Politische Ränkespiele
Mobbing in Eggstätt? Gemeinderäte erheben schwere Vorwürfe – Sondersitzung verlangt
Während die Menschen im Süden des Landkreises mit dem Hochwasser kämpften, sind Lokalpolitiker weiter im Norden mit sich selbst beschäftigt. In Eggstätt wurde jetzt eine Sondersitzung des Gemeinderates einberufen. Es geht um gegenseitige Vorwürfe und Missstände.
Eggstätt – Am 4. Juni, dem Tag nach der Hochwasser-Katastrophe im Süden, ging in der Gemeindeverwaltung Eggstätt der Antrag von acht Gemeinderäten auf Einberufung einer Sondersitzung des Gemeinderates innerhalb von 14 Tagen ein. Der Wunsch kommt nicht nur von „einfachen“ Gemeinderäten von CSU, Grünen und Überparteilichen Wählern, sondern auch von den stellvertretenden Bürgermeistern Hans Plank (CSU) und Gerhard Eder (ÜWG).
Sie haben nach dem Rückzug von Christian Glas (FBE) von April bis September 2023 die Geschicke der Gemeinde gelenkt. Am 8. Oktober wählten die Eggstätter Bürger einen neuen Bürgermeister. Doch nicht Hans Plank, den gemeinsamen Kandidaten von CSU, ÜWG und Grünen. Die meisten Bürger (54,3 Prozent) gaben Christoph Kraus (FBE) ihre Stimme. Und der scheint jetzt eine Politik zu machen, die seine Stellvertreter zum Handeln zwingt. Jetzt haben sich Bürgermeister Kraus und Verwaltungsleiter Johannes Halser den Fragen des OVB gestellt.
Was Gemeinderäten auf der Seele brennt
Herr Kraus, welche wichtigen Themen wollen die acht Antragsteller in der Sondersitzung am 18. Juni besprechen?
Christoph Kraus: Sie haben die Tagesordnungspunkte im Antrag in ihrer Reihenfolge vorgegeben: Es sind die Darstellungen im Bürgermeisterbrief, die Pressearbeit und Außendarstellung der Gemeinde, die Stellvertretung und Einbindung der weiteren Bürgermeister und die Situation in der Verwaltung.
Um welchen Bürgermeisterbrief geht es?
Christoph Kraus: Es geht wieder um mein Grußwort als Bürgermeister im Mitteilungsblatt der Gemeinde vom April 2024.
Darin stellen Sie die Probleme der Gemeinde dar, danken den Verwaltungsmitarbeitern und erst danach dem Gemeinderat. Aber das war doch schon Thema in der Sitzung vom 23. April. Wieso muss das noch einmal aufs Tableau?
Christoph Kraus: Vermutlich weil ich es abgelehnt habe, im Gemeindeblatt eine Gegendarstellung zu meinem Grußwort abzudrucken, wie es von Hans Plank gefordert wurde. Dafür gibt es aber auch keinen Grund. Zudem wurde mein Grußwort schon zweimal diskutiert, war nach der öffentlichen Debatte im Rat auch noch Thema in der nicht öffentlichen Sitzung. Danach bat Zweiter Bürgermeister Hans Plank erneut um ein Gespräch zum gleichen Thema. Das habe ich abgelehnt, weil meiner Meinung nach alles gesagt ist.
Wie laufen in Eggstätt die Geschäfte?
Die Antragsteller zweifeln „an der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ganges der Geschäfte“. Herr Halser, Sie wurden im September 2023 noch vom Zweiten Bürgermeister eingestellt. Offenbar richtet sich diese Kritik an Sie?
Johannes Halser: Ja, das habe ich auch so aufgefasst, weil diese Formulierung genau so in meiner Tätigkeitsbeschreibung steht. Es ist nicht das erste Mal, dass meine Arbeit infrage gestellt wird. Schon in der WhatsApp-Gruppe des Gemeinderates wurde ich als „wenig unterstützend und nicht schnell genug“ bezeichnet. Das tut weh, wenn man sich engagiert, um eine Gemeinde wieder in sicheres Fahrwasser zu bringen.
