Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Sorge vor massiver Borkenkäfer-Invasion

Tickende Zeitbomben unter der Rinde: Droht ein großflächiges Waldsterben im Landkreis?

Blicken mit großer Sorge auf die Situation in den Wäldern im Landkreis Rosenheim (von links): Tobias Büchner, Förster und Revierleiter im Forstrevier Babensham und Marius Benner, Forstdirektor und Leiter des Bereichs Forsten im Rosenheimer Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
+
Blicken mit großer Sorge auf die Situation in den Wäldern im Landkreis Rosenheim (von links): Tobias Büchner, Förster und Revierleiter im Forstrevier Babensham und Marius Benner, Forstdirektor und Leiter des Bereichs Forsten im Rosenheimer Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Umgestürzte Stämme und abgebrochene Baumkronen, so weit das Auge reicht: Auch die Wälder in der Region sind von dem zerstörerischen Ausmaß der heftigen Schneefälle Anfang Dezember 2023 nicht verschont geblieben. Im Gegenteil. Um ein großflächiges Waldsterben zu verhindern, ist sofortiges Handeln erforderlich.

Rosenheim – „Wir sind sehr stolz, so pflichtbewusste Waldbesitzer in unserem Landkreis zu haben“, sagt Marius Benner. Er ist der Forstdirektor am Rosenheimer Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. „Trotzdem muss wirklich jeder dringend Gas geben und tätig werden. Und zwar sofort. Sonst sind unsere Wälder bald nicht mehr wiederzuerkennen.“ Gemeinsam mit Tobias Büchner, leitender Förster im Forstrevier Babensham, stapft Benner durch ein verwüstetes Waldstück im nördlichen Landkreis Rosenheim. „Wir haben es mit einem der schlimmsten Schneebrüche seit Jahrzehnten zu tun“, sagt Büchner. Auf dem Waldboden liegen unzählige Äste, umgestürzte Stämme und abgebrochene Baumkronen.

Am ersten Dezemberwochenende 2023 wurde der Landkreis Rosenheim von einem Schneechaos überrascht, unter dem auch die Wälder gewaltig litten. Aufgrund des milden Herbstes konnten sich die nassen Schneemassen auf den teils noch belaubten und benadelten Baumkronen absetzen, wie der Forstdirektor erklärt. Viele Bäume konnten dieser Last letztendlich nicht mehr standhalten und brachen zusammen. Diese durch den Schnee verursachten, zum Teil gravierenden Schäden – die sich laut Benner vom Bodensee bis in den Bayerischen Wald erstrecken – wurden in einigen Waldbeständen des Landkreises noch nicht ausreichend aufgearbeitet. Das bereitet den beiden Förstern große Sorgen.

Der heftige Schneefall im Dezember 2023 hat großflächige Schäden in den Wäldern im Landkreis Rosenheim verursacht.

Über die Hälfe der Bäume im Landkreis Rosenheim in Gefahr

„Gerade diese geschwächten Bäume sind Magnete für Tausende von Borkenkäfern“, erklärt Benner. Die frischen Baumkronen und Stämme, die nun weit gestreut auf dem Waldboden liegen, stellen eine ideale Brutstätte für die Schädlinge dar. Insbesondere für den Buchdrucker, einer Unterart des Borkenkäfers, der bevorzugt Fichtenholz befällt. Das Katastrophale daran: Mit einem Anteil von 52 Prozent macht die Fichte über die Hälfte der Bäume in den Wäldern des Landkreises aus. „Wenn die Witterung passt und Brutmaterial vorhanden ist, dann blüht uns heuer richtig was.“

