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Wir haben es uns vor Ort angeschaut

Nach Twitter-Diskussion: So entsteht Krankenhausessen im RoMed-Klinikum Rosenheim

links: An einem Fließband stellen Mitarbeiter der Küche des RoMed-Klinikums die Essen für Patienten zusammen. rechts: Küchenleiter  Heiko Schneyinck zeigt Beispiele für sogenannte „Zugangs-Essen“.
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links: An einem Fließband stellen Mitarbeiter der Küche des RoMed-Klinikums die Essen für Patienten zusammen. rechts: Küchenleiter  Heiko Schneyinck zeigt Beispiele für sogenannte „Zugangs-Essen“.

Vor kurzem entspann sich auf Twitter eine umfangreiche Diskussion rund um das Thema Krankenhausessen. Also haben wir uns aufgemacht und beim RoMed-Klinikum in Rosenheim vorführen lassen, wie dort das Essen entsteht.

Rosenheim - „Halt!“, ruft plötzlich eine Frau und hebt ihre Hand. Schlagartig kommt das Fließband zum Stillstand. Alle anderen Mitarbeiter beenden, was sie gerade getan haben und blicken ruhig in die Richtung, aus welcher der Ausruf kam. „Weiter, sorry!“, ruft sie nur wenige Augenblicke später und der Betrieb geht reibungslos weiter. Flinke Hände sortieren Stück für Stück, Station für Station Gerichte auf die heranfahrenden Tabletts. Schließlich wandern sie nach einer abschließenden Kontrolle in einen Schubwagen und werden hinausgerollt. Abgesehen von der kurzen Unterbrechung läuft die Arbeit ruhig und professionell ab. Es ist gegen Mittag in der Großküche des RoMed-Klinikums in Rosenheim und gerade werden die Mittagessen für über 400 Patienten hergestellt.

Nach Twitter-Diskussion: So entsteht Krankenhausessen im RoMed-Klinikum Rosenheim

Warum gerade jetzt eine Reportage aus der Klinikküche? „Das Abendessen meines Schwiegervaters im Krankenhaus: Eine Scheibe Brot, 2 Scheiben Käse und 3 kleine Tomaten. Tja“, so lautete der Text eines Tweets von Alf Frommer von Anfang dieses Monats, laut eigenen Angaben ist er „Executive Creative Director & Privatier. Autor im finebooksverlag.“ - „Das Thema scheint Deutschland zu beschäftigen ....“, bemerkte Frommer am Tag darauf. Zu diesem Zeitpunkt hatten in den Kommentaren unter seinem ursprünglichen Beitrag bereits zahllose andere Nutzer Erfahrungsberichte und Fotos von ihren Erfahrungen mit Essen im Krankenhaus ergänzt. Teilweise entspannen sich hitzige Diskussionen darüber, was man im Krankenhaus erwarten sollte. Anlässlich dessen stellt sich die Frage: Wie kann so eine vermeintlich spartanische Verköstigung zu Stande kommen und wie schaut es eigentlich bei uns in der Region aus?

„Ich vermute, was der Vater von Herrn Frommer da vorgesetzt bekam, ist die dortige Version eines sogenannten ‚Zugangs-Essens‘“, erläutert Heiko Schneyinck, Küchenleiter am RoMed Klinikum Rosenheim und führt vor, „Auch bei uns ist das nicht besonders üppig, was aber seinen guten Grund hat. Denn das ist die Art Essen die man erhält, wenn man frisch gekommen ist und noch nicht geklärt werden konnte, was man zum Essen erhalten wird. Dafür stellt man dann halt ein Essen zusammen, welches möglichst allgemeinverträglich ist beziehungsweise wie in diesem Beispiel nur ein paar grundlegende Dinge enthält.“ Denn die Hintergründe und Logistik hinter dem Essen, welches Patienten in Krankenhäusern erhalten, seien recht umfangreich.

Beschwerden über Krankenhausessen - Was sagen Patientenvertreter?