Christoph Kraus: Für mich grenzt es an Mobbing, wenn Mitarbeiter der Verwaltung immer wieder in Misskredit gebracht werden. Das dulde ich nicht, denn wir haben ein gutes Team, kompetente Fachleute. Alle sind extrem engagiert, um die lange Liste an Aufgaben abzuarbeiten, die über viele Jahre liegengeblieben sind. Und alle geben sich die größte Mühe, den Gemeinderat umfassend einzubinden. Beispielsweise wird jeder Gemeinderatsbeschluss gründlich vorbereitet. Am Donnerstag vor den Sitzungen bieten wir auf Wunsch des Gemeinderates eine Vorberatung an, bei der alle Tagesordnungspunkte ausführlich erläutert und vorbesprochen werden. Die Räte können sich zudem jederzeit an die Verwaltungsmitarbeiter wenden, wenn sie Fragen oder Probleme haben.
Verwaltung deckt viele Missstände auf
Die neue Verwaltung hat schon viele Missstände aufgedeckt. Allein der fehlende Brandschutz in der Grundschule, die Selbstbedienung in der Kiesgrube, die illegalen Müllablagerungen am Wertstoffhof oder die fehlenden Verträge für die Einleitung von Niederschlagswasser. Das wirft kein gutes Licht auf die Gemeinde.
Christoph Kraus: Der gute Ruf ist nicht das Maß unserer Arbeit. Grundlage der Kommunalpolitik ist Transparenz, denn eine Gemeinde lebt von den Steuergeldern ihrer Bürger. Sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, was hier los ist. Und dazu gehört es auch, über die Probleme einer Gemeinde in der Bürgerversammlung und in der öffentlichen Gemeinderatssitzung zu informieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Möglicherweise haben Ihre Stellvertreter und andere Gemeinderäte das Gefühl, dass Sie sie dafür verantwortlich machen wollen?
Christoph Kraus: Das kann ich mir nicht vorstellen, denn ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass wichtige Projekte und Probleme unserer Gemeinde seit vielen Jahren liegengeblieben sind.
Neuer Kämmerer gesucht
Die Antragsteller bringen ihre Sorge zum Ausdruck, dass sich „Kündigungen von Mitarbeitern abzeichnen“ und „keine gedeihliche Zusammenarbeit zum Wohle der Gemeinde gelebt wird“.
Christoph Kraus: Das sind nebulöse Behauptungen, mit denen ich nichts anfangen kann. Ich habe bereits in der Bürgerversammlung am 18. April darüber informiert, dass wir ab 1. Juli unser Bauamt verstärken können. Im Januar hat eine Kollegin in ihrer Probezeit aus gesundheitlichen Gründen und im gegenseitigen Einvernehmen aufgehört. Der Leiter unseres Klärwerkes wurde in der Probezeit leider abgeworben. Aber da sind wir auf einem guten Weg, einen Nachfolger zu finden. Unsere Kämmerin, die das Amt seit September 2023 innehatte, verlässt uns Ende des Monats auf eigenen Wunsch. Auch diese Stelle ist ausgeschrieben. Von „sich abzeichnenden“ weiteren Kündigungen ist mir nichts bekannt.
„Spielball politischer Ränkespiele“
Und wie ist die Stimmung im Rathaus?
Johannes Halser: Wir leben einen respektvollen Umgang. Das Klima ist gut. Noch ist die Neustrukturierung der Verwaltung im Gange. Diese hat ja schon im vergangenen Jahr unter der Ägide von Hans Plank und Gerhard Eder begonnen. Damit verbunden sind natürlich auch unbequeme Themen, beispielsweise wenn es um die Neuverteilung von Aufgaben geht. Was allerdings absolut demotiviert, ist die Behauptung der Antragsteller, dass in der Verwaltung „dringende Sachbearbeitungen verzögert werden“. Das stimmt nicht: Wir widmen uns den aktuellen Anliegen unserer Bürger und arbeiten gleichzeitig die Dringlichkeitsliste der vergangenen Jahre ab.
Christoph Kraus: Das Problem ist, dass die Mitarbeiter unserer Verwaltung zum Spielball politischer Ränkespiele werden. Das tut mir leid und ist auch äußerst peinlich, weil sich so etwas einfach nicht gehört. Ich stelle mich schützend vor meine Mannschaft. Und genau das habe ich in der Bürgerversammlung und im Bürgermeistergrußwort getan.
