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36-Jährige ist Mitglied von „Funeral Pile“ aus dem Mangfalltal

Musik gegen Kriegs-Grauen: Alina Kuzmenko trommelt für ihre ukrainische Heimat

Zeigen Flagge für die Ukraine: die Musiker der Metal-Band „Funeral Pile“ aus dem Mangfalltal. Zur fünfköpfigen Band gehört auch Alina Kuzmenko aus Kyjiw, hier neben ihren Bandkollegen Matthias Riedl (links) und Martin Schirmann. Die Schlagzeugerin war zwei Tage nach Beginn des russischen Angriffkriegs nach München geflohen.
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Zeigen Flagge für die Ukraine: die Musiker der Metal-Band „Funeral Pile“ aus dem Mangfalltal. Zur fünfköpfigen Band gehört auch Alina Kuzmenko aus Kyjiw, hier neben ihren Bandkollegen Matthias Riedl (links) und Martin Schirmann. Die Schlagzeugerin war zwei Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs nach München geflohen.

Sie lebt in München, doch ihr Herz ist bei ihren Landsleuten in der Ukraine. Zwei Tage nach Ausbruch des Krieges ist Alina Kuzmenko geflohen. Als Schlagzeugerin der Band „Funeral Pile“ aus dem Mangfalltal findet sie Ablenkung – und die Möglichkeit, ihrem Land zu helfen.

Bruckmühl/Bad Aibling/München/Kyjiw – Wenn Alina Kuzmenko (36) aus München morgens aufwacht, geht ihr erster Griff zum Smartphone. Nicht, weil sie das Wetter checken oder lustige Videos ansehen will. Sondern, weil sie sichergehen will, dass Freunde und Verwandte aus ihrer Heimat, der Ukraine, einen weiteren Tag des russischen Angriffskriegs überlebt haben.

Sie selbst ist zwei Tage nach dem vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlenen Überfall auf die Ukraine aus der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw nach München geflohen. Doch während ihr Körper in München ist, sind Kopf, Herz und Gedanken nahezu rund um die Uhr in ihrer Heimat. Kurzzeitig abschalten kann sie nur, wenn sie als Schlagzeugerin der Metal-Band „Funeral Pile“ aus dem Mangfalltal den Takt vorgibt. „Das ist einer der wenigen Momente der Freude, die ich habe“, sagt die 36-Jährige, die mit der Band im April bei einem Konzert zugunsten der Ukraine auftreten wird.

24. Februar 2022: Eine Wendetag im Leben von Alina Kuzmenko

Der 24. Februar 2022 – ein Wendetag im Leben von Alina Kuzmenko. In den frühen Morgenstunden hatten russische Streitkräfte in kriegerischer Absicht die Grenzen zur Ukraine überwunden, gegen 15 Uhr heulten dann erstmals auch die Sirenen für den Luftalarm in Kuzmenkos Heimatstadt Kyjiw. „Ich hatte schreckliche Angst“, erinnert sich die 36-Jährige an die dramatischen Stunden zurück, die sie ein Leben lang begleiten werden.

Zumal noch im Lauf des 25. Februars die ukrainische Hauptstadt bombardiert worden war und russische Truppen aus Norden kommend bis rund 30 Kilometer an die Tore der Stadt herangerückt waren. Für Kuzmenko höchste Zeit, die Flucht zu ergreifen, wobei ihr letztlich ihr Beruf als Software-Entwicklerin in die Hände spielte. Denn ihr Arbeitgeber, der auch einen Sitz in München hatte, bot Kuzmenko an, in die bayerische Landeshauptstadt zu kommen und von dort aus zu arbeiten.

Auswärtiges Amt verwendet neue Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt

Kyjiw statt Kiew: Das Auswärtige Amt hat seine Bezeichnung der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf die ukrainische Transkription Kyjiw geändert. „Was für viele schon länger gängige Praxis ist, ändert sich nun auch im ,Länderverzeichnis für den amtlichen Gebrauch‘. Damit wird jetzt im deutschen Amtsverkehr die ukrainische Schreibweise für Kyjiw verwendet“, teilte das Außenamt Ende Februar auf der Plattform X (früher Twitter) mit. „Das Länderverzeichnis ist maßgeblich für
Behörden und wird von Unternehmen sowie von vielen anderen verwendet.“ Die Schreibweisen auf Internetseiten, Botschaftsschild und Dienstsiegeln werden demnach nun nach und nach umgestellt, wie die Presseagentur dpa berichtet.
Die Schreibweise Kiew geht auf die russische Bezeichnung zurück. Im Duden ist neben der ursprünglichen Bezeichnung Kiew nun auch Kyjiw als mögliche Schreibweise zu finden.

So machte sich die junge Frau gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Katze nur zwei Tage nach dem Überfall Russlands auf den Weg in Richtung Westen. „Viele haben versucht, in Richtung Grenze zu fliehen, weshalb unglaublich viel auf den Straßen los war“, erinnert sich die junge Frau zurück, die aber letztlich unbeschadet die Grenze passieren konnte und schließlich nach stundenlanger Reise München erreichte. Ihr Vater hingegen, zu dem sie nach eigenen Angaben aber wenig Kontakt hat, befindet sich heute in der Ukraine.