Um die Vermehrung des Borkenkäfers zu verzögern, hofft Benner auf ein nasses Frühjahr. Bei Kälte und Feuchtigkeit könne sich der Schädling nämlich nicht mehr fortbewegen. Danach sieht es im Moment jedoch nicht aus: Auch an Ostern soll es über 20 Grad warm werden. Ideale Bedingungen für den Borkenkäfer, der sein Winterquartier bei einer Lufttemperatur von 15 Grad verlässt und sich auf die Suche nach einer Brutstätte macht. Anhand des Geruches erkennt er, welche Fichte beschädigt ist und sich demnach optimal dafür eignet. Hat er ein passendes „Opfer“ gefunden, bohrt er sich unter die Rinde des Baums, nistet sich dort ein und legt Gänge an. In diesen legen die Weibchen nach der Paarung ihre Eier ab. Gleichzeitig geben die Käfer einen Lockstoff ab, der weitere Artgenossen anzieht. Vom sogenannten Muttergang aus fressen sich die geschlüpften Larven durch das Fichtenholz. Dadurch wird schließlich der Saftfluss, die Nährstoffversorgung der Fichte, unterbrochen – und der Baum stirbt ab.

Sieht man ganz genau hin, erkennt man die winzigen Einbohrlöcher auf der Rinde des Fichtenstamms: Die vier bis fünf Millimeter großen Buchdrucker graben sich durch die Rinde, um dort Gänge anzulegen. In diesen legen die Weibchen nach der Paarung ihre Eier ab – und vermehren sich exponentiell.

„Wenn wir nach einem trockenen Frühjahr einen warmen Sommer und dann noch einen schönen Herbst bekommen, kann es gut sein, dass die Borkenkäfer drei bis vier Bruten hintereinander anlegen.“ Ein Teufelskreis. Denn ein einziges Borkenkäfer-Weibchen sorge innerhalb eines Jahres mit drei Generationen, genannt Geschwisterbruten, für 100.000 Nachkommen. „Wenn so eine Borkenkäfer-Massenvermehrung mal ins Laufen kommt, dann hält die keiner mehr auf. Das explodiert dann“, erklärt Benner. In diesem Falle können selbst gesunde Bäume die Angriffe der Schädlinge nicht mehr abwehren. So können die kleinen Käfer ganze Wälder vernichten.

Überlastung bei der Aufarbeitung der Schneebruchschäden

Die Gefahr, die vom Borkenkäfer ausgeht, sei nicht zu unterschätzen. Doch genau das tun viele Waldbesitzer laut Benner. „Hat sich der Borkenkäfer einmal erfolgreich vermehrt, bleibt den Waldbesitzern nichts anderes übrig, als Tabula rasa zu machen“, erklärt der Forstdirektor. Heißt: Das von den Schädlingen befallene Waldstück muss kahlgeschlagen werden, um eine rasante Verbreitung auf benachbarte Bäume bestmöglich einzudämmen. „Das hätte natürlich die Konsequenz, dass die Wälder, in denen man momentan vielleicht gerne spazieren geht, im schlimmsten Fall irgendwann nicht mehr existieren.“

Das „Horrorszenario“: Kommt es tatsächlich zu einer massenhaften Vermehrung des Borkenkäfers, bleibt Waldbesitzern nichts anderes übrig, als die befallene Waldfläche kahlzuschlagen.

Damit es so weit gar nicht erst kommen kann, ist es die Pflicht eines jeden Waldbesitzers, die Schneebruchschäden rechtzeitig und vorsichtig aufzuarbeiten: Die gefallenen Baumkronen müssen aufgesammelt, die gebrochenen Fichten herausgeschnitten und die Baumteile anschließend zügig aus dem Wald transportiert werden. „Die Gefahr ist erst gebannt, wenn das geschädigte Holz 500 Meter vom angrenzenden Fichtenbestand entfernt ist“, erklärt Büchner.