„Beschwerden über das Krankenhausessen spielen in unserer Beratung grundsätzlich kaum eine Rolle“, berichtet Markus Hüttmann, Pressesprecher der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), „Allgemein lässt sich dazu sagen, dass beim Essen im Krankenhaus einerseits objektiv medizinische und ernährungsphysiologische Aspekte wichtig sind – also beispielsweise individuell an bestimmte Erkrankungen angepasste Kostformen – hierzu treffen äußerst selten Beschwerden bei der UPD ein. Andererseits spielen natürlich bei jeder Kostform individuelle Wünsche und Erwartungen eine große Rolle, die vermutlich niemals bei allen Menschen vollständig erfüllt werden können.“

„Für das persönliche Wohlbefinden ist natürlich gerade beim kranken Menschen das Thema ‚Zufriedenheit mit dem Essen‘ ein wichtiges Thema. Wenn Krankenhausküchen bestimmte Wünsche und Erwartungen nicht erfüllen können, raten wir diese Wünsche direkt vor Ort anzusprechen und gegebenenfalls – falls das Krankenhaus dies nicht leisten kann – in Absprache mit dem Pflegeteam gegebenenfalls durch Angehörige oder Freunde zu ergänzen“, fährt Hüttmann fort, „Ansprechpartner in Krankenhäusern, sofern vorhanden, können auch Patientenfürsprecherinnen oder -sprecher sein. Generell ist es natürlich eine Selbstverständlichkeit, das Patienten im Krankenhaus im medizinischen Sinn nicht hungern sollten, und dass es sich nicht um über ein unbedenkliches Maß hinaus ‚ungesunde‘ Kost handeln sollte – beides kann sich gegebenenfalls. negativ auf Krankheitsverlauf beziehungsweise Genesung auswirken.“

„Auf Grundlage unserer Beratungserfahrung sehen wie beim Thema Krankenhausessen aber kein schwerwiegendes systemisches Problem“, so Hüttmann. „Wichtig erscheint uns aus Patientensicht, dass das Thema ‚Essen im Krankenhaus‘ in der öffentlichen Diskussion in seiner Gesamtbedeutung richtig eingeordnet wird und nicht von wichtigeren Problemlagen, die in erheblicherem Maße Patientensicherheit und Lebensqualität gefährden können, ablenkt. Wünschenswert wäre, die Aufmerksamkeit eher auf konkrete und gravierende Probleme bei der Versorgung im Krankenhaus wie beispielsweise die Überversorgung, die blutige Entlassung oder das mangelhafte Entlassmanagement zu lenken, die auch deutlich häufiger Beratungsgegenstand bei uns sind als die Beschwerde über ein zu karges Krankenhaus-Abendessen.“

„Vielleicht hat jemand gerade eine OP an den Verdauungsorganen gehabt? Oder Allergien beziehungsweise Lebensmittelunverträglichkeiten? Das Essen soll ja den Genesungsvorgang unterstützen“, berichtet Schneyinck, „Daher entscheidet über die sogenannte ‚Kostform‘ der behandelnde Arzt.“ Jeden Tag würden in den RoMed-Kliniken Verpflegungsassistentinnen zunächst die Kostform eines Patienten abfragen. Dann würden täglich morgens die Essenswünsche aus den verfügbaren Gerichten abgefragt. „Das alles wandert dann in unser System und die Software erstellt daraus zum einen den Produktionsplan, also eine Liste aller Gerichte und der benötigten Zutaten sowie einzelne, individuelle Karten für das Essen jedes Patienten.“ Die Zutaten würden dann, wie bei jeder gewerblichen Küche, in entsprechend großen Mengen eingekauft und angeliefert. Ähnlich läuft es auch in anderen Kreiskliniken der Region ab, wie diese auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilen.

Richtige Zusammenstellung und Temperaturen: Viel ist zu beachten

„Schließlich werden die Essen zubereitet. Je nach Bedarf haben wir dafür einer Großküche entsprechende Kochstationen mit großen Wannen für Saucen und Suppen bereitstehend aber wir können auch kleine Portionen herstellen“, so Schneyinck und zeigt ein Arsenal von Töpfen die von riesig bis winzig rangieren, vor. „Wir bemühen uns möglichst alle Gerichte aus frischen Zutaten direkt herzustellen. Nur bei manchen Zutaten muss man aus logistischen Gründen Kompromisse machen, indem man beispielsweise tiefgekühltes hoher Qualität verwendet oder bestimmte Mischungen hernimmt.“ So würden die Essen für bis zu 630 Patienten und bis zu 500 Mitarbeiter am Tag entstehen. „Außerdem versorgen wir noch den Standort in Bad Aibling sowie diverse weitere Einrichtungen, etwa Kindergärten, mit. Auch das Essen für die Mitarbeiterkantine entsteht hier.“

Nachdem Verpflegungsassistentinnen die Essenswünsche zusammengestellt haben, entstehen Produktionspläne (links) für einen Tag sowie Karten mit den individuellen Essen für jeden Patienten (rechts).

