Der gewaltsame Tod des Frater Eligius Kreitmeier
Mord in Attl: Wie das Wasserburger Theater aus dem Tatort eine Bühne macht
Vor 85 Jahren erschütterte ein blutiges Ereignis die Stiftung Attl: Frater Eligius Kreitmeier wird ermordet. Die Täter: Zwei Bewohner der Pflegeeinrichtung. Bis heute sind die Hintergründe nicht aufgeklärt. Das Theater Herwegh bringt das Verbrechen am Tatort auf die Bühne.
Von: Michael Wagner
Wasserburg/Attel - Am 11. Juni 1938 erschütterte ein blutiges Ereignis die Stiftung Attl: Ein Frater der Pflegeeinrichtung der Barmherzigen Brüder kam durch einen Stich in den Hals zu Tode. Zwei Pfleglinge, Robert Eckert (damals 24 Jahre) und Michael Sulzinger (damals 19 Jahre), wurden schon kurze Zeit später in der Attler Au verhaftet. Schließlich gestand Eckert die grausame Tat, die bis heute fast in Vergessenheit geraten ist und deren Hintergründe und Motiv nicht zur Gänze geklärt wurden.
Es war Frater Hadrian Heckner, der am Morgen des 11. Juni 1938 früher als gewöhnlich auf den Beinen war und den grausigen Fund machte. An diesem Tag hätte er einen Pflegling in die Tschechoslowakei überstellen sollen. Gegen 3.30 Uhr morgens entdeckte er den in seinem eigenen Blut liegenden Frater Eligius im Klostergebäude der Anstalt für männliche Unheilbare - am Ende eines Flurs, der nach draußen führte. Als Krankenpfleger in der Einrichtung konnte er jedoch nur noch den Tod des Mitbruders feststellen. Der Anblick, der sich ihm bot, muss entsetzlich gewesen sein: Die Blutspuren reichten vom Sofa des Speisesaales der Kranken, welches gerne von den Nachtwachen benutzt wurde, und führten über dreißig Meter den Gang entlang. Wie sich später herausstellte, war Kreitmeier an einem Stich in die linke Halsschlagader verblutet.
Die Fahndung wurde aufgenommen
Schnell stellten die Fratres im Klostergebäude auch das Fehlen zweier Pfleglinge fest, die mit der Tat in Verbindung gebracht wurden: der 24-jährige Robert Eckert und der fünf Jahre jüngere Michael Sulzinger, der wegen seiner Epilepsie in der Stiftung Attl betreut wurde. Eine Streife mit Gendarmen aus Wasserburg und Rott sowie Männern von SS und SA nahm die Fahndung auf. Insgesamt schwärmten fast dreißig Männer in drei Gruppen aus und stellten schließlich die Flüchtigen noch am Nachmittag desselben Tages in der Attler Au. Am Vormittag hatte sie dort ein Zeuge gesehen. Eine Jacke wurde gefunden. Sulzinger hatte sich ihrer entledigt und war auf einen Baum geflohen, von dem man ihn erst herunterholen musste. Beide wurden dem Gerichtsgefängnis Wasserburg überstellt.
Schon kurze Zeit später gestand der ältere der beiden, Robert Eckert, die Tat als alleiniger Täter. In den ersten Vernehmungen, die Oberstaatsanwalt Kummer im Amtsgerichtsgefängnis Wasserburg durchführte, gab er an, er habe auf den Frater schon seit längerer Zeit einen Hass gehabt, weil er von ihm schlecht behandelt worden sei. In der Nacht von Samstag auf Sonntag habe er schließlich den Entschluss gefasst, den verhassten Frater zu töten. Er sei aus seinem Zimmer, das der Nachtwache gegenüberlag, zu ihm gegangen und habe ihm nach einem kurzen Gespräch das Messer in den Hals gerammt. Daraufhin habe er diesem die Schlüssel vom Lederriemen, den der Frater um die Hüfte trug, abgeschnitten. Mit ein paar Reichsmark von dessen Nachtkästchen schloss er mit Schlüsselbund des Fraters dann den Raum auf, in dem Michael Sulzinger schlief. Ihm hatte er schon früher versprochen, gemeinsam zu fliehen.
In den Vernehmungen erklärte Eckert weiter, er könne mit ruhigem Gewissen in die Ewigkeit hinüberschauen, weil er die armen Leute von dem Frater, der sie immer schikanierte, befreit habe.
Instrumentalisierung des Falls durch Ideologie der Nationalsozialisten
Eckerts Geschichte führte ihn schon früh in die Obhut verschiedener Einrichtungen. Nach eigenen Angaben hatte sich um ihn, als er ein kleines Kind war, niemand wirklich gekümmert. Seine Mutter verstarb bereits 1917. Da war Eckert drei Jahre alt. Sein Vater starb zwei Jahre später. Mit sieben Jahren kam er in verschiedene Anstalten und Heime und war seitdem lediglich ein Jahr in Freiheit gewesen.
Die damalige Berichterstattung im „Wasserburger Anzeiger“ war geprägt von der Ideologie der Nationalsozialisten, die sich in ihrer Ideologie bestätigt fühlten. Dort hieß es in einem Artikel vom 14. Juni 1938: „Dieser traurige Fall, dem ein wertvolles Menschenleben zum Opfer gefallen ist, ein beliebter und vorbildlicher Krankenpfleger, zeigt wieder, wie recht unsere nationalsozialistische Weltanschauung mit der Verhütung des erbkranken Nachwuchses hat. Solches Untermenschentum, das wertvolle Mittel der Allgemeinheit verzehrt, die an anderer Stelle viel segensreicher angewendet werden könnten, begeht kaltschnäuzig die gemeinsten, hinterlistigsten Verbrechen und kann doch nicht zur Verantwortung gezogen werden, weil der Paragraph 51 sie schützt.“
Robert Eckert wurde vom Schwurgericht Traunstein am 18. Oktober 1938 zum Tode verurteilt. Eine Begnadigung lehnte Adolf Hitler ab. Am 20. Dezember 1938 um sechs Uhr morgens wurde er im Strafvollstreckungsgefängnis München-Stadelheim von der Hand des Scharfrichters Johann Baptist Reichhart hingerichtet.
Chronik, Theater und Podcast
Der aus dem Dachauer Land stammende Historiker Reinhard Kreitmair erstellt zum 150-jährigen Bestehen der Stiftung Attl eine Chronik und recherchierte den Fall Eckert im Staatsarchiv München. So erhielt er einen Einblick in die Akten der Staatsanwaltschaft Traunstein. „Wenn man, unabhängig vom Verhältnis von Täter und Opfer, ein Motiv suchen möchte, kann man dieses von einem Freiheitsdrang des Pfleglings herleiten und dass er sich nichts mehr sagen und vorschreiben lassen wollte. Eine Tat im Affekt scheidet aller Wahrscheinlichkeit aus“, schätzt er ein mögliches Motiv ein.
Der Wasserburger Theatermacher Jörg Herwegh hat zum Jubiläum der Einrichtung ein fiktives Drama auf der historischen Grundlage des Falls geschrieben. „Es war sofort auffällig, dass der eigentliche Mordfall sofort von den Nationalsozialisten instrumentalisiert wurde“, erklärt Herwegh sein Interesse an dem Fall. Das Theater Herwegh führt das Theater im Alten Rinderstall der Stiftung Attl vom 19. bis 29. Mai 2023 auf. Alle Infos dazu findet man unter www.stiftung.attl.de.

