Einmal im Jahr probt Bauhof den Ernstfall
„Löcher“ im Hochwasser-Schutz? Wie Kolbermoor die Schotten dicht macht
„Schotten dicht“ hieß es jetzt am Mangfallufer in Kolbermoor. Blitzschnell baute der Bauhof am Alten Friedhof einen mobilen Damm auf, denn einmal im Jahr wird der Ernstfall geprobt. Was dahinter steckt, und warum der Hochwasserschutz dort ein „Loch“ hat.
Kolbermoor – Aus der Blechlawine, die sich am Morgen entlang der Ludwigstraße durch Kolbermoor wälzt, gehen überraschte Blicke zum Mangfallufer. Mitarbeiter des Bauhofes machen am Alten Friedhof „die Schotten dicht“. Doch wird diesmal keine Mangfallflut erwartet, sondern lediglich ein Mehr an Erfahrungen.
Im Ernstfall muss jeder Handgriff sitzen
Einmal im Jahr rückt der Bauhof zur „Katastrophenschutzübung“ aus, denn jeder Handgriff muss sitzen, wenn im Ernstfall die mobilen Hochwasserschutzdämme an der Mangfall gebraucht werden. Dann werden die Aluminium-Dammbalken aus dem Lager am Alten Friedhof geholt und dort montiert, wo bewusst Lücken im System der Spundwände gelassen wurden – beispielsweise am Alten Friedhof, Schwarzen Weg und Karl-Daniel-Park sowie am Schwimmbad und in der Brünnsteinstraße.
16 Millionen Euro für den Schutz der Stadt
Nach dem Hochwasser 2013 investierten Freistaat Bayern und Stadt Kolbermoor insgesamt 16 Millionen Euro in Hochwasserschutzmaßnahmen. Allein die Sicherung der Mangfallufer im Innenstadtbereich vom Spinnereiwehr bis zur Stadtgrenze von Rosenheim kostete nach Informationen des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim etwa 9,15 Millionen Euro. Beidseits des Flusses wurden Spundwände eingebracht. In einem Teilabschnitt an der Brückenstraße mussten aus statischen Gründen Betonwände auf Bohrpfählen errichtet werden.
2015 wurde für die Gestaltung der Spundwände eine Bürgerbeteiligung durchgeführt. Ein Ergebnis war der Wunsch, diese mit Betonfertigteilen abzudecken, der bis Herbst 2020 umgesetzt wurde. In einigen Bereichen wurde auch eine Stahlabdeckung installiert.
Die Bürger machten aber auch deutlich, dass trotz der Gefahr ein Leben am Fluss und ein Zugang zur Mangfall möglich sein sollte. Deshalb wurde beispielsweise am Spielplatz am Karl-Daniels-Platz eine Öffnung in der Hochwasserschutzwand gelassen. Über Treppen ist der beliebte Platz am Mangfallufer also weiterhin zugänglich und verschwindet nur im Ernstfall hinter einer mobilen Mauer.
Im Bereich des Alten Friedhofs wurde auf der Wasserseite des Weges eine auf Bohrpfählen gegründete Betonmauer errichtet. Außerdem entstanden am Friedhofsvorplatz Sitzstufen an der Mangfallböschung. Im Hochwasserfall wird auch dieser Bereich mit mobilen Elementen geschlossen. Und genau das trainierte Franz Draxinger vom Kolbermoorer Bauhof nun mit seinem Team in der „Katschutzübung“.
Einfaches System schnell montiert
Im Handumdrehen waren die Standsäulen im Boden verankert und die Aluminiumprofile zwischen den Pfeilern eingestapelt. „Die Teile mit Schwammbelag kommen als Bodendichtung nach unten, die Gumminaht der Dammbalken ist immer oben“, erinnerte Draxinger an die richtige Montage. Mit Spannstücken festgezurrt, war der 1,10 Meter hohe Schutzwall innerhalb kurzer Zeit stabil. Nach anderthalb Stunden meldet der Bauhof Vollzug. Alle Lücken in der Hochwasserspundwand beidseits der Mangfall waren geschlossen. Die Handgriffe sitzen wieder. Dann durften die Männer das ganze Prozedere noch einmal „rückwärts“ üben.
Weitere Öffnungen der Spundwand sind für die Bewirtschaftung der Uferböschung der Mangfall und eventuelle Rettungseinsätze am Fluss erforderlich. Eine ist mit einer mobilen Spundwand dauerhaft verschlossen und wird nur im Bedarfsfall geöffnet. Die anderen werden im Ernstfall ebenfalls vom Bauhof mit mobilen Systemen gesichert.
Feuertaufe bei Hochwasser 2020
Der Wasserstand der Mangfall in Feldolling ist für die Orte am weiteren Flusslauf entscheidend. Liegt er im Normalfall bei etwa 0,50 Metern, stieg er beim verheerenden Hochwasser im Juni 2013 auf 3,25 Meter. Nach diesem Ereignis wurden im Mangfalltal zahlreiche Hochwasserschutzmaßnahmen umgesetzt. Ihre Wirksamkeit und damit auch die der mobilen Spundwände wurde in Kolbermoor erstmals am 4. August 2020 auf die Probe gestellt, als der Pegel bei 2,84 Metern lag.
Grundsätzlich wird mit der Hochwasserwarnstufe 2 (Pegel in Feldolling bei 2,20 Metern) die Alarmierungskette ausgelöst. „Dann formiert sich die Einsatzleitung, werden Bauhof und Feuerwehr aktiv“, erklärt Ordnungsamtschef Thomas Rothmayer. Die konkreten Maßnahmen seien abhängig davon, ob es sich um ein plötzliches Starkregenereignis oder ein sich langsam entwickelndes Mangfallhochwasser handle.
Neben den baulichen Hochwasserschutzmaßnahmen und den mobilen Spundwänden lagern am Kolbermoorer Wertstoffhof etwa 5000 Sandsäcke für die akute Sicherung kritischer Bereiche. Mehrere Tausend weitere Sandsäcke können im Notfall von den Rettungskräften befüllt werden. Zudem verfügt die Kolbermoorer Feuerwehr über ein Aquariwa-Hochwasserschutz-System. Das sind Kunststoffplatten, die zu einem Zylinder geformt und mit Wasser gefüllt werden können. Sie kommen vor allem in sensiblen Bereichen wie Brückenübergängen zum Einsatz.

