Das erwartet Patienten beim Streiktag am 14. Juni
„Absolute Frechheit!“: Was bei den Apothekern im Mangfalltal für so viel Frust sorgt
Der bundesweite Protesttag macht den Ernst der Lage deutlich: Auch im Mangfalltal reden die Apotheker im Vorfeld Klartext und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund. Doch wer beteiligt sich alles am Streik und was bedeutet das für die Patienten?
Mangfalltal – Am Mittwoch, 14. Juni, streiken die Apotheken und fordern damit vor allem höhere Honorare. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte diese Forderungen der Apothekerverbände auch aufgrund gekürzter Mittel zurückgewiesen. Doch die Lage ist ernst, die Anzahl der Apotheken in Deutschland schrumpft unaufhörlich. Die Situation ist dementsprechend auch im Mangfalltal angespannt, wo der Protesttag ebenfalls auf die missliche Lage aufmerksam machen soll.
Am Streik beteiligt ist die Sebastian Apotheke in Bad Aibling. Inhaber Mathias Schmid glaubt nicht, dass die Notfallapotheken an diesem Tag überflutet werden, da sich die Kunden auf den Protesttag einstellen konnten. „Klar kann es sein, dass man mal etwas warten muss, aber insgesamt sehe ich für Patienten keine Gefahr“, so Schmid. Für den 46-Jährigen sei der Tag, an dem die Apotheken streiken, ein wichtiges Zeichen, um die Probleme sichtbar zu machen. Denn: „Die Stimmung ist in der Branche schon angespannt, der Spaß am Beruf geht für einige immer mehr verloren.“
Rahmenbedingungen werden immer schlechter
Zwar sei man selbst in der glücklichen Lage, von manchen Problemen, wie etwa dem Fachkräftemangel, nicht so stark betroffen zu sein. „Die Rahmenbedingungen werden insgesamt aber immer schlechter“, betont der Apotheker. Unmengen an Bürokratie, erschwerte Zusammenarbeit mit Krankenkassen, voranschreitende Digitalisierung, die grundsätzlich zwar wichtig sei, in einigen Bereichen aber „auf Teufel komm raus“ umgesetzt werden müsse. Vielmehr brauche man ein Arbeitsumfeld, in dem es um die Fürsorge für die Patienten geht – und nicht darum, wirtschaftlichen Zwängen erliegen zu müssen.
Laut Schmid sei das Arzneimittel ein besonderes Gut, das geschützt werden müsse und das nicht wie ein T-Shirt austauschbar sei. Man erlebe große Engpässe bei vielen Medikamenten, was in einigen Bereichen gerade bei Patienten zu Nervosität führt. „Wir stellen in unserem Labor relativ viele Mittel selber her, von daher können wir da noch einiges abfedern. Aber das geht natürlich nicht überall“, betont Schmid.
„Wenn ein Kind wegen eines fehlenden Antibiotikasaftes stirbt, braucht bei der Krankenkasse keiner den Kopf hinhalten.“
Neben der vielen Lieferschwierigkeiten sei ein weiteres Problem, dass seitens der Politik nur sehr kurzfristig geplant werde. „Wenn gerade mal alle Strukturen darauf ausgelegt wurden, verändert sich plötzlich wieder alles.“ Auch das führe dazu, dass es immer weniger Apotheken gibt und Menschen in manchen Gemeinden weite Wege auf sich nehmen müssten. „In Bad Aibling haben wir eine wahninnig gute Versorgung. In anderen Ortschaften, etwa in Feldkirchen, gibt es aber gar keine Apotheke mehr.“ Und die insgesamt erschwerten Rahmenbedingungen führten logischerweise nicht dazu, dass immer mehr junge Menschen den Beruf des Apothekers ergreifen möchten, erklärt Schmid. Wie ihm geht es auch seiner Frau Claudia Schmid, die die Sebastian Apotheke in Bruckmühl leitet. Auch dort wird man am Mittwoch nicht öffnen.
Apotheker empört: „Das zerreißt einen bald“
Und dass die Stimmung schlecht und die Situation angespannt ist, wird auch im Gespräch mit weiteren Apothekern, etwa mit Gerhard Kiemer deutlich. „Das zerreißt einen bald“, sagt der Inhaber der Marien-Apotheke in Ostermünchen und spricht dabei nicht nur den großen Medikamentenmangel an, der sich etwa durch das Fehlen von Antibiotikasäften für Kinder dramatisch äußere. „Alleine bei uns sind 300 Posten nicht lieferbar“, sagt Kiemer. Diese fehlenden Medikamente könne man zum Großteil zwar noch mit anderen ersetzen. Aber: „Im Grunde genommen bekommt der Patient jedes Mal was anderes, was gerade bei älteren Menschen zu Unsicherheit führt und wir müssen immer mehr erklären.“ Dieser Mehraufwand reihe sich in einer endlos wachsenden Aufgabenliste ein, die vor allem der Bürokratie geschuldet sei. „Wir haben viel mehr Arbeit bei gekürzten Honoraren“, bringt Kiemer das Problem auf den Punkt.
