Rosa Lohrmann von der Priener Hütte
Ein Leben zwischen Gipfeln: Wie Hüttenwirtin Rosa nach ihrer Trennung den Laden alleine schmeißt
Nach der Trennung von ihrem Mann übernimmt Rosa Lohrmann auf 1410 Metern Höhe die alleinige Verantwortung für die Priener Hütte. Was vor dem Winter noch ansteht und warum sie trotzdem das Leben in den Bergen nicht missen möchte.
Prien – Auf die Priener Hütte geht es für die Pächterin Rosa Lohrmann mit dem Geländewagen. Noch. „Im Winter komme ich hier nur noch mit dem Quad rauf”, erklärt sie gegenüber dem OVB. Vom Wanderparkplatz Geigelstein ist sie 20 Minuten unterwegs. Die Schotterstraße ist steil und von Bäumen mit Herbstlaub umsäumt. Auf der Rückbank sitzen zwei Handwerker, die sie auf die Hütte bringt. Im Kofferraum transportiert sie Werkzeug und einen großen Karton mit Eiern.
Die Fahrzeit nach oben wird genutzt, um Organisatorisches zu besprechen. Vor dem Winter muss einiges erledigt werden. Neben der Wartung der Technik kommen noch Vorräte wie Holz, Rapsöl, Diesel und Getränke auf die Hütte, bevor die Straße verschneit ist. Vor allem Bier – zehn Tonnen. „Ich mag kein Bier“, scherzt die Hüttenwirtin, „da kannst du mich jagen.“
Hüttenwirtin im Alleingang
Vor einem knappen Jahr haben sich Rosa und ihr Mann Sebastian getrennt. Deshalb bewirtschaftet sie die Hütte allein. Doch könne man das so nicht sagen, meint sie, „denn ich habe ein wundervolles Team”.
Im Mai 2021 hatte die Familie Lohrmann die Hütte beim Geigelstein von der ehemaligen Pächterin Monika Becht übernommen. „Wir wussten, dass Moni aufhört und haben uns bei der Sektion Prien des Alpenvereins beworben.” Die Idee kam von ihrem Mann. Sie selbst war sofort „Feuer und Flamme”. Die beiden hatten zuvor keine Erfahrung als Hüttenwirte oder in der Gastronomie gesammelt und waren dementsprechend überrascht, als sie genommen wurden.
Oben auf der Hütte herrscht trotz des herbstlichen Regenwetters am Vormittag ein buntes Treiben. Gerade ist eine Schulklasse aus München hier. Eine Schülerin klimpert eine Melodie auf dem Klavier in der Stube. Das Piano hat die Familie Lohrmann mitgebracht. Wer eine Weile spielt – etwas anderes als den „Flohwalzer” oder „Alle meine Entchen” – der bekommt ein Getränk aufs Haus. An einem Tisch sitzen zwei Wanderer auf einer Eckbank und planen ihre Tagestour mit einer Karte. Im Fenster hinter ihnen zeigen sich die Gipfel des Kaisergebirges zwischen den Wolken.
Mit den Skiern zur Schule
Rosa und Sebastian Lohrmann haben vier Kinder zwischen fünf und 17 Jahren. Als sie die Hütte übernahmen, ging es für die Familie mit Sack und Pack auf den Berg. „Das erste Jahr waren wir fast nur hier oben”, berichtet die Hüttenwirtin. Die Kinder sind von der Priener Hütte nach unten in die Schule: „Im Winter standen wir um halb sieben hier oben mit den Skiern, Schulranzen auf dem Rücken und runter gings”, erinnert sich Rosa Lohrmann lachend. Die Hausaufgaben wurden in der Gaststube am Tisch gemacht, und die Gäste haben ihren „Senf” dazugegeben.
Diese intensive Zeit auf dem Berg sei notwendig gewesen, um auf der Hütte anzukommen, und sich das neue Leben dort anzueignen. Allerdings war das Konzept auf Dauer zu anstrengend: „Also haben wir es geändert“, so Lohrmann. Die Familie hat noch einen Hof in Prien. Um den Schulbesuch zu erleichtern, sind die Kinder während der Woche mit einem Elternteil im Ort. Wenn Rosa Lohrmann jetzt nicht auf der Hütte ist, kümmert sich ihr Team um die Gäste. Die Zahl der Mitarbeiter variiert je nach Saison zwischen zehn und 20. Jeder ist etwa drei bis vier Tage oben.
In der Küche hinter der Schenke bereitet Karl Wolf das Mittag- und Abendessen vor. Der Mann in gestreifter Schürze, mit fest gebundenem grau-schwarzem Haar, gekämmten Bart und bunt tätowierten Unterarmen ist Teil der festen Mannschaft. Neben ihm hantieren zwei Schüler. Sie wollen lernen, wie man Serviettenknödel macht. Ein großes Stück Butter schmilzt in einem Kochtopf und Wolf gibt Anweisungen: „Nehmt noch die große ‘Schaufel’, die da hinten hängt. Nicht das, das ist ein Schaumlöffel. Weiter rechts – wie eine Schaufel.”
