Wenn alte Regeln zum Problem werden
„Für mi is‘ gar“: Bauer aus Bad Endorf wirft hin – Das sind die Gründe
Landwirt Wast B. kann nicht mehr: Nicht die Arbeit zermürbt ihn. Es sind gesetzliche Regelungen, die ihn in die Knie zwingen. Seit 16 Jahren kämpft er um den Erhalt seines Hofes bei Bad Endorf. Jetzt gibt er auf.
Bad Endorf – „Für mi is‘ gar.“ Landwirt Wast B. (Name von der Redaktion geändert) ist am Ende. „Ich habe keine Schulden, auch keine Probleme mit dem Tierwohl. Ich bin mit Herz und Seele Bauer. Aber ich kann nicht mehr.“ Er will seine Geschichte erzählen, weil „es nicht die viele Arbeit ist, die einen Bauern seelisch zermürbt und in die Krise treibt“. Ganz im Gegenteil. Die Arbeit in der Natur sei es, die ihn am Leben halte. Seine Tiere sind sein Ein und Alles. Er hat ein ganz anderes Problem: Die besonderen gesetzlichen Regelungen der Gütergemeinschaft in der Landwirtschaft.
Wenn Liebe zur Gütergemeinschaft wird
„Am Anfang war die Liebe“, sagt er traurig. Mit 21 Jahren hat er in die Landwirtschaft eingeheiratet. 1980 übernahm die junge Familie den Hof bei Bad Endorf. Damals gehörten 15 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, sieben Hektar Wald und Moor sowie 22 Rinder dazu. Später machten fünf Kinder das Familienglück komplett.
Die Landwirte kaufen weitere 20 Hektar dazu, bauen Laufstall, Maschinenhalle, Fahrsilos, Güllegruben, ein Schlachthaus und erhöhen den Viehbestand auf 100 Tiere. Finanzierbar wird das nur, weil der Landwirtschaftsmeister nebenher noch zwei andere Jobs hat: Er fährt Winterdienst für den Maschinenring und nimmt ab 2002 eine Stelle als Servicetechniker im Blockheizkraftwerk an.
„Eine Trennung ist der Untergang“
Bis 2008 scheint alles wunderbar. Dann die Wende: Die Ehe scheitert. Wast führt den Hof allein weiter und kämpft für den Erhalt der Landwirtschaft. Zähe Streitigkeiten beginnen. Der in der Landwirtschaft über viele Jahre übliche Güterstand der Gütergemeinschaft macht sie besonders kompliziert. Mit der Eheschließung und Vereinbarung der Gütergemeinschaft wird das Vermögen zum gemeinschaftlichen Vermögen. Was dem einen gehört, soll auch dem anderen gehören – das ist ein Zeichen ehelicher Verbundenheit. „Doch wenn man sich trennt, ist es der Untergang“, sagt der Bauer.
Gütergemeinschaft birgt Probleme
„Scheitert die Ehe, müssen sich die Ehegatten über das Gesamtgut auseinandersetzen“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Britzger, Juristischer Referent des Bayerischen Bauernverbandes. „Hierin sind nicht selten große Schwierigkeiten zu sehen, insbesondere dann, wenn die Ehegatten im Streit auseinandergehen.“ Der Grund: Die Beendigung der Gütergemeinschaft als solcher führe nicht gleichzeitig zur Beendigung der sogenannten Gesamthandgemeinschaft. Beide Parteien bleiben Eigentümer. „Bis zur vollständigen Auseinandersetzung besteht die Gemeinschaft als sogenannte Liquiditätsgemeinschaft hinsichtlich des Gesamtgutes fort“, erklärt Britzger.
Seit 16 Jahren keine Einigung
Im Falle des Bad Endorfer Hofes dauert die Auseinandersetzung nun schon mehr als 16 Jahre. Der große Esstisch – einst der Lieblingsplatz der Familie – ist verwaist. Die Eckbänke in der Stube, die eigentlich für viele Kinder, Schwiegerkinder und Enkel gedacht waren, sind von Aktenordnern belegt. Was Wast B. von unzähligen Gesprächen, Verhandlungen, Güteterminen, Lösungsvorschlägen und Sühneversuchen berichtet, könnte Bände füllen. Er scheint sich an jedes Datum, jeden Namen, jede Begebenheit zu erinnern. Aber es sind keine schönen Erinnerungen. In seinen Augen hat er alles getan, um den Hof zu erhalten. Doch die Streitparteien fanden keine gütliche Einigung. In 16 Jahren scheint die ganze Familie daran zerbrochen zu sein.
Hofübergabe gescheitert
Am Konflikt scheitert die letzte Hoffnung: eine Hofübergabe an eines der Kinder. Auch eine Aufteilung der Grundstücke glückt nicht. Die Zwangsversteigerung einer Teilfläche konnte der Landwirt im Jahr 2021 noch abwehren. Er wollte nicht zulassen, dass der landwirtschaftliche Betrieb zersplittert wird und langsam stirbt. Nun wurde für den 2. Juli erneut eine Zwangsversteigerung anberaumt. Er fiel aus allen Wolken, als er die Anzeige in der Zeitung sah. „Das klingt, als wäre ich insolvent. So ist es aber nicht“, betont der 66-Jährige. Es geht um den Streit einer landwirtschaftlichen Gütergemeinschaft, die keinen einvernehmlichen Ausweg findet.
Hof jahrelang allein bewirtschaftet
Um den Hof zu erhalten, hat Wast B. jahrelang alles allein gestemmt: Futter angebaut, geerntet und siliert. Die Tiere versorgt. Den Wald bewirtschaftet. Die Buchhaltung gemacht. Für jede Rechnung, die er für den landwirtschaftlichen Betrieb bezahlen musste – beispielsweise für das Kraftfutter – brauchte er die Unterschrift der gegnerischen Seite. Denn: „Auch Verfügungen über Gegenstände des Gesamtgutes dürfen von einer Gütergemeinschaft nur gemeinschaftlich getroffen werden“, erklärt der Anwalt. Im Streitfall naturgemäß eine psychische Belastung für beide Seiten.
Nach 16 Jahren hat der 66-Jährige die Reißleine gezogen. Er schläft kaum noch, ist mit seinen Kräften am Ende. „Ich kann nicht mehr. Deshalb gebe ich den Hof jetzt komplett frei.“ Am Mittwoch, 12. Juni, hat er beim Amtsgericht Rosenheim die Versteigerung des Hofes mit all seinen Flächen und Gebäuden veranlasst. Einen anderen Ausweg aus der verzwickten Rechtslage sieht er nicht mehr. „Jetzt kommt die Maschinerie in Gang. Die endgültige Lösung liegt nun in der Hand des Gerichts.“
Traum ist geplatzt
Bauer Wast blutet das Herz. Einmal in der Woche flüchtet er in die Berge zu seinen Tieren auf der Alm. Es sind Momente des Friedens, denn er weiß: „Eines Tages muss ich meine Tiere abgeben.“ Wenn er daran denkt, schnürt es ihm die Kehle zu. Auch er wird den Hof verlassen müssen. Sein Traum vom Rentnerleben im Kreise seiner Kinder und Enkel ist geplatzt.


