samstag, 20. Mai, verabschiedet sich der „Bücher Johann“ aus dem Esbaum-Viertel. Jetzt spricht Inhaber Johann Struck über die Gründe - und welche Herausforderung als Nächstes auf ihn wartet.
Rosenheim - In Johann Strucks Brust schlagen zwei Herzen. Das sagt er gleich zu Beginn des Gesprächs. Er sitzt in seinem Bücherladen, schaut sich im Geschäft um. „Natürlich bin ich traurig über die Schließung, aber wir verkaufen zu wenig Bücher“, sagt er. Eigentlich hätte er - mit Blick auf die Zahlen - bereits im vergangenen Jahr einen Schlussstrich ziehen müssen. „Da war die emotionale Bindung aber zu groß“, sagt er. Er führte eine Kundenbefragung durch, erfuhr, dass sich die Kunden eine größere Buchauswahl wünschen. „Also haben wir mehr Bücher eingekauft, aber die Leute kamen trotzdem nicht“, sagt Johann Struck.
Entscheidung vor vier Wochen gefallen
Vor vier Wochen fiel schließlich die Entscheidung das Geschäft in Rosenheim zu schließen. Seitdem läuft der Abverkauf. „Der Buchladen war ein Teil von mir“, sagt er. 2016 habe er den Laden an der Kaiserstraße eröffnet, zwei Jahre später folgte der Umzug ins Esbaum-Viertel. Die Bücherlieferung erfolgte von Anfang an per Fahrradkurier. Struck erinnert sich an die Geschäftseröffnungen in Bad Aibling und Neubeuern. Während das Geschäft in Bad Aibling auch weiterhin bestehen bleibt, musste der Buchladen in Neubeuern bereits geschlossen werden. Auch hier seien zu wenig Bücher verkauft worden. In Rosenheim kommt ihm zufolge hinzu, dass es „viele Buchläden in einem kleinen Umkreis“ gibt und das Esbaum-Viertel „immer mehr ausstirbt“.
Um mehr Leute in das Esbaum-Viertel zu locken, müssen Immobilieneigentümer und Mieter laut Sabrina Obermoser vom Rosenheimer City-Management einen Weg finden, den „interessanten Besatz weiterhin zu halten“. Durch Sitzgelegenheiten, Begrünung, eine optische Aufwertung, eine Öffnung nach außen sowie Parklets – also kleine Aufenthaltsinseln im städtischen Raum - könne zudem eine Aufenthaltsqualität geschaffen werden.
Für Johann Struck kommt das zu spät. Seine Entscheidung steht fest, auch weil er sich neuen Herausforderungen stellen will. Ab sofort kümmert er sich um die Sprachbildung bei Kindern. Dafür fährt er zu verschiedenen Einrichtungen und erzählt Geschichten – mithilfe eines Kamishibai. Der Begriff kommt aus dem Japanischen und bedeutet übersetzt soviel wie Papiertheater.
Kinder mit Sprache in Kontakt bringen
Ein solches Kamishibai stellt Johann Struck gerade auf einen Tisch. Er schiebt ein Bildkarte in den Rahmen und beginnt eine seiner fünf Geschichten zu erzählen. „Durch die Geschichten gelingt es mir, Kinder mit Sprache in Kontakt zu bringen“, sagt er. Zudem wecke das Projekt bei den Kindern das Interesse an Büchern. Und nicht nur das. „Ich merke, dass die Kinder ruhiger werden und beispielsweise länger still sitzen können“, sagt er. Struck zufolge gelingt es damit, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, ihre Konzentration zu verbessern und die Fantasie anzuregen.
Seit seiner ersten Vorführung sind bereits drei Monate vergangen, mittlerweile erzählt er seine Geschichten in 13 Kitas und einer Grundschule. Unter anderem im Integrationskindergarten in Soyen. „Das Projekt kommt bei unseren Kindern gut an. Sie sind total begeistert“, sagt Erzieherin Michaela Maier. Die 14 Kinder zwischen zwei und vier Jahre seien bereits während des Morgenkreises „ganz aufgeregt“, wenn man ihnen erzähle, dass der „Bücher Johann“ zu Besuch komme. Der Kontakt sei über den Rosenheimer Verein „Socius“ entstanden, die Finanzierung laufe über Spenden. Zudem wird das Projekt über den FitZ-Topf der Stadt Rosenheim mitfinanziert.
Ausbildung zum Geschichtenerzähler
Die kommenden Monaten will Johann Struck nutzen, um sein Projekt noch mehr unter die Leute zu bringen. Er hat eine Ausbildung zum Geschichtenerzähler gemacht, mehrere Online-Kurse und Seminare belegt und so innerhalb kürzester Zeit einen neuen Beruf gelernt. „Da gehört viel dazu“, sagt er. Denn er müsse die Geschichten so erzählen, dass auch Kinder mit einer geringen Aufmerksamkeitsspanne bis zum Ende zuhören.
Weil der Mietvertrag des Buchladens „Bücher Johann“ erst im Juli ausläuft, will er die Räume in den kommenden Wochen nutzen, um Kindern Geschichten zu erzählen. „Bücher kann man überall kaufen, im Gegensatz zur Sprachbildung“, sagt Johann Struck. Er freue sich auf die neue Herausforderung - auch wenn er den Buchladen in Rosenheim vermissen wird.
Mehr Informationen
Die Termine in Rosenheim finden am Dienstag, 23. Mai sowie am Dienstag, 30. Mai, im ehemaligen Buchladen „Bücher Johann“ in der Gillitzerstraße 14 statt. Von 15 bis 16 Uhr können Kinder zwischen zwei und fünf Jahren den Geschichten von Johann Struck lauschen, in der Zeit von 16 bis 17 Uhr sind die Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren dran. Weitere Angebote gibt es im ersten Stock des Buchladens in Bad Aibling in der Frühlingstraße 36. Geschichten werden dort sowohl am Freitag, 26. Mai, als auch am 9. Juni erzählt. Von 15 bis 16 Uhr für Kinder zwischen zwei und fünf Jahren, in der Zeit von 16 bis 17 Uhr für Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren. Es wird maximal 15 Plätze pro Vorführung geben. Anmeldung per E-Mail unter johann@buecherjohann.de. Der „Bücher Johann“ in Bad Aibling und der Onlineshop bleiben erhalten.