Dieser Arbeit seien viele Waldbesitzer jedoch nicht gewachsen. „Zahlreiche Waldbesitzer in unserem Landkreis haben bisher einen guten Job gemacht. Es ist einfach die schiere Masse an geschädigtem Holz, die einige momentan überfordert“, sagt Benner. Auch wegen des schlammigen Waldbodens sei die Aufarbeitung derzeit besonders aufwändig – und in manchen Fällen sogar lebensgefährlich. „Wenn ich da falsch mit der Motorsäge drangehe, kann es passieren, dass mir der Baum um die Ohren fliegt und mich im Zweifelsfall tötet.“

Zwar gäbe es genügend Anlaufstellen, die Waldbesitzern Hilfe bei der Aufarbeitung der Schäden anbieten. Zum Beispiel die Waldbesitzervereinigung in Wasserburg und Rosenheim, Forstunternehmen oder der jeweils zuständige Förster. Allerdings bekämen auch die „Profis“ die Arbeitsbelastung zunehmend und in hohem Maße zu spüren. Um den Forstunternehmern die Arbeit zu erleichtern, empfehlen die beiden Förster daher, die geschädigten Fichten vorher farbig zu markieren. „Wir sind um jeden Stecken Holz froh, der bis zum Frühjahr nicht mehr auf dem Waldboden liegt“, sagt Benner. „Ich bin der glücklichste Oberförster von Rosenheim, wenn uns eine großflächige Zerstörung unserer Wälder erspart bliebe.“

Botschaften des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für die Aufarbeitung der Schneebruchschäden:

1. Jeder Waldbesitzer ist verpflichtet, gebrochenes oder geworfenes Fichtenholz rechtzeitig waldschutzwirksam möglichst bis Ende April 2024 aufzuarbeiten, um eine ggf. dramatische Ausbreitung des Borkenkäfers in den Wäldern ab Frühsommer 2024 zu verhindern.

2. Waldbesitzer sollen sich v.a. auf die Aufarbeitung der Fichte konzentrieren und ggf. die Aufarbeitung anderer Schäden z.B. Laubholz oder Kiefer bis auf Weiteres verschieben.

3. Abgebrochene Fichten und Fichtengipfel sind Brutmaterial für den Borkenkäfer und sollten auf jeden Fall vordringlich aufgearbeitet werden. Das Holz muss nach der Aufarbeitung entweder aus dem Wald abgefahren werden bzw. muss das Fichtenrestholz so bald als möglich gehackt werden.

4. Angeschobene oder gebogene Fichten haben i.d.R. noch Wurzelverbindung und können dem Borkenkäfer noch länger standhalten als abgebrochene Fichten.

5. Für die Aufarbeitung und Hilfe bei der Aufarbeitung stehen Förster, die WBVen und Forstunternehmer zur Verfügung. Die Förster beraten auch zur Fördermöglichkeiten bei der waldschutzwirksamen Aufarbeitung von Fichtenschadholz. Gefördert wird das Verbringen von Fichtenholz auf anerkannte Lagerplätze, die ca. 500 m vom nächsten Nadelwald entfernt sind oder die Verarbeitung von Fichtenbrennholz und Hackgut für den Eigenverbrauch.

6. Trotz der großen Schäden sollten Waldbesitzer unbedingt einen „kühlen Kopf“ bewahren und die Schneebruchschäden nie allein aufarbeiten. Bei gefährlichen Schneebrüchen oder Windwürfen sollte immer mit Maschinenunterstützung gearbeitet werden bzw. sollten professionelle Forstunternehmer die Aufarbeitung der Schäden im Auftrag des Waldbesitzers übernehmen.

7. Etliche Waldbesitzer warten derzeit auf die aktuell stark ausgelasteten Forstunternehmer zur Aufarbeitung der geschädigten Fichtenhölzer. Sofern die Aufarbeitung einzelner Fichten Schadflächen nicht veranlasst wird, sollten diese dem zuständigen Förster gemeldet werden, damit noch rechtzeitig auf die Aufarbeitung hingewirkt werden kann.

8. Um die Aufarbeitung zu erleichtern, sollten Waldbesitzer beim Einsatz von Forstunternehmern die geschädigten Fichten vorher markieren und Rückegassen festlegen.

Kommentare