Nach zwei echten „Nackenschlägen“
Gestrandet in Bad Aibling: Zirkus Sperlich kämpft nicht nur mit bitterer Kälte
„Zirkus ist der einzige Ort auf der Welt, an dem man mit offenen Augen träumen kann“, lautet ein Zitat von Ernest Hemingway. Doch für den Familienzirkus Sperlich ist die Welt derzeit ein Albtraum. Ein Besuch in seinem Notquartier im Aiblinger Sportpark.
Bad Aibling – Weil die vergangenen Wochen ganz anders verliefen als geplant, steckt der Familienzirkus Sperlich aktuell in großen finanziellen Schwierigkeiten. Er hat vorübergehend auf dem Gelände des Mietrachinger Sportparks nicht seine Zelte aufgeschlagen, sondern ein Notquartier gefunden. Zirkus-Direktorin Tanjela Sperlich schildert gegenüber dem OVB die prekäre Situation des in fünfter Generation bestehenden Zirkusbetriebs.
„Unsere gesamte Saison 2024 war schon nicht gut, doch es kam noch schlimmer“, berichtet sie und führt weiter aus: „Ab Ende November haben wir in Bad Aibling an der Grassingerstraße gastiert. Wir mussten dort aber wegen der schlechten Witterung und dann daraus folgenden problematischen Platzverhältnissen unsere für 10 Tage geplante Serie bereits nach 5 Tagen abbrechen.“
Es folgte der nächste Nackenschlag für den Zirkus: „Für den für die Zeit vom 20. Dezember bis 6. Januar fest geplanten Weihnachtszirkus in Penzberg erhielten wir kurzfristig eine Absage. Diese beiden gravierenden Ausfälle brechen uns das Genick“, beklagt die Zirkus-Direktorin, zumal gerade zu Jahresbeginn viele Ausgaben wie Versicherungen et cetera fällig werden. Außerdem hänge zusätzlich ein schweres Damokles-Schwert über dem Zirkus: Für die temporäre Nutzung des Platzes am Sportpark müssen gemäß Satzung der Stadt Bad Aibling für die Zeit von Anfang Dezember 2024 bis zum 20. Januar 2025 als Miete 8500 Euro an die Kommune bezahlt werden. „Diese Summe können wir beim besten Willen nicht aufbringen“, stellt Sperlich fest.
Schon die laufenden Kosten für das „tierische Personal“ seien hoch. „Wir haben zwei Friesenpferde, vier Kamele, sieben Lamas, zwei Ziegen, drei Hunde, zwei Esel und acht Ponys“, zählt „Junior-Chef“ Manolito Sperlich auf. „Für Tierfutter und Einstreuung müssen wir pro Woche ca. 400 Euro aufwenden und das Gas für die Beheizung, unter anderem der Wohnwägen, kostet uns wöchentlich bis zu 700 Euro. Dazu kommen die ganzen Versicherungen – von der Haftpflichtversicherung unseres umfangreichen Fuhrparks bis zur Krankenversicherung für unsere Familie sind Beträge in fünfstelliger Höhe fällig“, listet er auf.
Manolito Sperlich erklärt: „Wir Menschen können auf vieles verzichten, aber den Tieren muss es gutgehen. Momentan wissen wir nicht, wie und wo es weitergeht“. Dabei bieten die einzelnen Familienmitglieder ein abwechslungsreiches Manegen-Repertoire: Zirkus-Direktorin Tanjela ist für die Tierdressuren zuständig, ihr Mann Jan als Zirkusdirektor für die Tiernummern. Sohn Manolito tritt als Clown und Feuerschlucker auf, seine Schwester Elena und seine Frau Manjana glänzen unter anderem auf dem Seil und im Arealring.
Mit dabei sind auch Manolitos Brüder: Denny agiert mit dem Diabolo, auf dem Seil und mit Kraftbalance, Michael beherrscht die Jonglage und zeigt Rollarolla-Akrobatik. Alle Familienmitglieder präsentieren zudem gemeinsam ihre Westernshow, bei der Manolito als Messerwerfer agiert und Elena dabei eiserne Nerven bewahren muss. Außerdem ist das ganze Manegen-Ensemble auch an allen weiteren Tätigkeiten beteiligt – vor und hinter den Kulissen. Noch nicht aktiv beteiligt ist das jüngste Familienmitglied Tiana, die vier Monate alte Tochter von Manolito und Manjana.
Der nächste Veranstaltungsort steht angesichts der winterlichen Verhältnisse noch in den Sternen. Zu gerne würde die Sperlich-Familie ihr Programm in abgespeckter Form beispielweise in einer Turnhalle zeigen (beispielsweise für Kindergärten oder Schulen) und damit etwas Einnahmen erzielen. Dank des Entgegenkommens des Prechtl-Lebensmittelmarktes dürfen sie dort an manchen Tagen am Eingang um Futterspenden bitten.


