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Hausärzte-Protest am 2. Oktober

“Wir müssten einmal im Monat streiken!” – Heimische Ärzte äußern sich zum Protesttag

„Das System kann so nicht mehr finanziert werden“ – Die Vorstände der Ärztlichen Kreisverbände aus Traunstein und Rosenheim, Dr. Melanie Kretschmar und Dr. Fritz Ihler stehen hinter dem Streik.
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„Das System kann so nicht mehr finanziert werden“ – Die Vorstände der Ärztlichen Kreisverbände aus Traunstein und Rosenheim, Dr. Melanie Kretschmar und Dr. Fritz Ihler stehen hinter dem Streik.

Es ist ein Aufruf gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Am 2. Oktober ließen zahlreiche Ärzte in Deutschland ihre Praxen geschlossen. Auch in der Region stehen viele Ärzte hinter dem Protestaufruf.

Rosenheim/Traunstein – Geschlossene Arztpraxen. Eigentlich ein ungewöhnliches Bild an einem Montag. Grund dafür, dass am Montag, den 2. Oktober viele Ärzte nicht in die Arbeit kamen, ist ein bundesweiter Protest. Zu dem hatte der Virchowbund, eine Vereinigung von niedergelassenen Ärzten aufgerufen. Sie wollen sich damit gegen die Gesundheitspolitik von Minister Karl Lauterbach (SPD) stellen.

Streiks scheinen unvermeidlich

Dr. Melanie Kretschmar ist niedergelassene Ärztin aus Traunstein und 1. Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Traunstein (ÄKV). Sie kam gerade aus dem Urlaub zurück, deswegen hat ihre Praxis nicht an dem Streik teilgenommen. Ansonsten wäre sie aber dabei gewesen. „Natürlich! Ich mach jeden Streik mit, ich initiiere Streiks!”, sagt Kretschmar. Dieser Streik sei aber in erster Linie ein fachärztlicher Streik, deswegen haben weniger Hausärzte mitgemacht. „Aber insgesamt werden wir uns mal zusammenfinden müssen, um gemeinsam zu streiken.”

Abrechnungsmöglichkeiten sind beschränkt

Bei dem Streik geht es in erster Linie um die Abrechnungen durch die Krankenkassen. Jede Praxis bekommt für eine Behandlung Geld. Die Summe, die dafür ausgezahlt wird, ist allerdings gedeckelt. Wenn eine Praxis mehr behandelt, bekommt sie die Kosten nicht voll erstattet. „Die Praxen sind durch verschiedenste Regelungen, insbesondere aber auch durch Beschränkungen der Abrechnungsmöglichkeiten, so stranguliert mittlerweile, dass sie Leistungen einschränken müssen, weil sie das nicht mehr finanzieren können“, sagt der Virchowbund-Vorsitzende Dirk Heinrich gegenüber BR24. Dieser Meinung ist auch Melanie Kretschmar. „Absolut, wir sind schon stranguliert. Meine Betriebskosten sind in den letzten drei Jahren um über 20 Prozent angestiegen. Gehälter, Energiekosten, Hygienekosten. Meinen Gewinn kann ich nicht steigern, ich bin budgetiert. Meine Leistung ist festgelegt.” In der Folge war der Realgewinn ihrer Praxis in den vergangenen Jahren niedriger, bei gleichem Umsatz.

Tag unglücklich gewählt

Die Praxis von Dr. Ihler, dem 1. Vorsitzenden des Ärztlichen Kreisverbands Rosenheim, hat sich heute auch nicht an dem Streik beteiligt. Das lag nicht an der Sache an sich, sondern am Tag. Wegen dem Feiertag am 3. Oktober wäre das zu kompliziert geworden, sagt er. Er habe Praxisvertretung für andere Kollegen, das hätte für die Patienten zu Problemen geführt. „Wir hätten daran teilgenommen, wenn es an einem anderen Tag gewesen wäre.“ Der Streik sei auch berechtigt. „Das ambulante System ist einfach unterfinanziert, das stationäre auch. Aber man tut immer so, als sei im ambulanten System alles in Ordnung.” Das System stimme aber bereits seit Jahren nicht mehr. Das zeige sich auch in der Tatsache, dass kein Ersatz an Fachkräften mehr nachkomme. 

Rechnung ist nicht nachvollziehbar

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte auf der Internetplattform X (früher Twitter) geschrieben: „Am Brückentag schließen viele Praxen, wie die Apotheker wollen auch sie mehr Geld. Im Mittel (Median) verdienen sie aber nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr.”

Das will Dr. Ihler nicht so stehen lassen. „Das, was Gesundheitsminister Lauterbach gesagt hat, stimmt einfach hinten und vorne nicht. Ich habe keine Ahnung, wie er auf diese Rechnung kommt.” Für beispielsweise einzelne radiologischen Spezialpraxen möge das stimmen, aber nicht für die normale Versorgung.

Gelder werden an der falschen Stelle ausgezahlt

Das Finanzierungssystem, wie es Karl Lauterbach plant, sei nicht zu finanzieren, da ist sich Dr. Kretschmar sicher. Viele Untersuchungen, die durchgeführt und von den Kassen finanziert werden, seien oft nicht notwendig. „Wenn ein junger Mensch in die Notaufnahme kommt mit Halsschmerzen nachts um zwei Uhr, dann kriegt er eine komplette Laboruntersuchung und ein EKG. Das sind alles Kosten.” Gelder, die an anderer Stelle besser aufgehoben wären. Kretschmar wünsche sich eine Lohnanpassung, die ehrlich ist und ihre „perfekt ausgebildeten Mitarbeiterinnen refinanziert. Die Aus- und Weiterbildungen zahl ich ja auch noch, aber das wird nicht refinanziert. Im Gegenteil. Danach kriegen sie auch ein höheres Gehalt, was ihnen ja auch zusteht, das geht bei meinem Gewinn auch wieder runter.”

Ärzte wollen sich an weiteren Streiks beteiligen

So wie es jetzt ist, könne das System auf Dauer nicht mehr finanziert werden, sagt Dr. Kretschmar. „Ich liebe meinen Job! Aber selbst ich, die ich ihn liebe, überlege, wie ich aus diesem System herauskomme.” Für weitere Streiks sei sie bereit. „Ich sage meinem Ärzteverband schon seit Monaten, dass wir einen Generalstreik brauchen und das einmal im Monat. Wir niedergelassenen Ärzte dürfen ja nicht streiken. Deswegen müssen wir es „Protestfrei” oder „Protesturlaub” nennen.” Auch Dr. Ihler in Rosenheim steht hinter der Sache und will sich das nächste Mal beteiligen. Mit den Streiks solle ein gewisses Bewusstsein geschaffen werden. „Wenn man nichts macht, passiert auch nichts. So erregt man zumindest Aufmerksamkeit.”

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