Seit zwei Jahren lebt die 36-Jährige nun im Münchner Stadtteil Giesing – und hat in dieser Zeit Oberbayern und seine Menschen ins Herz geschlossen. „Ich liebe München wegen seiner Parks und der Isar, Bayern wegen seiner wunderschönen Seen, Berge und Wälder“, sagt die Software-Entwicklerin, die froh ist, dass sie gemeinsam mit ihrer Mutter hier herkommen konnte, denn: „Sie ist hier in Sicherheit und hat viele Freundinnen gefunden.“

„Ich fühle mich wirklich wohl hier – aber ist nicht mein Zuhause“

Und dennoch: Das Herz der sympathischen Frau ist weiterhin in der heftig umkämpften Heimat. „Ich fühle mich wirklich wohl hier und habe hier nur Menschen getroffen, die offen, freundlich, nett und locker sind. Aber es ist einfach nicht mein Zuhause.“ Vor allem die immense Angst um ihre Freunde und Verwandte machen der jungen Frau fast rund um die Uhr zu schaffen.

„Ich habe starke Gefühle für alle Menschen entwickelt, die ich in der Ukraine kenne und mit denen ich die gleichen Werte teile, die mein Land beschützen oder ihr Bestes tun, um die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen“, sagt die gebürtige Kyjiwerin. In Deutschland hingegen müsse sie Menschen, die pazifistisch eingestellt sind, immer wieder erklären, welche Verbrechen seitens Russland begangen werden. Wobei sie nicht nur Putin an den Pranger stellt, sondern auch die schweigende Mehrheit in Russland: „Sie alle sind für all die Toten und die Zerstörung mitverantwortlich.“

Treten am 21. April 2024 in München bei einem Konzert zugunsten der Ukraine auf: die Metal-Band „Funeral Pile“, bestehend aus (von links) Ralf Gröger, Alina Kuzmenko, Matthias Riedl, Annike Schirmann und Martin Schirmann.

Doch wie kann Kuzmenko mit dieser ständigen Angst um ihre Freunde, ihr Land und das ganze ukrainische Volk den Alltag bewältigen? „Die Musik hilft mir dabei“, sagt die 36-Jährige, die bereits in Kyjiw als Schlagzeugerin bei einer Metal-Band im Einsatz war. „Wenn ich Musik mache, kann ich die ganzen Sorgen wirklich kurzzeitig vergessen.“ So war es für sie mehr als eine glückliche Fügung, als sie auf einem Metal-Konzert in München einen Veranstalter kennenlernte, der wiederum den Kontakt zur Band „Funeral Pile“ aus dem Mangfalltal herstellte.

Zahlreiche Anfragen für Live-Auftritte

„Wir hatten ,Funeral Pile‘ eigentlich als Heim-Projekt geplant und das Schlagzeug zunächst am Computer dazugemischt“, erzählt Martin Schirmann (45) aus Bad Aibling, der bei „Funeral Pile“ am Bass zu hören ist. „Wir haben dann aber immer mehr Anfragen für Live-Auftritte bekommen, die wir aber absagen mussten, weil wir ja keinen Schlagzeuger hatten.“ Bis eben Alina Kuzmenko zur Band stieß, zu der außerdem Schirmanns Frau Annike (36, Gitarre), Matthias Riedl (36, Gesang) aus Bruckmühl und Ralf Gröger (36, Gitarre) gehören.

In ihrer neuen Schlagzeugerin haben die vier Mangfalltaler mittlerweile nicht nur eine musikalische Partnerin und gute Freundin gefunden, sondern auch eine Frau, die sie jeden Tag daran erinnert, „wie wichtige Freiheit“ ist, wie Sänger Riedl betont. „Jeder von uns hat Familie und kleine Kinder“, ergänzt Schirmann. „Daher ist es auch so wichtig, dass die Leute diesen Eroberungskrieg in der Ukraine nicht aus den Augen verlieren.“

Für die Band stand es daher auch außer Frage, dass der Kampf der Ukraine gegen Russland dringend unterstützt werden muss – beispielsweise durch Spendensammlungen bei den Konzerten zugunsten der Organisation „Come back alive“, die die Verteidigung des Landes in verschiedener Weise unterstützt. Auch die Teilnahme an einem Charity-Konzert im Münchner Backstage am Sonntag, 21.. April 2024, ist für die Musiker daher eine Selbstverständlichkeit.

