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Mit der Westbahn von Rosenheim nach Stuttgart

„Deutschland zeigen, was qualitatives Bahnfahren heißt“ - trotz Grenzkontrollen und Baustellen?

Thomas Posch und ein Zug der Westbahn
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Thomas Posch möchte Deutschland zeigen, was hochwertiges Bahnfahren bedeutet. Die blau-grün-weißen Westbahn-Garnituren fahren schon jetzt fünfmal täglich von Wien West über Salzburg und Rosenheim nach München. Nun wird erweitert.

Die österreichische Westbahn setzt ihren Expansionskurs fort: Ab Dezember geht es von Wien nicht nur nach München, sondern weiter nach Stuttgart. Mit dem Versprechen, Bahnfahren auf ein neues Qualitätsniveau zu heben, will Geschäftsführer Thomas Posch den deutschen Markt erobern. Wie das angesichts der geplanten Totalsperren zwischen Freilassing, Rosenheim und München gehen soll und ob man das Deutschlandticket nutzen kann.

Rosenheim/Wien/Stuttgart - Seit April 2022 fährt die private Westbahn vom Wiener Westbahnhof aus bereits nach München, ab Dezember 2024 geht’s weiter nach Stuttgart und, als Verlängerung von Bregenz aus, auch nach Lindau am Bodensee. „Wir wollen in Deutschland zeigen, was qualitatives Bahnfahren heißt“, verspricht Thomas Posch, Geschäftsführer der Westbahn bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien.

Dass ihm dabei nicht nur die ständigen, zum Teil sehr spontanen Baustellen und die Grenzkontrollen, sondern auch eine geplante Totalsperre 2027 einen Strich durch die Rechnung machen, glaubt der Westbahn-Chef nicht. „Wir gehen mit unseren Kunden anders um und werfen sie nicht einfach aus dem Zug“.

Strecke bis München bereits in der Gewinnzone

Derzeit fährt die Westbahn fünfmal täglich von Wien direkt nach München, „diese Strecke hat sich sehr dynamisch entwickelt“, so Posch, soll heißen, sie ist schneller in die Gewinnzone gekommen als angenommen. Seit April 2022 fährt die Westbahn nach München und normalerweise dauert es zwei Jahre, bis sich eine Strecke rechnet.

„Wir sind im ersten Halbjahr, also bis Dezember 2022, knapp am Break-Even-Point vorbeigeschrammt, bis Dezember 2023 waren wir dann schon in der Gewinnzone“, so Posch, und dass, obwohl die Deutsche Bahn für das Nutzen der Gleise gleich sieben Mal so viel verlangt wie die ÖBB in Österreich, „andere Länder haben eben eine andere Preislogik“.

Fahrdienstleiter auf Mittag – Bahnbetrieb steht

Dabei hat naturgemäß auch die Österreichische Westbahn mit der bekannt schlechten Bahn-Infrastruktur in Deutschland zu kämpfen. „Aber auch wenn die DB betriebliche Probleme hat, gehen wir mit unseren Kunden anders um, das heißt, wir werfen sie nicht einfach aus dem Zug“.

Die in Österreich gewohnte Pünktlichkeit kann die Westbahn in Bayern wegen der vielen Baustellen oft nicht erreichen, „dabei erfahren wir oft erst eine Stunde vorher, dass es eine Baustelle gibt und die Züge warten müssen, so unlängst wegen einer Baustelle bei Trudering, oder von einer zwangsweisen Pause in Rosenheim, weil der Fahrdienstleiter Mittagspause hat und kein Ersatz da ist“, schildert Posch dokumentierte Ärgernisse in Bayern.

Dauerärgernis Grenzkontrollen

Doch nicht nur die ständigen Baustellen bremsen die Westbahn auf den bayerischen Strecken ein, schon in Freilassing zwingen die Grenzkontrollen der Bundespolizei die weiß-blau-grünen Garnituren zum Anhalten. „Je nach Stimmungslage der Bundespolizei wird dann entweder im stehenden Zug kontrolliert oder während der Weiterfahrt nach Traunstein oder bis Rosenheim, manchmal stehen wir aber auch in Freilassing und es kommt niemand zur Kontrolle.“

Über die Notwendigkeit von Grenzkontrollen will sich Posch nicht wirklich äußern, „aber das könnte man professioneller abwickeln.“

Freilassing-München mit zwei Totalsperren 2027, oder doch nicht?

Jetzt will auch die DB auf das ÖBB-Konzept umsteigen und statt ständiger, kleiner Sanierungsbaustellen eine groß angelegte Sanierung starten, zwischen Freilassing und München soll es daher 2027 zwei Totalsperren geben, offiziell vom 5. Februar bis 9. Juli 2027 von München bis Rosenheim und vom 9. Juli bis 10. Dezember 2027 von Rosenheim bis Freilassing, soweit die offiziellen Zeitkorridore der Deutschen Bahn vom April dieses Jahres.

