Junger Priener mittendrin im Abenteuer
Abgeriegelte Grenzen, Taliban, Tattoos: Valentin will bis ans Ende der Welt
Einen eigenwilligen Reiseplan hat sich Valentin Oeckl in den Kopf gesetzt: Bis ans Ende der Welt - ohne auch nur ein Flugzeug von innen zu sehen. Gereist wird nur mit Bus, Bahn oder per Anhalter. Startpunkt: Prien am Chiemsee. Endstation: Australien. Im November machte Valentin Oeckl Nägel mit Köpf, inzwischen ist er in Vietnam.
Prien am Chiemsee - „Anfangs hatte ich eine ziemlich strukturierte Vorstellung vom Verlauf meiner Reise“, beginnt Valentin zu erzählen.
Bis in die Türkei lief alles wie geplant, dann musste der 22-Jährige plötzlich erfinderisch werden. Denn kurz vor Georgien und Aserbaidschan stand er vor geschlossenen Grenzen. Hier hätte Valentin nur mit einem Flugzeug einreisen können - und damit stand er am Scheideweg.
Ausnahme Fliegen - oder weiter am Boden bleiben?
„Ich entschloss mich nach kurzem Hadern, mein Ziel ohne Flugzeug zu reisen, durchziehen zu wollen. Das war der Punkt, an dem sich meine Reise um 180 Grad gewendet hatte. Denn gezielt auf den einen Flug zu verzichten, war die beste Entscheidung“, resümiert Valentin.
Die Konsequenz: Die Route musste geändert werden und führte fortan über Iran, Pakistan und Afghanistan. „Ich war sehr nervös und nicht sicher, ob ich da auch wirklich hin will - ob der Taliban und auch, weil das Auswärtige Amt Warnungen aussprach“, räumt Valentin ein.
Im Nachhinein jedoch würde er jederzeit wieder so entscheiden: „Es war die beste Veränderung und ich hatte dort eine wunderschöne Zeit. Die Menschen sind herzlich, freuen sich über Touristen. In Pakistan wurde ich sehr oft eingeladen mitzuessen oder über Nacht zu bleiben.“
Die Erlebnisse und Begegnungen vor Ort haben den jungen Chiemgauer nachträglich geprägt - und seine politische Einstellung geändert: „Sind nur negative Meldungen im Umlauf, verschleiert das den wahren Kern solcher tollen Länder. Ich habe gelernt, nicht alles zu glauben und darüber hinaus meine Entdeckerfreude geweckt. Daher bin ich sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Land, Kultur und Menschen waren absolute Highlights für mich.“
Diese Begegnungen hätten sein Vertrauen in die Menschheit gestärkt: „Mir war klar, dass ich mich auf dieser Reise weiterentwickeln werde, aber dass es so intensiv und schnell gehen würde, habe ich nicht erwartet. Ich bin sehr froh über die Entscheidung, den Sprung ins Abenteuer gewagt zu haben.“
Valentin ist gerade in diesen Ländern vor Augen geführt worden, wie sehr Deutsche und Europäer in puncto Reisen privilegiert seien: „Wir haben die Freiheit, mit einem Reisepass die ganze Welt zu erkunden. Diese Freiheit sollten wir wertschätzen. Die Menschen im Iran beispielsweise würden auch gerne die Welt erkunden, sehen sich aber mit hohen Hürden konfrontiert, die Reisen ins Ausland extrem erschweren. Das hat mich traurig und nachdenklich gestimmt.“
Wie war das früher ganz ohne Internet möglich?
Seine täglichen Abenteuer hält Valentin bildstark auf Instagram und TikTok fest. Das Feedback: positiv. Viele schreiben, es sei mutig und toll, dass er sich ganz ohne Flugzeug auf Weltreise begibt. Valentin ist stolz, dass seine Mama sich nur deshalb einen Instagram-Account erstellt hat, um bei seinen Stationen auf der ganzen Welt dabei sein zu können.
Das Internet erleichtert Reisen heutzutage sehr, weiß Valentin. Daher bewundert er umso mehr, wie die Menschen noch vor wenigen Jahrzehnten komplett ohne Telefonie, Handy und Internet gereist sind. Das sei ihm vor allem auf der Seidenstraße in China bewusst geworden.
Ein Tattoo für die Ewigkeit
Neben besonderen Begegnungen mit Einheimischen trifft Valentin immer wieder gleichgesinnte Reisende. So wie einen US-Amerikaner, mit dem er Afghanistan durchquerte. Ihre Wege verloren sich - bis Vietnam. In Hanoi, wo sich Valentin gerade aufhält, trafen sie wieder aufeinander - per Zufall.
„Die Freude war riesig und wir wollten diesen Moment festhalten“, erzählt Valentin. Gesagt, getan. Mit einem Tattoo, das den Schriftzug „Little bit no problem“ in den arabischen Schriftzeichen der Sprache „Dari“ ziert. Der Satz eines Ringverkäufers. Für die beiden eine prägende Erinnerung an ihre gemeinsamen Abenteuer in Afghanistan.
Um die Reise finanzieren zu können, hat Valentin während seiner Ausbildung zum Operationstechnischen Assistenten immer wieder Geld auf die Seite gelegt.
Der Berufssparte wird er treu bleiben: Im Herbst startet - wenn alles gut läuft - sein Medizinstudium. Valentin würde gerne als Chirurg Berufserfahrung sammeln und kann sich sehr gut vorstellen, in ein paar Jahren in Entwicklungsländern bei Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ zu helfen oder sogar eine eigene Initiative ins Leben zu rufen. Eine Idee, die von seiner Reise unter anderem in Länder wie Afghanistan maßgeblich beeinflusst wurde.
Je touristischer die Länder, umso mehr Geld benötigt der Priener. „Im Iran habe ich einen ganzen Monat keine 300 Euro ausgegeben. So günstig werde ich nicht mehr davonkommen. Das wird spannend, wenn es jetzt in Richtung Laos, Kambodscha, Malaysia und Thailand geht“, sagt Valentin voller Vorfreude.
Zur Mass auf dem Herbstfest Rosenheim wieder im Lande
Heimweh hat Valentin keines, auch, wenn er natürlich Familie und Freunde vermisst. „Mit dem Chiemgau werde ich immer verbunden sein, es ist wunderschön und ich bin froh, hier aufgewachsen zu sein“, sagt der gebürtige Landshuter, der mit neun Jahren an den Chiemsee zog.
Wann er in welchem Land sein möchte, weiß er ungefähr. Das Endziel Australien hat er im August angepeilt. Von dort wird der Rückweg dann doch mit dem Flugzeug angetreten. Denn Valentin hat einen gewissen Zeitdruck: Seine Schwester heiratet und er will die große Feier freilich nicht missen. Außerdem, betont er mit einem verschmitzten Lachen, beginnt Ende August auch noch das Herbstfest in Rosenheim.
mb

