Natalie Buchholz über eine unglaubliche Geschichte
Traumwohnung zum Schnäppchenpreis? Rosenheimer Autorin macht es in ihrem neuen Buch möglich
Top-Wohnung in Top-Lage zum Top-Preis. Und das in München: Die unwahrscheinlichste aller Geschichten erzählt die Rosenheimer Autorin Natalie Buchholz. Doch da gibt es einen Haken.
Rosenheim - Bezahlbarer Wohnraum stellt viele Familien vor Herausforderungen. Und doch gelingt es Coordt und Franziska in dem Roman „Unser Glück“ eine bezahlbare Traumwohnung in Schwabing zu finden. Wie das gehen soll, darüber sprachen wir mit Natalie Buchholz im OVB-Exklusiv-Interview.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, ein Buch über das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ zu schreiben?
Natalie Buchholz: „Bezahlbarer Wohnraum ist seit Längerem schon ein allgegenwärtiges Thema, und zwar nicht nur in Metropolen, sondern auch in kleineren Städten wie Rosenheim zum Beispiel, das im Einzugsgebiet Münchens liegt. Mich interessierte die literarische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf das Leben, den Alltag, die Familie, die Beziehungen, einfach auf alles haben. So entstand die Idee, das Thema bezahlbaren Wohnraums als Rahmenhandlung meines Romans zu machen, in dem das Wohnungsglück für eine junge Familie zum Greifen nah ist, wenn es da nicht diesen einen Haken gäbe.“
Verraten Sie, was der Haken ist?
Buchholz: „Die Top-Wohnung in Top-Lage gibt es nur mit dem Ex-Mann der Vermieterin. Er soll in der Wohnung wohnen bleiben, ohne ihn gibt es diese Wohnung also nicht. Bobo, so heißt der Mann, zeigt sich nie. Er ist wie ein Geist im eigenen Heim. Das gefällt Coordt gar nicht. Er fängt an, Bobo aufzulauern, steigert sich immer mehr in die Situation hinein, der Mann würde sich nachts heimlich in der Wohnung bewegen. Die Tatsache, dass er ihn nie sieht, macht den Mitbewohner für ihn aber nur noch präsenter. Seine Frau hingegen weiß gar nicht, was ihr Mann eigentlich für ein Problem hat. Sie genießt einfach nur die neue Wohnung und die Perspektiven, die sich mit dem Umzug aufgetan haben, Bobo interessiert sie nicht, zumindest vorerst.“
Der Figur des Mitbewohners haftet etwas Unheimliches an, oder?
Buchholz: „Ja. Das Phänomen des Unheimlichen interessierte mich schon seit langem. Ich wollte es in meinem Roman unbedingt an den wohl intimsten Ort der jungen Familie holen, in deren Wohnung, also in das Nest, das als Sinnbild für die Suche nach Geborgenheit steht. Und diese diffuse, nicht greifbare, aber durchaus existente Angst, das Gefühl des Unheimlichen also innerhalb des eigenen Heims – und Heim steckt ja im Wort Unheimlich drin – sollte sich nicht nur in Gestalt des Mitbewohners Bobo äußern, sondern sich auch auf die Rahmenhandlung des allgegenwärtigen Themas bezahlbaren Wohnraum übertragen lassen, also auf die realen Auswirkungen der surrealen Miet- und Immobilienpreisentwicklung.“
Haben Sie selbst negative Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt gemacht?
Buchholz: „Ich erinnere mich, dass ich einmal ein Zimmer in Stuttgart suchte. Dabei stieß ich immer wieder auf Anzeigen wie diese: Bewerbungen werden nur von kinderlosen Frauen jenseits der 40 angenommen. Das ist blanke Diskriminierung und zugleich zeigt es sehr viel über das Machtverhältnis aus, wenn es mehr Nachfrage als Angebote gibt.“
Gibt es in ihrem Buch „Unser Glück“ eine Lieblingsfigur?
Buchholz: „Als Autorin muss ich allen Figuren gleich nahe kommen, unabhängig davon, wie sympathisch sie sich verhalten. Erst so können sie auf Papier plastisch werden. Insofern: Ich habe stets mehrere Lieblingsfiguren.“
Wann schreiben Sie?
Buchholz: „Von morgens acht bis nachmittags um 16 Uhr – zu festen Arbeitszeiten, als ginge ich ins Büro. Als die Kinder noch kleiner waren, habe ich die Nacht zum Schreiben genutzt, es ging ja nicht anders. Aber das hat sich inzwischen verändert, und seitdem bin ich weniger müde.“
Also gibt es so etwas wie Schreibblockaden bei Ihnen nicht?
Buchholz: „Es gibt quälende Momente, die manchmal auch sehr lange andauern. Beispielsweise während des Lockdowns, als ich – wie die meisten – zu viele Bälle auf einmal jonglieren musste. Das hat natürlich Auswirkungen auf den künstlerischen Schaffensprozess. Aber trotzdem hat mir das Schreiben bislang immer mehr gegeben, als es mir genommen hat.“
Sind Sie selbstkritisch?
Buchholz: „Sehr. Ich lese jeden Tag das, was ich am Vortag geschrieben habe, und nicht selten kommt es vor, dass ich dann alles wieder lösche, weil ich zum Beispiel noch nicht die richtige Tonalität für die Stelle gefunden habe.“
Wollten Sie schon immer Autorin werden?
Buchholz: „Viele, die mich gut kennen, sind nicht verwundert, dass ich mich irgendwann nur noch dem Schreiben gewidmet habe. Ich selbst kann aber nicht sagen, dass ich schon als Kind den Wunsch hatte, einmal Schriftstellerin zu werden. Eisverkäuferin war mein Traum. Interessant für mich war allerdings, als ich vor einiger Zeit das Bücherregal ausräumte, dass mir da ein Notizheft in die Hand fiel, das ich als Jugendliche von vorne bis hinten mit Kurzgeschichten vollgeschrieben hatte. Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern. Aber es scheint wohl schon damals ein Drang gewesen zu sein, Geschichten zu Papier zu bringen.“
Sie haben lange Zeit als Lektorin gearbeitet. Jetzt haben Sie quasi die Seiten gewechselt.
Buchholz: „Beides parallel zu machen, kam für mich nicht in Frage. Lektorin ist ein wunderbarer Beruf – und doch ist meine Leidenschaft für das Schreiben größer.“
Welche Ziele wollen Sie noch erreichen?
Buchholz: „Irgendwann einmal die Rollwende im Freibad zu schaffen, damit ich im Sportschwimmer- und Haifischbecken mithalten kann. Und natürlich: Noch viel schreiben.“
Welche Tipps haben Sie für junge Autoren?
Buchholz: „Nicht aufgeben, wenn es mal eine Absage gab. Es gibt viele Meinungen und viele Verlage.“
Eine Lesung und ein Gespräch mit Natalie Buchholz zu ihrem Buch „Unser Glück“ findet am Montag, 10. Oktober, in der Stadtbibliothek statt. Beginn ist um 19.30 Uhr.