Vom Tisch: Dirndlzwang in der Tourist-Info
Im Dezember stand ein Antrag von CSU, Bündnis 90/Die Grünen und Drittem Bürgermeister auf „Arbeitskleidung im touristischen Bereich“ auf der Tagesordnung. War das zu dem Zeitpunkt ein Brennpunkt in der Gemeindepolitik?
Christoph Kraus: Nein. Wir versuchen seit dem 9. Oktober, eine Gemeinde, die vor schweren Problemen stand und steht, wieder auf Kurs zu bringen. Aus meiner langjährigen Erfahrung als Kämmerer übernehme ich neben dem Bürgermeisteramt auch Verwaltungsaufgaben. 2023 habe ich beispielsweise den Nachtragshaushalt erarbeitet. Jetzt habe ich zusammen mit Geschäftsleiter Johannes Halser den Haushaltsentwurf für 2024 aufgestellt. Herr Halser stand übrigens schon seit Mitte Juli 2023 der Kämmerei beratend zur Seite.
Die von Ihnen angesprochene „Dirndlpflicht“ hat der Gemeinderat übrigens nie diskutiert, weil der Antrag zurückgezogen wurde. Trotzdem hatte unsere Verwaltung Arbeit damit, weil wir den Tagesordnungspunkt natürlich gewissenhaft vorbereitet haben und unter anderem in benachbarten Gemeinden wie Bernau, Prien oder Aschau nachgefragt haben, wie das Thema „Arbeitskleidung“ dort gehandhabt wird.
Ihre Stellvertreter werfen Ihnen vor, dass Sie diese nicht einbinden, wenn Sie abwesend sind.
Christoph Kraus: Wenn ich Urlaubsreisen antrete, binde ich den Zweiten und Dritten Bürgermeister immer ein. Habe ich nur ein paar Tage frei, bin vor Ort und damit im Notfall greifbar, ist das nicht erforderlich.
Diese Sondersitzung vermittelt den Eindruck, als habe Eggstätt keine wirklichen Probleme. Warum wird die Aussprache in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung geführt und nicht intern am runden Tisch, möglicherweise sogar mit einem Mediator?
Johannes Halser: Das ist nicht möglich, da es sich um einen offiziellen Antrag von mehr als einem Viertel der Gemeinderäte handelt. Dieser muss in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung behandelt werden.
E-Mails werden nicht beantwortet
Die Antragsteller behaupten, dass sie mehrfach um „eine Aussprache zu dieser Situation“ gebeten hätten, und der Bürgermeister darauf nicht reagiert habe.
Christoph Kraus: Das stimmt nicht. Bei der Bitte um Gespräche ging es nur um das Bürgermeistergrußwort.
Johannes Halser: Wir versuchen auch zwischen den Sitzungen, mit den Gemeinderäten bestimmte Vorgehensweisen abzustimmen. Da alle berufstätig sind, bitte ich per E-Mail um Rücksprache. Bisher hat sich der Zweite Bürgermeister hinsichtlich der Vorgehensweise zur Nachbesetzung der Kämmerei nicht gemeldet. Die vom Rat gewünschte Kommunikation per WhatsApp ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.
Angemerkt wird von den Antragstellern auch, dass es einen Beraterwechsel in einer Rechtsangelegenheit gab.
Christoph Kraus: Da uns auch keine ausführlicheren Informationen als der Antrag selbst vorliegen, können wir nur mutmaßen. Wir haben gegenwärtig nur eine Rechtssache. Dafür haben wir die anwaltliche Vertretung neu beauftragt, und zwar nicht zu Extrakosten, sondern auf Grundlage unserer Rechtsschutzversicherung. Dabei geht es um die Beauftragung eines Headhunters noch zu Zeiten meines Amtsvorgängers, für die es keinen Gemeinderatsbeschluss gab.
Rücktritt für den Neuanfang?
Seitdem Sie Bürgermeister sind, werden Ihnen und der Verwaltung immer wieder Steine in den Weg gelegt. Warum werfen Sie nicht den Hut in den Ring und machen den Weg für Neuwahlen frei?
Christoph Kraus: Dafür gibt es keinen Grund. Die Mehrheit der Eggstätter Bürger hat mir in einer demokratischen Wahl den Auftrag erteilt, die Gemeinde vorwärtszubringen. Ich glaube, dass sich unsere Bürger wünschen, dass wir die Missstände schnellstens beheben und uns endlich in Ruhe den Sachthemen widmen können. Sie sind diese politischen Ränkespiele leid.