Kolbermoorer Schmied gestaltet neuen Friedhof mit
Lebenslinien im Reich der Toten: Wie Josef Still die Kraft des Stahls sichtbar macht
Drei Schmiede aus drei Orten haben mit drei verschiedenen Kreationen den Rosengarten auf dem neuen Kolbermoorer Friedhof gestaltet. Wie sie ihre Werke schufen, haben sie den OVB-Heimatzeitungen jetzt ausführlich erzählt – heute: Josef Still aus Kolbermoor.
Kolbermoor – Dem Material gerecht werden. Seine Kraft und seine Ursprünglichkeit zeigen. So könnte man als Laie das beschreiben, was Josef Still aus Kolbermoor bei seinen Schmiedearbeiten antreibt.
So auch beim neuen Rosenareal im Friedhof am Rothbachl. Dort schmiedete Still für einen der drei Urnengrabbereiche die Umrandungen. Das von ihm gestaltete Areal ist leicht auszumachen. Anders als die Arbeiten seiner Kollegen Michael Ertlmeier und Hans Reif ist seine Umrandung nicht gegenständlich, denn es findet sich dort kein direktes Abbild einer Rose.
Arbeit in eigener Formensprache
Diese Abkehr von der ursprünglichen, eher naturnahen Entwurfsvorgabe hatte für den Kolbermoorer Schmied Still verschiedene Gründe. Vielleicht der Wichtigste: „Ich wollte für den Friedhof eine richtig gute Arbeit abliefern. So richtig gut bin ich aber nur dann, wenn ich mich in meiner eigenen Formensprache ausdrücken kann.“
Der Ausdruck Formen-Sprache ist dabei gut gewählt, denn beim Gestalten ist es offensichtlich nicht anders als beim wirklichen Reden: Wirklich kraftvoll und lebendig ist dieses immer dann, wenn man so sprechen darf, wie einem der Schnabel gewachsen ist.
Anders als bei der natürlichen Sprache braucht es bei allen künstlerischen Arbeiten aber Zeit und aktives Bemühen, um zur eigenen Ausdrucksform zu finden. So finden sich im „Vorgarten“ von Josef Stills Schmiede auch einige Arbeiten, die stärker florale Anklänge haben, doch, so sagt er: „Die sind noch aus meinen Anfängen von vor über 20 Jahren. Das ist die Phase, in der man sucht und experimentiert, was einem liegt, und wohin die eigene Reise geht.“
Es war die Zeit, als Josef die Schlosserwerkstatt seines Vaters Wasti Still übernommen hatte. Dieser war übrigens – zusammen mit Peter Elgaß – einer der beiden Urväter der Kolbermoorer Schmiede-Biennale. Und die Schmiede-Biennale wiederum war der Ort, an dem auch bei ihm, wie Josef Still erzählt, endgültig die Leidenschaft für diesen Beruf erwachte.
Der Junior sah sich auf seinem weiteren Weg immer mehr darin bestärkt, dass es beim Schmieden darum geht, die Schönheit und auch die Kraft zu zeigen, die bereits im Ausgangsmaterial steckt. Grob vereinfacht könnte man es vielleicht so formulieren: Schmieden andere, um aus Stahl etwas nachbilden zu können, schmiedet er, um den Stahl zu seinem Recht kommen zu lassen.
Die große Kunst besteht dann zweifellos darin, wenn er, wie bei der Friedhofsumrandung, dieses Prinzip bewahrt und es dennoch schafft, für den Betrachter Ankerpunkte zu schaffen, die in dessen Bewusstsein Assoziationen zu Pflanzlichem, zu Lebendem überhaupt schaffen.
Flachstahlpakete als Blattwerk
Zum Beispiel durch die zwei randlich angebrachten Flachstahlpakete, die den Eindruck von Blattwerk hervorrufen. Vor allem aber durch den „Jugendstilschwung“, mit dem die aufsteigende Linie in die Vertikale übergeht, auf der dann die Namenstafeln für die Verstorbenen angebracht werden.
Richtet man den Blick auf diesen Bereich, wird bei nicht wenigen Betrachtern die Assoziation an eine Pulslinie wach – etwas, das nicht von vornherein bewusst geplant war, sondern ihm selbst auch erst im Laufe seiner Arbeit an den Entwurfszeichnungen klar wurde, wie Still sagt. Natürlich hat er sich bei diesen ersten Entwurfszeichnungen sehr wohl die Frage gestellt, ob seine Vorstellungen auch beim Betrachter ankommen würden.
Kreatives Umfeld für die Lebenden
Er ist davon überzeugt, und auch das war ein Grund dafür, warum er sich von der ursprünglichen sehr floralen Vorgabe löste: „Es kommen auf den Friedhof nicht nur ältere Leute, um ihre Verstorbenen zu besuchen, sondern auch jüngere. Auch diese sollen eine Umgebung vorfinden, die sie nicht nur als gegeben hinnehmen, sondern die sie nach Möglichkeit unmittelbar und positiv anspricht.“
Und von daher ist er, wie auch seine beiden Kollegen, sehr dankbar dafür, dass sich die Stadt entschloss, alle drei Entwürfe zu verwirklichen. „So besteht die Aussicht, dass jeder einen Bereich findet, zu dem er sich unwillkürlich besonders hingezogen fühlt.“ Ein durchaus wichtiger Aspekt, denn Ziel der Neugestaltung des Friedhofs war es auch, ihn zu einem Ort zu machen, an dem auch die Lebenden gerne verweilen.




