Ist die Versorgung sicher?
Dunkelblaues Auge nach Dürre-Sommer: Trotzdem große Unsicherheit bei Bauern in der Region
Dürre und Hitze machen den Bauern im Sommer 2022 zu schaffen. Im Norden Bayerns bringt der extrem regenarme Sommer viele Landwirte in Existenznot. In der Region Rosenheim ist die Lage zwar nicht ganz so schlimm, dennoch werden auch die hiesigen Bauern von Sorgen geplagt. Was das für Verbraucher bedeutet.
Rosenheim - Katharina Kern hat kürzlich begonnen, Tomaten zu ernten. Das wäre normalerweise keiner weiteren Erwähnung wert. In diesem Fall ist das anders. Weil Katharina Kern ihre Tomaten bei ihrer Alm erntet. Auf sage und schreibe 1160 Metern sind die Früchte prall und rot gediehen und keines Nachreifens mehr bedürftig. „Das habe ich so auch noch nicht erlebt“, sagt die Kreisbäuerin in einem Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Der Klimawandel ist in der Endphase des heißen Sommers 2022 auch bei den Bauern in Oberbayern ein Thema. Die Tonlage ist noch nicht so düster wie bei den Landwirten im Norden des Freistaats, wo sich die Vegetation wie in südlichen Regionen Italiens braun verfärbt hat. In Franken schlachteten viele Landwirte ihre Tiere vorzeitig, weil zu wenig Futter gewachsen sei, sagt der neue BBV-Obmann Josef Andres, die Bauern dort seien in ihrer Existenz bedroht.
„Wir im Süden sind dagegen mit einen dunkelblauen Auge davongekommen.“ Wohl auch, weil im Süden Oberbayerns noch weniger Brot-Getreide angebaut wird als weiter nördlich.
Futter musste zugekauft werden
Aber - die Folgen der Dürre spüren auch die heimischen Milchviehalter. Schon vergangenes Jahr hätten Hagelschäden dazu geführt, dass Futter zugekauft werden musste und kaum Vorräte gebildet werden konnte. Heuer machte die Dürre den Bauern das Leben schwer. Dieser Mangel an Futter ist nicht der einzige Faktor, der die Preise treibt. „Miete, Sprit, alles ist teurer geworden“, sagt Andres. Die Folgen der Inflation werden die Bauern weitergeben - was die Nachfrage mindere. Denn höhere Preise treiben viele Verbraucher zu den Discountern, wissen Andres und seine Kollegen.
Ein Indiz dafür ist der Direktverkauf vom Hof. Maria Fischbacher aus Pang kann sich noch erinnern, wie die Menschen in den ersten Monaten der Corona-Pandemie die Hofläden stürmten. Die Zeit sei vorbei, die Nachfrage massiv eingebrochen, sagt sie. Die Menschen setzen in Zeiten der Krise dann doch wieder auf billigere Angebote von den Großvermarktern, auch wenn die Produkte dann weite Wege zurückgelegt und zur CO2-Last der Erde beigetragen haben. Josef Andres stimmt seiner Kollegen im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen zu. „Die Deutschen geben weit weniger für Lebensmittel aus als die Menschen in Frankreich oder Italien“, sagt er. Regional aus Rosenheim sei besser als Bio aus China. Das müsse man den Menschen klarmachen.
Die Bauern als Wirtschaftsfaktor: Bedeutend und prägend
2837 Betriebe zählte das Amt für Landwirtschaft in der Region Rosenheim. Davon sind 1507 Bauern im Haupterwerb, 1330 bezeichneten sich als Landwirte im Nebenerwerb. 1600 Betriebe mit 62.000 Kühen erzeugen Milch. „Jeder siebte Arbeitsplatz in Bayern hängt mit der Landwirtschaft zusammen“, rechnet Andres vor. In der Region Rosenheim seien es - unter anderem aufgrund der großen Molkereien - vermutlich deutlich mehr. Und Katharina Kern ergänzt: 170 Millionen Euro beträgt der Anteil der Bauern an der Wertschöpfung in der Region.
Unterschätzt wird oft der Anteil der Bauern am Tourismus. viele Nebenerwerbslandwirte vermieteten Zimmer und Ferienwohnungen, sagt Andres. Und - die Arbeit der Landwirte prägt die touristisch so attraktive Landschaft des Alpenvorlands. Augenfällig wird das vor allem bei den Bergbauern. So mancher Berg wäre für Wanderer und Skitourengeher nicht mehr attraktiv, schützte ihn nicht das Bergvieh durchs Weiden vorm Zuwachsen.
Der Wolf bleibt eine der großen Sorgen der Bergbauern
Was die Bauern manchmal ebenso drückt wie zu enge Vorschriften, sind die Defizite in der Wertschätzung. So wie sie sich in der Meinung vieler Landwirte im Volksbegehren für Artenvielfalt äußerten.
Nicht ernst genommen fühlen sich die Bauern auch mit ihren Sorgen vor den so genannten großen Beutegreifern. Den Schutzstatus für ein Tier, das im Bestand nicht mehr bedroht sei, könne man senken, betonen die vier Bauernvertreter im Gespräch mit dem OVB. Und: Man müsse zeitig reagieren, sagt Andres. „Wenn erst einmal ein Rudel da ist, dann ist es zu spät.“
Auch Herdenschutzhunde und Zäune seien keine Lösung für das Problem, unterstreicht wiederum Kern. Zäune seien in der speziellen Topografie der Berge oft nicht praktikabel. Wo man sie aufstellen könne, zerschnitten sie die Landwirtschaft. Und sie störten die natürlichen Wege von allen möglichen anderen Tieren, vom Igel bis hin zum Reh.
Unsichere Aussichten für die heimische Landwirtschaft
Insgesamt sei die Unsicherheit groß: „Was bringt uns das nächste Jahr - an Witterung, an politischen Entscheidungen, an Einflüssen des Marktes und der Gesellschaft?“ fragt Andres. „Das wird schwierig.“ Auch Katharina Kern äußert sich gegenüber den OVB-Heimatzeitungen skeptisch: „Von der Wolke der Glückseligkeit, auf der wir in den vergangenen Jahren geschwebt sind, sind wir herunter.“
Die Zahl der Höfe wird weiterhin abnehmen. Davon gehen neben Kern und Andres auch Klaus Gschwendner und Maria Fischbacher aus. Bayernweit liege die Zahl der Betriebsaufgaben pro Jahr bei zwei bis drei Prozent, „und diesen Trend haben wir auch in der Region“, sagt Gschwendner. Auch, weil der Ton ihnen gegenüber manchmal nicht unbedingt von Respekt zeugt. „Ihr müsst das und das machen, sagt man den Bauern oft“, hat Gschwendner beobachtet. „Aber das sehen viele von den Jungen nicht ein. Die sagen, gut, dann mache ich eben was anderes..“ Und Andres weiß: „Wer einmal weg ist, der kommt nicht wieder.“
Dann ist auch nicht mehr zu erreichen, was Ministerin Michaela Kaniber kürzlich bei ihrem Besuch in Rosenheim „Ernährungssouveränität“ nannte: die Möglichkeit, sich weitgehend aus dem Land selbst zu ernähren. Ohne auf unsichere Lieferketten angewiesen zu sein. Ohne sich von Lieferungen aus dem Ausland abhängig zu machen. Das unterstreicht auch Kreisbäuerin Kern: „Abhängig sind wir in Deutschland in zu vielen Bereichen.“

