Seelsorger schwer belastet: Stimmen aus der Region
„Ich kann die Wut nachvollziehen“: Entsetzte Reaktionen auf Missbrauchsskandal in Rosenheim
Die schrecklichen Taten von Krankenhausseelsorger Rudolf Greihansel ziehen allerhand Reaktionen auf sich. Rosenheimer Pfarrer zeigen sich erschüttert und auch im Romed Klinkum ist man entsetzt.
Rosenheim - „Es geht um Greihansel, oder?“ sagt Pfarrer Sebastian Heindl am Telefon, noch bevor man den Anlass nennt. „Wir waren alle entsetzt“, sagt er und fügt hinzu: „Da kann man ja auch nur entsetzt sein.“ Im „Fall 26“ des Missbrauchsgutachtens geht es, wie am Dienstag, 21. März, bekannt wurde, um den Rosenheimer Krankenhausseelsorger Rudolf Kassian Greihansel, der seit Mitte der 60er Jahre in Rosenheim tätig war. Bevor er in die Region kam, war er bereits in 14 Fällen wegen „schwerer und fortgesetzter Unzucht mit Minderjährigen“ verurteilt worden. Die Opfer waren 10 bis 13 Jahre alt, in einem Fall gab es 50 Übergriffe. Und auch in Rosenheim soll er Ministranten missbraucht haben.
Ein komischer Typ, nicht ganz sauber
Heindl kannte Greihansel nur vom Sehen, er war bereits im Ruhestand. Und Heindl gibt zu: „Es gab Gerüchte.“ Die seien allerdings nicht so eindeutig gewesen, ein komischer Typ sei Kassian, nicht ganz sauber. Das reicht natürlich nicht, um jemanden zu melden oder überhaupt, den Verdacht zu äußern, dass der Mann Kinder missbraucht.
Im Romed Klinikum, wo Greihansel sogar die damalige Kapelle nach seinem Namenspatron benannte, herrscht ebenfalls Entsetzen. „Insbesondere die offen gelegten Vorfälle hier in Rosenheim machen uns alle sehr betroffen“, erklärt RoMed-Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram. Nicht auszuschließen sei, dass der Seelsorger auch Kontakt zu Kindern hatte. Seine Tätigkeit beschränkte sich nicht auf bestimmte Patientengruppen. Von Übergriffen gegenüber (jungen) Patienten ist nichts bekannt.
Jedem Verdacht, jedem Hinweis nachgehen
Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung sei internen Notizen zu entnehmen, dass das Erzbistum die Klinikleitung informiert hätte. Ein solcher Vermerk lasse sich nicht mehr auffinden, Deerberg-Wittram erklärte dazu: „Ob die damalige Klinikleitung Informationen hatte, ist nicht mehr nachvollziehbar.“ Für den Klinikleiter bleibt nur die Hoffnung, „dass sich Missbrauchsopfer nach den jetzigen Aufklärungsarbeiten und der öffentlichen Berichterstattung ermutigen lassen, sich an Betroffenenstellen oder die Justiz zu wenden.“
Auch Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März forderte weitere Ermittlungen: „Ich halte es für dringend geboten, dass die Staatsanwaltschaft jedem Verdacht und jedem Hinweis nachgeht, um die Vorgänge möglichst vollständig aufzuklären.“ Er sei tief erschüttert, über „ die jetzt bekanntgewordenen widerlichen Übergriffe, die ein Geistlicher an unserem Klinikum und in unserer Stadt an Minderjährigen verübt hat.“
Rosenheims ehemaliger Dekan Daniel Reichel erklärt gegenüber dem OVB: „Jedesmal, wenn so etwas bekannt wird, ist es von neuem schlimm. Man weiß von dem Leid, das da entsteht, man spürt die Wut, die da aufkommt, auch bei mir. Und ich kann die Wut nachvollziehen. So geht es vielen, die davon hören und die der Kirche verbunden sind.“ Reichel spricht von einem schmerzlichen Lernprozess: „Es ist ein großer Wille da, Licht ins Dunkel zu bringen. Viel zu lange haben wir zu viel versäumt. Aber seit einigen Jahren ist ein guter Wille zu erkennen.“ Reichel weist in diesem Zusammenhang auf die neutrale Stelle hin, an die sich Betroffene wenden können oder Menschen, die Hinweise geben könne.
„So etwas darf nie wieder verdunkelt werden“
Hannelore Maurer, Gemeindereferentin in St. Nikolaus, ist es an der Zeit grundlegend etwas zu ändern: „ So etwas darf nie wieder verdunkelt werden und es wird umso mehr klar, dass die Kirche in vielen Bereichen eine ziemliche Erneuerung braucht“, erklärt sie gegenüber dem OVB. Es mache sie „wütend, dass dieser Fall jetzt wieder zurückfällt auf all die Seelsorger und Seelsorgerinnen, die redlich ihre Arbeit tun.“ Viele Bürger erzählten ihr, dass „Pater Kassian ein unermüdlicher Krankenhausseelsorger war, der ganze Nächte an Kranken- und Sterbebetten ausgeharrt und viel Trost gespendet hat.“ Aber die Vorwürfe seien alles andere als haltlos, sondern „furchtbar und erschreckend.“
Das Erzbistum verwies, wie auch Reichel, auf die unabhängigen Stellen hin, an die sich Betroffene wenden können. Allen Pfarreien, in denen es Hinweise auf Missbrauch gibt, „wird von der Erzdiözese Unterstützung angeboten, wenn dies gewünscht ist. Dies beinhaltet auch die Vermittlung der Hilfe von externen Experten wie Psychologen oder Supervisoren.“ Weiter wollte man sich bis Redaktionsschluss nicht äußern.