Kritik richtet sich an Politik und die Krankenkassen
Seine Kritik zielt dabei in Richtung Politik und Krankenkassen. Letztere würden sich „Unmögliches“ einfallen lassen, um den Apotheken das Leben schwer zu machen. Dabei berichtet Kiemer etwa von regelmäßig erforderlichen Nachweisen, bei denen man die vorhandenen Apotheken-Räume fotodokumentieren müsse. „Es ist unnötig wie ein Kropf, dass ich alle zwei Jahre nachweisen muss, dass der Behandlungsraum eine Decke hat“, empört sich der 65-Jährige. All dies koste neben der eigentlichen Arbeit viel Zeit und Geld. Auch würden sich Krankenkassen bei kleinsten Formfehlern weigern, zu zahlen. Und das Schlimmste: „Wenn ein Kind wegen eines fehlenden Antibiotikasaftes stirbt, braucht bei der Krankenkasse keiner den Kopf hinhalten.“ Apotheker hingegen stünden dann schon mit einem Bein im Gefängnis. Es gehe immer ums Geld. Und dieses sei für „Bürosesselaufwärmer“ reichlich vorhanden – nicht aber für Apotheken, geschweige denn für Kindermedikamente, macht Kiemer seinem Ärger Luft.
Und die Politik? Diese verhalte sich in der Situation durchweg realitätsfern. „Die Aussage, die Versorgung sei ‚momentan‘ gesichert, ist eine Frechheit und zeugt von maßgeblicher Ignoranz, Arroganz und Inkompetenz.“ Klar sei: Der Staat sei durch die 19 Prozent Mehrwertsteuer der größte Verdiener an den verkauften Medikamenten. Für Apotheken fehlten hingegen weitere Mittel. „Noch merken zahlreiche Patienten vieles nicht, weil das System läuft, indem wir uns Arme und Beine ausreißen.“ Wenn jedoch Apotheken schließen und die eigene Gemeinde keine Filiale mehr hat, würden die Auswirkungen spürbar, so Kiemer. Und auch er selbst erlebt mit 65-Jahren den Fachkräftemangel hautnah mit. „Wir suchen einen Nachfolger, um die Apotheke zu erhalten. Denn ewig kann ich das nicht mehr machen.“
Wer versorgt Patienten am Streiktag?
Auch in Kolbermoor bleiben am Mittwoch alle Apotheke geschlossen. „Die bekannten Probleme betreffen alle Apotheken, nur in unterschiedlicher Ausprägung“, erklärt Florian Nagele, Inhaber der Mangfall-Apotheke auf Nachfrage. Hinsichtlich des Fachkräftemangels habe man derzeit zwar das Glück, „eine gute personelle Besetzung zu haben. Als wir jedoch vor einem Jahr das letzte Mal auf Personalsuche waren, mussten wir über ein halbes Jahr suchen, bis wir Unterstützung finden konnten“, so Nagele. Für alle Interessierten weist er auf den gemeinsamen Info-Stand der Apotheken aus Stadt und Landkreis in Rosenheim hin, der am Mittwoch am Eingang zur Rosenheimer Fußgängerzone aufgebaut werde und der über die Lage und Anliegen der Apothekerschaft aufklären soll.
Klar ist: Kritik und Sorgen einen die Apotheken in der Region. Laut dem Aiblinger Apotheker Mathias Schmid, der die Koordination im Mangfalltal übernommen hat, dürften sich hier alle Kollegen am Protest beteiligen. Das bestätigten auf OVB-Nachfrage unter anderem auch die Kur-Apotheke in Bad Feilnbach, die Sonnen-Apotheke in Feldkirchen-Westerham oder die Mangfall-Apotheke in Bruckmühl. Notdienst, wie sonst üblich an Sonn- und Feiertagen, übernimmt an diesem Mittwoch die Marien-Apotheke in Bruckmühl. Sie hat ab 8 Uhr bis zum 15. Juni, 8 Uhr, geöffnet.

