Das Besondere am neuen Kolbermoorer Friedhof
Hunderte Metall-Rosen auf dem Gottesacker: Wie Schmied Michael Ertlmeier beim Trauern hilft
Drei Schmiede aus drei Orten haben mit drei verschiedenen Kreationen den Rosengarten auf dem neuen Kolbermoorer Friedhof gestaltet. Wie sie ihre Werke schufen, haben sie den OVB-Heimatzeitungen jetzt ausführlich erzählt. Heute schauen wir Michael Ertlmeier aus Dietramszell über die Schulter.
Kolbermoor – Bei der Schmiedebiennale – während der „Ladies Night“ – konnten es die Besucher unlängst erleben: Wie lange es dauert, bis aus einem Stück Stahl eine ganz einfach gehaltene Blume wird. Die Schmiedin Bianca Fattler, ein echter Profi, brauchte einen ganzen Abend dafür. Ihr Kollege Michael Ertlmeier aber fertigte nicht nur eine einzige Blume, sondern 200. Seine Blütenkelche sind nicht einfach nur eine Scheibe mit etwas Relief, sondern richtige, lebensechte Rosenblüten.
1800 Blätter werden zu 42 Rosenstöcken
Dazu kamen 1800 Blätter, das alles verteilt auf 42 buschige Rosenstöcke, die nun den Friedhof am Rothbachl schmücken. Die Stöcke umrahmen eines der drei neuen Urnengrabfelder, die zusammen einen Rosengarten bilden. Die Umrandungen der beiden andern Grabfelder stammen von Ertlmeiers Schmiedekollegen Hans Reif aus Moosburg und Josef Still aus Kolbermoor.
Ganze zwei Monate – von April bis Juni – arbeitete Michael Ertlmeier ununterbrochen an seinen Rosenstöcken, Tag für Tag, selbst an den Feiertagen. Er sei, sagt er, zum Schluss in einer Art Rosentrance gewesen und meint das durch und durch positiv: Schließlich habe er sich bemüht, jede einzelne Rose zu einem Individuum werden zu lassen.
200 individuelle Kreationen
Jede sieht anders aus und damit auch jeder Rosenstock. Schließlich handele sich bei dem Areal, das die Stöcke umrahmen, um eine Grabfläche, und jeder Mensch, der dort seine Ruhe finden werde, sei eine individuelle, einzigartige Persönlichkeit gewesen: „Dem wollte ich durch meine unterschiedlichen Rosenstöcke gerecht werden.“
Und noch etwas war Ertlmeier wichtig: Er wollte über die Rosenstöcke auch das Leben in seiner ganzen Bandbreite erfassen. Auch deshalb gibt es in seinen Rosensträuchern nicht nur voll erblühte Rosen, sondern auch welche, die bereits am Abblühen sind. Und vor allem gibt es immer wieder Knospen. Denn wenn Ertlmeier Schmiedearbeiten für Grabstätten fertigt, liegt ihm eines immer besonders am Herzen: „Sie so zu gestalten, dass sie beim Betrachten den Angehörigen ein ganz kleines Stück bei der Trauerarbeit helfen, etwas Zuversicht und Mut fürs eigene Weiterleben geben.“
Dass sich der Michel Ertlmeier, der in Dietramszell seine Werkstatt hat, für die Umrahmung des Kolbermoorer Rosenfeldes und damit für einen zeitraubenden und anspruchsvollen Auftrag bewarb, kam nicht von ungefähr.
Ertlmeier ist Kolbermoor seit Jahrzehnten verbunden und hier alles andere als ein Unbekannter. Aus seiner Schmiede stammt unter anderem die Brücke der Freundschaft gegenüber dem Spinnereigelände. Und auch das Ringtor, das dort für den Ring der Schmiedestätte steht, ist sein Werk.
Kennzeichnender für ihn und die Gedanken, die hinter seiner Arbeit stehen, sind aber vielleicht viel die unauffälligere Arbeiten: die Papierkörbe Kolbermoors. Diese stellt er seit etlichen Jahren zusammen mit Hans Reif her – nicht allein, sondern in einer Art Sommerkurs jeweils mit einer Gruppe von Jugendlichen: „Es geht darum“, so sagt er, „den jungen Leuten zu zeigen, dass jeder kreativ sein kann. Er muss sich nur auf dieses Abenteuer einlassen, und das kostet am Anfang etwas Überwindung. Gleichzeitig erfährt man, wie viel Mühe selbst vermeintlich einfache Dinge bei der Herstellung erfordern und bekommt damit ein Gespür für die Wertigkeit der Dinge.“
Kreativität und Wertigkeit – das sind für Michael Erlmeier ganz zentrale Begriffe. Dabei steht Wertigkeit nicht nur für Qualität, sondern vor allem auch für die Werte, die dahinterstehen, wie etwa die Handwerkehre. „Man hat manchmal den Eindruck, dass in unserer heutigen Zeit solche Werte etwas ins Hintertreffen geraten“, meint er.
Spuren in der Stadt und den Herzen
„Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine Art Sehnsucht danach.“ Und ein klein wenig, so sagt er, sei wohl auch diese Sehnsucht der Grund, dass die Schmiedekurse, die er gibt, so großen Zulauf haben. Es gehe ums Ursprüngliche, nicht nur ideell, sondern auch ganz handgreiflich: Dass die Teilnehmer mit ihren eigenen Händen etwas schaffen, das man anfassen kann.
Ertlmeier erzählt von einer Teilnehmerin, die von Beruf Angestellte in einer Stadtverwaltung ist. „Sie bekam über die drei Tage des Kurses hinweg das Grinsen nicht mehr aus ihrem Gesicht“, sagt er. „Du hast doch einen wundervollen Beruf“, habe sie zum Abschluss gemeint: „Du hinterlässt Spuren.“ Und die hinterlässt Michael Ertlmeier nun mit seinen Rosenstöcken nicht nur auf dem neuen Friedhof, sondern auch im Herzen der Menschen, die dort ihre Angehörigen zu Grabe tragen.


