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„Bücher Johann“ organisiert Lesung

Was wäre ihre Henkersmahlzeit, Frau Leon? Autorin stellt neuen Brunetti-Krimi in Rosenheim vor

Während der Lesung im Rosenheimer Ballhaus: (von links) Literaturkritiker Denis Scheck, Krimi-Autorin Donna Leon und Schauspielerin Annett Renneberg, die in den Verfilmungen Signorina Elettra spielt.
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Während der Lesung im Rosenheimer Ballhaus: (von links) Literaturkritiker Denis Scheck, Krimi-Autorin Donna Leon und Schauspielerin Annett Renneberg, die in den Verfilmungen Signorina Elettra spielt.

Rosenheim – Die Krimi-Autorin Donna Leon schuf mit Commissario Guido Brunetti einen der populärsten Krimi-Helden weltweit. Jetzt war sie – auf Einladung des „Bücher Johann“ – zu Gast im Ballhaus, um ihren Venedig-Krimi „Milde Gaben“ vorzustellen. Zum Interviewtermin bringt sie ihre Fahrkarte mit. Auf die Rückseite hat sie das letzte Kapitel für Brunettis 32. Fall geschrieben – mit Bleistift und in kurzen Stichpunkten.

Sie sind gerade auf Lesereise für „Milde Gaben“, wie es aussieht, sind Sie bereits in den letzten Zügen für Ihren 32. Krimi. Woher kommen die Ideen?

Donna Leon: „Ich schaue täglich durch die Regionalzeitungen „Il Gazzettino“, „La Nuova Sardegna“, „La Repubblica“ und „Il Fatto Quotidiano“, um zu sehen, was in Italien los ist. Wenn ich einen Artikel finde, der mich interessiert, hebe ich ihn auf. Vor zehn Jahren habe ich einen Artikel über einen Farmer gelesen, der festgenommen wurde, weil er drei seiner Ehefrauen umgebracht hat und die Überreste an seine Schweine verfüttert hat. Ich glaube nicht, dass ich jemals darüber schreiben werde, weil es so schrecklich ist. Ich weiß aber ganz genau, wann eine Geschichte richtig für ein Buch ist und wann nicht.“

Wie lange dauert es von der Idee bis zum Buch?

Leon: „Im Schnitt brauche ich für jedes Buch neun Monate. Mit dem Buch, an dem ich gerade arbeite, habe ich im Herbst begonnen. Und ich sollte Ende Juni fertig sein. In manchen Wochen schreibe ich zwischen 30 und 40 Seiten, in anderen arbeite ich nicht.“

Und ich dachte immer, Schriftsteller schreiben jeden Tag.

Leon: „Das Einzige, was ich jeden Tag mache, ist Kaffee trinken.“

Warum eigentlich Krimis?

Leon: „Bei Krimis gibt es ein Muster. Es gibt ein Verbrechen, einen Ermittler, eine Ermittlung und eine Lösung des Falls. Es ist deutlich einfacher, einen Krimi zu schreiben, als einen Roman. Natürlich weiß der Leser auch bei einem Krimi nicht genau, was passieren wird, aber er weiß, was passieren muss.“

Lesen Sie selber auch Krimis?

Leon: „Niemals. Ich höre mich jetzt wahrscheinlich total versnobt an, aber viele Krimis, die ich auf Englisch gelesen habe, haben mich einfach nicht abgeholt. Ich kenne meine Ansprüche. Ich habe 30 Jahre lang englische Literatur an der Universität unterrichtet. Mit einfachen Sätzen kann ich wenig anfangen und ich verstehe nicht, warum ich sie lesen sollte. Ausgenommen davon sind zum Beispiel Ross Macdonald und Ruth Rendell. Ich würde mir wünschen, dass ich so gut schreiben könnte, wie sie. Es gibt viele gute Autoren. Das Problem ist, dass viele Krimi-Autoren eben nicht gut sind. Und ich glaube nicht, dass ich von diesen Büchern etwas lernen würde. Sei es über die menschliche Natur, Politik oder Kunst.“

Was lesen Sie stattdessen?

