Behörden untersagen Schulbetrieb
Kinder von Testverweigerern in Deutelhausen von Schamanen und Kräuterpädagogen unterrichtet
Schule oder Lerngruppe, Querdenker – womöglich sogar Reichsbürger – oder einfach unzufriedene Eltern und Lehrkräfte? Die Regierung von Oberbayern und das Landratsamt Rosenheim haben den Schulbetrieb auf dem alten Bauernhof in Deutelhausen gestoppt.
Update 23. September, 11.04 Uhr: Unterricht von Kräuterpädagogen und Schamanen
Die Gründerin der sogenannten „Lernoase“ auf dem Bauernhof in Deutelhausen ist offenbar der Meinung, man befinde sich dort auf „russischem Hoheitsgebiet“. Das berichtet der Bayerische Rundfunk. Demnach handele es sich bei der Schule, deren Betrieb jetzt behördlich untersagt wurde, um eine russische Stiftungsschule, auf der rund 50 Kinder aus ganz Oberbayern unterrichtet würden. Lehrer: Eltern und „aus dem System ausgestiegene Pädagogen“, darunter Musik- und Kräuterpädagogen sowie Schamanen.
Nach BR-Angaben hätten Kinder die Schule besucht, deren Eltern an regulären Schulen die regelmäßigen Coronatests verweigern. Das Gerücht, eine Querdenker-Schule zu sein, weise die Schulleiterin jedoch zurück.
Update 22. September, 18.46 Uhr: Betrieb der Schule ab sofort untersagt
Rosenheim – Die Regierung von Oberbayern als staatliche Schulaufsichtsbehörde und das Landratsamt Rosenheim als Bauaufsichtsbehörde haben am Mittwochabend den Betrieb einer privaten schulischen Einrichtung durch eine private Vereinigung in Schechen (Landkreis Rosenheim) mit sofortiger Wirkung untersagt. Gleichzeitig wurde einer Person die Tätigkeit als Leitung und als Lehrkraft in dieser Einrichtung untersagt. Die sofort vollziehbaren Untersagungsbescheide wurden der Leitung und der Betreiberin des schulischen Betriebs sowie dem Grundstückseigentümer und den Nutzungsberechtigten bekannt gegeben. Für den Fall der Nichtbeachtung der Untersagungsverfügungen werden jeweils Zwangsgelder in Höhe von bis zu 20.000 Euro fällig. Das wurde einer Pressemitteilung mitgeteilt.
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Begehungen eines alten Bauernhofs im Ortsteil Deutelhausen durch das Landratsamt Rosenheim und das Staatliche Schulamt Rosenheim hatten ergeben, dass auf dem Gelände eine nicht genehmigte Ersatzschule betrieben wurde. Nach derzeitigen Erkenntnissen wurden dort etwa 50 Kinder und Jugendliche der Jahrgangsstufen 1 bis 9 ohne die erforderliche schulaufsichtliche Genehmigung unterrichtet. Eine baurechtliche Genehmigung für die Nutzung zu schulischen Zwecken lag ebenfalls nicht vor. Aktuell besteht eine baurechtliche Erlaubnis, die Gebäude auf dem Grundstück zu Wohnzwecken oder für die Landwirtschaft zu nutzen. Eine Nutzungsänderung für einen schulischen Betrieb wurde beim Landratsamt nicht beantragt.
Schulbetrieb nicht genehmigungsfähig
Der Betrieb von privaten Schulen, die öffentlichen Schulen entsprechen sollen (sog. Ersatzschulen), bedarf der staatlichen Genehmigung. Diese setzt u.a. voraus, dass die Ersatzschule in ihren Lehrzielen, ihren Einrichtungen und der Ausbildung ihrer Lehrkräfte den öffentlichen Schulen entspricht. Eine solche Genehmigung lag für den Schulbetrieb in Schechen nicht vor und war auch nicht beantragt. In diesem Fall kann dem Träger der Schulbetrieb und dem Lehrpersonal die Tätigkeit untersagt werden. Da nach derzeitigen Erkenntnissen insbesondere nicht davon auszugehen ist, dass der Schulbetrieb genehmigungsfähig wäre, hat die Regierung von Oberbayern das öffentliche Interesse für die Untersagung festgestellt.
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Der urspüngliche Artikel:
Eine Frage ist geklärt: Es ist keine genehmigte „freie Schule“. Daniel Otto, stellvertretender Pressesprecher des Kultusministeriums, und Wolfgang Rupp, Sprecher der Regierung von Oberbayern, erklärten auf Anfrage der Redaktion übereinstimmend: „Ein Antrag auf Gründung und Betrieb dieser Einrichtung ist nicht gestellt worden. Dementsprechend liegt auch keine Genehmigung für den Betrieb vor.“
Schulähnliche Einrichtung dürfte nicht betrieben werden
Der Betrieb einer ungenehmigten Schule verstoße gegen geltendes Recht und werde nicht akzeptiert, so Otto weiter. Das Staatsministerium nehme diesen Vorfall sehr ernst und stimme das weitere Vorgehen mit den zuständigen Behörden vor Ort ab. Eine Untersagung des weiteren Betriebs dieser schulähnlichen Einrichtung werde geprüft.
Der entsprechende Artikel des bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen lautet:
Die Schulaufsichtsbehörde kann Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrkräften und Beschäftigten oder sonstigen schulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit erzieherischen oder pflegerischen Aufgaben betraut sind, die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sie die für die Tätigkeit erforderliche Eignung nicht besitzen, oder wenn die Schule ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wird.
Der Genehmigungsprozess für staatlich genehmigten oder staatlich anerkannten Privatschulen ist umfangreich und soll sicherstellen, dass die privaten Ersatzschulen in ihren Bildungs- und Erziehungszielen öffentlichen im Freistaat Bayern vorhandenen Schulen entsprechen.
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In Deutelhausen handelt es sich Gerüchten zufolge um eine Schule von Coronaleugnern. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür bisher nicht.
Macht sich die „School of Bliss“ in Deutelhausen breit?
Bei der Freien Schule im Glonntal häufen sich laut einer Mitarbeiterin der Schulleitung in der letzten Zeit die Nachfragen, wie eine Schule gegründet wird. „Es gibt wohl viele unzufriedene Eltern und Lehrer“. Auf diese Gruppe greifen auch die „Schools of Bliss“ (Schulen der Glückseligkeit; SoB) zu, die derzeit versuchen, sich bundes-und bayernweit auszubreiten. Ob es sich in Deutelhausen um eine solche Schule der Glückseligkeit handelt, war bis Redaktionsschluss nicht zu klären.
Bei Recherchen im Internet zu den SoB stößt man schnell auf „Anastasia“, eine Buchreihe des Russen Wladimir Megre, als ideologische Inspiration. Dieser Buchreihe werden laut Wikipedia esoterische, verschwörungsideologischen und antisemitische Inhalte zugeschrieben.
Polizei noch nicht in den Vorgang involviert
Ermittlungen in diese Richtung bestätigte das Polizeipräsidium in Rosenheim nicht. Martin Emig von der Pressestelle des Polizeipräsidiums sagte, man leiste Amts- und Vollzugshilfe, „wenn wir darum gebeten werden“. Mit dem Landratsamt Rosenheim sei man in enger Abstimmung, unterstütze das Amt bei allem, was dessen Kapazitäten übersteige. „Und wenn dabei etwas Polizeirelevantes auftaucht, verfolgen wir das natürlich.“