Schließlich werden dann die fertigen Gerichte am Fließband von den dortigen Mitarbeitern portioniert. Jedes zusammengestellte Essen wird abschließend noch einmal von einer Diätassistentin abgenommen, damit sich ja keine Fehler einschleichen. „Man kennt das ja vielleicht aus dem Alltag, vom Essen im Restaurant oder dem Lieferdienst: Eine der unangenehmsten Sachen ist, wenn die Dinge nicht die richtige Temperatur haben. Was dabei eine Unannehmlichkeit ist, kann bei der Versorgung von Menschen im Krankenhaus eine kritische Rolle spielen!, erläutert der Küchenchef, „Warme Speisen dürfen nicht unter 65 Grad und kalte nicht über 8 Grad Temperatur dargereicht werden, da sich sonst Keime im Essen bilden könnten, das ist so gesetzlich vorgeschrieben!“ Entsprechend werden die Speisen in die Temperatur regulierende beziehungsweise gekühlte oder erwärmte Behälter gegeben und auch noch auf dem Weg zum Patienten in speziellen temperaturregulierten Containern transportiert.

Essen für Krankenhauspatienten „enorme Verantwortung“

Die Einhaltung der vorgeschrieben Temperaturen sei nur eine der Dinge, die regelmäßig und unangekündigt durch die zuständigen Behörden kontrolliert werden. „Grundsätzlich wird alles beim Herstellungsprozess protokolliert. Wer hat welches Essen bekommen? Wer hat es zubereitet? Wer hat die abschließende Kontrolle übernommen? Wir haben ja eine enorme Verantwortung, dass die Patienten nicht durch das Essen zu Schaden kommen“, betont Schneyinck, „Und auch alle anderen relevanten Aspekte unterliegen genauer Dokumentation und Kontrolle, also etwa Reinigung von Arbeitsflächen und so weiter.“

Ob individuelle Spezialkost oder große Portionen: Die Küche des RoMed-Klinikums kann beides leisten.

„Nach dem Essen schließt sich dann quasi der Kreis. Zurück vom Patienten werden Speisereste einer Entsorgung in einer Biogasanlage zugeführt. Geschirr und Besteck wird in Groß-Spülananlagen gereinigt und desinfiziert. Damit nicht einmal Wasserflecken verbleiben können, gehen sie abschließend noch einmal durch eine spezielle Anlage, in der sie durch Maisschrot gleiten.“ Die etwa 65 Mitarbeiter der Küche würden ständig an ihren Stationen die Aufgaben abwechseln. „Unsere Mitarbeiter hier sind ein eingespieltes Team. Eine gute Arbeitsatmosphäre und ein gutes Zusammenspiel sind absolut entscheidend, damit die enorm durchgetaktete und gleichzeitig fordernde Arbeit richtig abläuft“, betont Schneyinck.

Eingespieltes und harmonisches Team zentral

Er selbst hat seine Kochlehre bei der Hotelgruppe „Intercontinental“ in Düsseldorf gemacht und wollte zunächst auch in dieser Branche bleiben. „Danach habe ich für etwa zwei Jahre als Koch gearbeitet und ganz schnell gemerkt: In Mengen für hunderte oder tausende von Menschen gut zu kochen ist die Herausforderung, die ich suche und nicht beispielsweise eine Laufbahn in der Sterneküche.“ Über verschiedenste Umwege sei er schließlich im Bereich der Krankenhaus-Versorgung gelandet und nun seit 2009 für das RoMed-Klinikum tätig. „Wie gesagt, auch gerade die Personalführung ist mir eine wichtige Sache. Wir können durchaus stolz sagen, dass die meisten Leute die von uns weggehen, dies beispielsweise aus familiären Gründen oder weil sie in den Ruhestand gehen tun.“

Neben den Patienten werden auch die Mitarbeiter (links) sowie externe Einrichtungen (rechts) versorgt.

Beim Rundgang durch die Küchenanlagen gewinnt man auch den Eindruck eines funktionierenden Arbeitsplatzes. Die Mitarbeiter begrüßen sich gut gelaunt, ab und zu wird auch einmal ein Scherz gemacht. Ob massive Lebensmittelcontainer herumgerollt, Großpackungen von Zutaten verarbeitet oder wuchtige Behälter voll frisch gespültem Besteck transportiert werden, überall sieht man weitestgehend reibungslose Abläufe, jeder kennt seine Laufwege und Hangriffe beziehungsweise es kommt zu keinem „Schluckauf“ im Ablauf, weil etwa Leute sich im Weg umgehen. „Wie gesagt, das kommt nicht von ungefähr. Wir bieten außerdem einen Ein-Schicht-Betrieb von 6.30 bis etwa 15.15 Uhr an, bei der Arbeitszuteilung und Urlaubsplanung achten wir auf gerechte Aufteilungen und das jeder einmal dran kommt.“

hs

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