Leon: „Da ich durch meine Lesereise in den kommenden Wochen viel Zug fahren werde, habe ich mir Dickens „Little Dorrit“ mitgenommen. Das Buch hat mehr als 900 Seiten und ich habe es seit mehr als 50 Jahren nicht mehr gelesen.“

Können Sie dann abschalten und das Buch genießen? Oder ärgern Sie sich über schlechte Sätze?

Leon: „Ich lese in den meisten Fällen nur Bücher von Autoren, die deutlich besser schreiben als ich, zum Beispiel die Geschwister Brontë oder George Eliot. Ich sollte noch nicht einmal in den gleichen Räumen wie diese beiden Schriftsteller sein. Und dann sind da natürlich noch die Griechen.“

Klingt, als ob Sie sich unter Wert verkaufen.

Leon: „Ich bin sehr erfolgreich und meine Bücher sind gut. Ich wäre dumm, wenn ich etwas anderes sagen würde. Aber ich bin keine Jane Austen. Wir reden immer noch über Kriminalromane.“

Genießen Sie Lesungen?

Leon: „Ich bin mittlerweile an dem Punkt in meinem Leben angelangt, an dem ich nur noch die Dinge tue, die mir wirklich Spaß machen. Ich mag es, mich mit Leuten zu unterhalten, die die Bücher gelesen haben, an denen ich neun Monate lang gearbeitet habe.“

Was macht Venedig als Handlungsort für Ihre Bücher so reizvoll?

Leon: „Venedig gilt als die schönste Stadt der Welt. Und das stimmt wahrscheinlich auch. Es fühlt sich fast so an, als ob ein Schleier von Magie und Geheimnissen über der Stadt liegt. Ich glaube, deshalb fühlen sich so viele Menschen zu Venedig hingezogen. Es ist die Sehnsucht der Menschen, in einer schönen Stadt zu leben.“

Und doch sind Sie in die Schweiz gezogen.

Leon: „Ich konnte Venedig einfach nicht mehr aushalten. Die Menschenmassen waren zu viel. Für meine Bücher reise ich aber trotzdem immer wieder gerne in die Stadt.“

Ihr Rat für junge Autoren?

Leon: „Lest Bücher, bei denen Ihr wisst, dass Ihr sie niemals schreiben könntet. Im Boxen soll man immer in einer höheren Gewichtsklasse antreten. Das gilt auch für Bücher. Lest keinen Müll! Lest so viel Ihr könnt! Ich habe mehr Zeit mit Lesen verbracht, als mit irgendetwas anderem.“

Welches Buch sollte jeder unbedingt lesen?

Leon: „„Große Erwartungen“ von Charles Dickens. In meinen Augen ist das eines der besten Bücher, das jemals geschrieben wurde.“

Für Johann Struck, besser bekannt als „Bücher Johann“, war es die erste Lesung seit drei Jahren. Umso mehr habe es ihn gefreut, dass es ihm mit Donna Leon gelungen sei, eine Autorin nach Rosenheim zu holen, die „wirklich jeder kennt“. Sie sei eine nette, intelligente Frau, deren Buch „Milde Gaben“ gerade auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste steht. Ebenfalls bei der Lesung im Ballhaus dabei waren Annett Renneberg, die in den Verfilmungen Signorina Elettra spielt und während der Veranstaltung die deutschen Textstellen las. Die Moderation des Abends übernahm Denis Scheck, bekannt als Literaturkritiker und aus der Sendung „Druckfrisch“in der ARD. Mit klugen Fragen führte er durch das Programm, unterhielt sich mit Leon über die Pandemie, den Ukraine-Krieg und ihren ersten Roman, der vor 32 Jahren erschien. 50 Jahre alt sei sie damals gewesen, habe nie zuvor darüber nachgedacht, ein Buch zu schreiben. Die Idee für ihr erstes Buch sei mehr oder weniger zufällig in einem Opernhaus in Venedig entstanden, als sie mit anderen darüber philosophiert habe, wie ein doch eher unbeliebter Dirigent zu Tode kommen könnte. Daraus entstand das Buch „Venezianisches Finale“. Und noch etwas verriet Donna Leon an diesem Abend: Ihre Henkersmahlzeit wäre Kürbispasta.

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