Behelfsbrücke über die A93 bei Reischenhart
Steht sie oder geht sie? Diskussion über Raublings nutzlose Brücke setzt sich fort
Ist sie noch zu retten, oder muss eine Behelfsbrücke über die Inntalautobahn ungenutzt wieder abgerissen werden? Die Baufirma lässt sich mit der Prüfung offenbar Zeit. Doch die Autobahndirektion und die Gemeinde Raubling wollen nicht ewig warten.
Rosenheim/Raubling - Eigentlich ist das Routine: Man zieht eine behelfsmäßige Brücke auf, reißt die alte weg und baut eine neue. So lautet auch das Vorhaben der Autobahndirektion Südbayern für die Staatsstraße, die bei Reischenhart über die A93 führt: Eine neue Brücke soll die in die Jahre gekommene ersetzen.
Doch ruht das Projekt wegen Pfusch am Bau der Behelfsbrücke. Denn der Prüfstatiker kam zu dem Urteil: Über diese Brücke darf niemand fahren und zwar wegen der Mängel bei ihrer Errichtung. Was einige Partner nun immer stärker unter Zugzwang setzt: die Baufirma, die möglicherweise ihren Auftrag verliert; die Autobahndirektion, die ihrem Zeitplan hinterherhechelt; und die Gemeinde Raubling, die die marode Staatsstraßenbrücke lieber heute als morgen ersetzt hätte.
Sorgen wegen drohender Ermüdung des Materials
Jedenfalls könnte es sein, dass die Brücke abgerissen werden muss - ohne dass sie jemals genutzt worden wäre. Der Experte fand Mängel im Bereich der dynamischen Statik. Heißt: Autos und schwerere Fahrzeuge könnten an sich drüber fahren, „sogar Panzer würde die Brücke tragen“, sagt Josef Seebacher von der Autobahndirektion Südbayern.
Die Frage ist nur, wie oft. Denn jedes Auto, jeder Lastwagen, der über die Brücke fährt, sorgt für ein wenig Bewegung im Material. In diesem Fall ein wenig zu viel. „Die Bewegungen sind nur im Millimeter-Bereich“, sagt Josef Seebacher. „Aber auf Dauer könnte der Verkehr das Material mürbe machen.“
Raublings Bürgermeister Kalsperger ist über die Verzögerung nicht erfreut
Bekannt ist das seit Wochen. Und seit Wochen ist auch sicher, dass die Behelfsbrücke so keine Freigabe erhält. Doch noch immer kann sich das mit dem Abriss und Bau der Staatsstraßenbrücke beauftragte Unternehmen, die Firma Strabag, nicht zu einer Entscheidung durchringen. Abriss oder Nachbessern, das wäre die Frage. „Schon ärgerlich“, sagt Raublings Bürgermeister Olaf Kalsperger. „Wir erhalten ja auch keine Informationen.“
Erstmal müssen sich Strabag und der Subunternehmer einig werden
Das Problem: Strabag hat mit dem Innenteil der Behelfsbrücke wiederum ein spezialisiertes österreichisches Unternehmen beauftragt. Was ist, wenn die Brücke einfach abgerissen wird? Dann ist womöglich nicht sicher, ob der Subunternehmer so schnell und sicher eine neue Behelfsbrücke bauen kann.
Der einzig nennenswerte Konkurrent hingegen, es ist der Marktführer aus den Niederlanden, würde die Preise vermutlich nach oben schrauben. „Es gibt gerade eine richtig große Nachfrage an Behelfsbrücken“, sagt Seebacher. Also wäre Nachbessern möglicherweise doch eine Option - allerdings müssen sich auch da Strabag und der Behelfsbrückenspezialist erstmal einig werden, wer die Kosten trägt.
Mit wem weitermachen? Das ist auch eine Frage der Zeit
Die Entscheidung muss jedenfalls sitzen. Die Autobahndirektion hat bereits ein Jahr verloren und will wenigstens nächstes Jahr zügig weiterarbeiten. Dafür müsste die Behelfsbrücke im Frühjahr stehen. Dann könnten die Bauarbeiten für die Staatsstraße im Zeitplan bleiben und die Brücke bis zum Herbst-Ende 2023 fertig sein.
Aber bekommen die Österreicher ihre Hausaufgaben noch gebacken? Somit steht die Autobahndirektion selbst vor einer kniffeligen Entscheidung: Weiter auf Strabag setzen oder nicht? Eigentlich würde man gerne weiterhin mit den Österreichern zusammenarbeiten. „Die können so was ohne Zweifel“, sagt Seebacher. Man pflege „eine gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit“ mit der Autobahndirektion, heißt es wiederum seitens Strabag. Zu Details wolle man sich aktuell nicht öffentlich äußern. Vor allem nicht zu dieser Frage: Können sich die Brückenbauer mit den Behelfsbrückenbauern einigen?
Einige Wochen noch, mehr Zeit dürfte auch die Autobahndirektion nicht mehr haben. Für eine erneute Ausschreibung würden gut drei Monate ins Land gehen, die neue Baufirma brauche dann auch erstmal Vorlaufzeit, sagt Seebacher. Wolle man wirklich im Frühsommer 2023 mit den Bauarbeiten beginnen, sollte die Entscheidung noch dieses Jahr fallen.
Eine neue Brücke ist schließlich nicht „Jux und Tollerei“
Das wäre auch im Interesse von Olaf Kalsperger und den Raublinger Bürgern. Schließlich falle an der durch das Nadelöhr verkürzten Autobahnzufahrt das Einfädeln schwer, sagt Kalsperger. Dass auf der Brücke selbst die erlaubte Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer gesenkt worden sei, „ist nicht gut für den fließenden Verkehr“. Und überhaupt seien die Arbeiten ja auch kein Luxus, meint er, der Zustand der alten Brücke erlaube zumindest kein jahrelanges Hinauszögern. „Die wollten die neue Brücke ja nicht aus Jux und Tollerei bauen.“