Saisonale Küche mit regionalen Zutaten
Wolf ist seit fast 30 Jahren Koch und arbeitet das erste Mal auf einer Hütte. „Hier oben gefällt es mir gut”, erzählt der Münchner. Allerdings sei die Arbeit auch anstrengend. „In der Küche hatte ich früher eine ganz andere Hierarchie: Hier ist nicht jeder ein gelernter Koch.“ Hinzu komme eine umfangreiche Logistik. Die Zutaten kommen von regionalen Anbietern und müssen auf die Hütte gebracht werden. Gekocht wird saisonal und eine feste Speisekarte gibt es nicht. Während er erzählt, strömen immer mehr Schüler in die kleine Küche. Die Hüttenwirtin schmunzelt hinter Wolfs Rücken: „Er sagt, dass es anstrengend ist. Aber in Wirklichkeit holt er sich alle in die Küche. Ihm macht das Spaß.”
„Ich liebe es mit meinem Team zu arbeiten”, freut sich die Pächterin. Die Hütte bekomme auch viele Bewerber: Teilweise sogar Gäste. Was die Familie Lohrmann schon am Anfang eingeführt hatte, waren zwei Ruhetage. Am Montag und Dienstag. „Das hatte vor uns keiner gemacht”, so Rosa Lohrmann, „dafür gibt es allerdings keinen Betriebsurlaub.“ Während der Bayerischen Schulferien und im Juli ist jeden Tag geöffnet. Die Pächterin selbst bleibt mehrere Tage die Woche auf ihrer Hütte. „Ich bin hier mittlerweile aber auch ersetzbar“, erzählt sie, „und das ist auch gut so. Darin musste ich mich aber auch erst üben.”
Größte Renovierung seit 1974
Seit der Übernahme durch die Lohmanns haben sich nicht nur die Betriebszeiten geändert. Ein Lager wurde in einen kleinen Seminarraum umgewandelt und die Übernachtungskapazität wurde reduziert. Dadurch passen alle Gäste in die Stube und es ist wieder möglich, mehr persönlichen Kontakt herzustellen. Das setzte Rosa Lohrmann auch gut um: „Sie geht von Tisch zu Tisch und macht ihre Arbeit sehr anständig”, erzählt Herbert Aß, Hüttenreferent der Priener Hütte. Er selbst ist in der Regel mindestens einmal die Woche oben. In letzter Zeit allerdings häufiger, da viel renoviert wurde.
Im Sommer des Jahres wurden sämtliche Sanitäranlagen in der Hütte ausgetauscht. Die Renovierungskosten lagen im sechsstelligen Bereich. „Der letzte Anbau an der Priener Hütte war 1974. Seitdem wurde so gut wie nichts gemacht”, berichtet Aß. Als nächstes werden die Wasserleitungen in der Küche und der Schänke ausgetauscht.
Danach ist die Priener Hütte bereit für den Winter, „obwohl immer etwas sein kann”, sagt Rosa Lohrmann, „wir sind hier vollkommen autark.“ Die Hütte erzeugt ihren Strom selbst und verfügt über eine Quelle und eine Kläranlage. „Im Notfall muss man sich selbst helfen, denn im Schnee kommt auf die Schnelle keiner hoch“, so die Pächterin.
Sechs Monate Schnee
Die Priener Hütte liegt auf 1410 Metern Höhe, am Fuße des Geigelsteins, den man in einer guten Stunde erklimmen kann. „Wir sind hier in einem Schneeloch”, berichtet Rosa Lohrmann, „und haben fast sechs Monate Schnee.” Im Winter ist die Hütte daher sehr beliebt. Viele kommen mit dem Schlitten hinauf oder leihen sich oben einen. Die Rodelstrecke wird allerdings nicht extra mit einer Pistenraupe präpariert. Das Gebiet rund um den Geigelstein zählt aufgrund seiner Artenvielfalt zu den besonders wertvollen Bergregionen der Bayerischen Alpen. Ein geringer Eingriff zum Schutz der Natur war den Lohrmanns deshalb von Anfang an wichtig.
Obwohl sich das Paar getrennt hat, bereut Rosa keinen einzigen Tag, die Hütte übernommen zu haben: „Das ist hier keine Arbeit, die man macht. Das ist ein Lebensgefühl. Es gibt nichts, das ich lieber täte.” Ihr Traum sei es nie gewesen, eine Hütte zu betreiben. Sie wurde früh Mutter, hat nebenbei gearbeitet, eine Ausbildung gemacht, und sei immer auf der Suche gewesen, mit dem Gefühl: Was mache ich mal, wenn ich groß bin? „Jetzt weiß ich es”, sagt sie. Mittlerweile sind die Handwerker im Technikraum fertig. Alles läuft und Rosa Lohrmann startet ihren Geländewagen, um sie wieder ins Tal zu bringen.
Informationen zur Priener Hütte:
Vom 6. bis einschließlich 23. November ist die Hütte wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Der bekannteste Weg zur Priener Hütte startet in Huben bei Sachrang (Parkplatz Huben). In etwa 2,5 Stunden erklimmt man die rund 700 Höhenmeter auf einem Forstweg. Eine Übernachtung im Mehrbettzimmer kostet 30 Euro und im Lager 22 Euro. Als Alpenvereinsmitglied zahlt man jeweils die Hälfte. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite: www.prienerhütte.de