„Wir hören aber, dass die Strecke Rosenheim-Freilassing eventuell doch um ein Jahr verschoben werden soll, der Grund soll das Münchner Oktoberfest sein, währenddessen man diese wichtige Bahnstrecke nicht sperren könne“, so Posch. Von der Deutschen Bahn war dazu noch keine Stellungnahme zu erhalten.

Zweimal Wien-Stuttgart

Trotz der Probleme mit dem maroden Schienennetz in Bayern, den Grenzkontrollen und der anstehenden Totalsperre zwischen Freilassing und München scheint der deutsche Markt doch so lukrativ, dass die Westbahn ab 15. Dezember 2024 von München aus nach Stuttgart weiterfahren wird, zumindest zweimal am Tag, „und das in einer Rekordzeit von sechseinhalb Stunden von Wien aus“.

Man will dabei nicht in Konkurrenz zum Flugzeug treten, denn eine Abfahrt in Wien kurz nach 8 Uhr und eine Ankunft um 14.30 Uhr in Stuttgart sind keine Zeiten für Geschäftsleute, „aber wir haben schon jetzt Vorausbuchungen, die unsere Erwartungen übertreffen“, versichert der Westbahnchef. Wichtig sind Posch dabei auch die Halte zwischen München und Stuttgart, und zwar Augsburg, Günzburg – „wegen Legoland“ – und Ulm.

Deutschland-Ticket und Klimaticket senken Ticketpreis

Zwischen München und Stuttgart will sich die Westbahn auch als preisliche Alternative etablieren, „wir werden ganz unkonventionell das Deutschland-Ticket, das eigentlich für den Nahverkehr vorgesehen ist, als Rabattkarte anerkennen“, ab dem Winterfahrplan, also ab 15. Dezember, sind Tickets von Wien nach Stuttgart so zum Beispiel ab 29 Euro zu haben.

Auch das österreichische Klimaticket – 1095 Euro für ein Jahr alle Busse und Bahnen in Österreich – will die Westbahn für alle, die nach Deutschland weiterfahren, „anerkennen“: es gilt zwar offiziell nicht außerhalb Österreichs, aber es wird einen „Klimaticket-Plus“-Preis geben, also zum Beispiel von Salzburg bis München ab knapp 20 Euro. „Wer in Österreich mit dem Klimaticket viel Bahn fährt, soll auch grenzüberschreitend günstig fahren“, erklärt Posch den von ihm propagierten „einfachen Zugang“.

Erst Stuttgart, und dann?

Ob sich die Strecke nach Stuttgart so schnell rechnet wie die Verbindung nach München, weiß auch das Westbahn-Management noch nicht, „wir geben uns zwei bis drei Jahre.“ Ob und wie es dann in Deutschland weitergeht, will Posch nicht verraten, „wir wollen kleine Schritte gehen und uns nicht übernehmen, Verluste puffert uns niemand ab.“

Die offizielle Devise lautet: „Schauen wir, wo uns die Reise hinführt“, vielleicht doch eher nach Ungarn, aber auch dazu will sich Posch nicht äußern.

Drei geschenkte Kilometer bis Lindau-Insel

Nachdem die Westbahn auch in Österreich ihre Fühler immer weiter ausstreckt, zuletzt nach Tirol und in das westlichste Bundesland, Vorarlberg, taucht ab Mitte Dezember 2024 ein weiterer deutscher Grenzbahnhof am Fahrplan der Westbahn auf, der von Bregenz aus schnell erreichbar ist: Lindau. „Das ist sicher für die Tiroler und die Vorarlberger interessant, und weil das Klimaticket nur bis Lindau-Reutin gilt, schenken wir unseren Kunden die drei letzten Kilometer bis Lindau-Insel.“

Die Westbahn verfügt derzeit über 15 Garnituren, reicht das für rund 20 Prozent mehr Strecken? „Ja“, sagt der Westbahn-Chef, nach Stuttgart fahren zum Beispiel dann Züge, die bisher in München „übernachteten“. Über neue Garnituren will die Westbahn nicht sprechen, auch wenn man in Österreich immer wieder einen Testzug des chinesischen Herstellers CRRC im Westbahn-Design auf der Strecke zwischen Wien und Salzburg fahren sieht.

Die Westbahn gibt es seit Dezember 2011, jahrelang befuhr sich nur die lukrative Westbahnstrecke Wien-Salzburg, die einzige Bahnverbindung, die vom Staat nicht subventioniert wird. Die Eigentümer sind laut Firmenbuch zu 49,9 Prozent die Familien-Privatstiftung des Bauunternehmers Hans Peter Haselsteiner, die französische Staatsbahn SNCF zu 17,4 Prozent, sowie die Schweizer Augusta-Holding mit 32,7 Prozent. 2023 transportiere die Westbahn rund acht Millionen Passagiere, rund die Hälfte davon sind Besitzer eines Klimatickets. Der Konzernumsatz stieg 2023 von 90 Millionen Euro 2022 auf über 120 Millionen Euro, der Gewinn stieg von 4 auf 10 Millionen Euro. (hud)

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