„Funeral Pile“ treten am 21. April 2024 bei Charity-Konzert für die Ukraine auf

Ursprünglich im Jahr 2008 gegründet, danach aber relativ schnell wieder in der Versenkung verschwunden, wurde die Band „Funeral Pile“ Anfang 2020 erneut im Mangfalltal aus der Taufe gehoben. Seit September 2022 besteht die Band, die ihre Songs selbst schreibt und nach eigenen Angaben „Elemente aus epischem Doom Metal, melodischem (Post-)Black Metal und halsbrecherischem Old-School-Death-Metal“ vereint, aus Matthias Riedl (Gesang), Annike Schirmann (Gitarre), Ralf Gröger (Gitarre), Martin Schirmann (Bass) und Alina Kuzmenko (Schlagzeug).

In ihren Texten setzen sich „Funeral Pile“ nach Angaben von Riedl mit vielen „ungemütlichen Themen“ auseinander, auch mit dem Thema Krieg, wenn auch nicht mit dem russischen Angriff auf die Ukraine, da „die Songs unseres neuen Albums schon vor dem Krieg entstanden sind“. Dass düstere Gedanken ihr ganzes Leben bestimmen würden, von diesen Vorurteilen will der Metaler Riedl aber nichts wissen: „Wir sind ja alle Familienväter – und tragen ganz viel Liebe in uns.“

Am Sonntag, 21. April 2024, wird „Funeral Pile“ beim Konzert „Eternal Flames of Ukrainian Resistance“ im Münchner Backstage auftreten. Zu diesem Event haben neben „Funeral Pile“ aus dem Mangfalltal und Kyjiw auch die Bands „1914“ aus Lemberg (Lwiw), „White Ward“ aus Odessa und „Three Eyes Of The Void“ aus Kyjiw und Danzig zugesagt.

Wobei Martin Schirmann hofft, dass gerade die ukrainischen Bands trotz des verhängten Ausreisestopps für wehrpflichtige Männer die Erlaubnis zur Anreise bekommen, denn: „Das ist meiner Meinung nach ganz wichtig, denn die haben ja eine wertvolle Botschaft, die sie mitbringen.“ Fünf Euro pro Ticket für das Konzert werden für die Ukraine-Hilfe gespendet. „Welche Organisationen unterstützt werden, wird aktuell noch mit den Bands abgesprochen“, teilte ein Backstage-Sprecher auf OVB-Anfrage mit.

Unterstützung, die für Kuzmenko dringend notwendig ist. „Ich bin wahnsinnig dankbar für das, was Deutschland, Europa und die USA bislang für die Ukraine getan haben“, sagt die 36-Jährige, die aber auch deutlich sagt: „Es reicht aber bei Weitem nicht aus.“ Daher gäbe es aus ihrer Sicht in der aktuellen Diskussion um weitere Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine nur eine richtige Antwort. Kuzmenko: „Wir brauchen diese Langstrecken-Raketen, wir brauchen Taurus, um uns verteidigen zu können.“

Mehrmals Luftalarm beim Heimatbesuch in Lwiw

Denn nur so könne Wirklichkeit werden, dass die Ukrainer irgendwann wieder ein freies, selbst bestimmtes Leben ohne russische Vorherrschaft führen können. Wie belastend das Leben für ihre Landsleute derzeit ist, hat die 36-Jährige im Herbst 2023 am eigenen Leib erfahren, als sie erstmals seit ihrer Flucht wieder in die Heimat zurückgekehrt war. In Lwiw (Lemberg), das im vergleichsweise sicheren Westen der Ukraine liegt, habe sie zehn Tage lang Freunde besucht, wobei ihr beim Überqueren der Grenze „nur noch die Tränen geflossen“ seien. Vor Ort habe sie dann mehrmals Luftalarm miterlebt. „Du gehst nur noch vollständig angezogen ins Bett, damit Du sofort loslaufen kannst“, schildert die 36-Jährige, unter welchen Rahmenbedingungen die Ukrainer seit mehr als zwei Jahren leben.

Alina Kuzmenko: „Wir haben bereits so viele großartige Menschen verloren!“

Doch hat die Metal-Schlagzeugerin überhaupt Hoffnung, dass die Ukraine den Krieg gegen das übermächtig scheinende Russland gewinnen kann? „Gewinnen ist für mich das falsche Wort“, sagt die 36-Jährige. „Wir haben bereits so viele großartige Menschen verloren, so viele Soldaten und Soldatinnen haben ihre Gliedmaßen und ihre Gesundheit verloren, so viele Städte wurden von den Russen bis auf die Grundmauern zerstört, dass man im Falle eines Sieges die Ukraine nicht als Gewinner bezeichnen könnte.“ Zumal es ist schwerfalle, an einen Sieg ihres Heimatlandes zu glauben, auch wenn „alles andere keine Option ist, die ich mir vorstellen kann“.

Und wenn der sehnlichste Wunsch, Frieden in einer weiterhin freien Ukraine dann doch Wirklichkeit wird? Dann weiß Alina Kuzmenko schon heute ganz genau, was sie dann als Erstes machen will: „Wenn Russland besiegt ist und ich nach Hause zurückkehren kann, dann möchte ich meine Großfamilie versammeln, alle meine engen Freunde sehen, zu jedem Konzert in der Region gehen, und gemeinsam mit allen, die ich kenne, feiern.“

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