Ein Mosaikstein für die Verkehrswende
Bahn frei für Radler: Kolbermoor weiht Fahrradstraße ein – das sind die ersten „Erfahrungen“
Breite Fußgängerstreifen, reflektierende Bodenmarkierungen und eine ganze Straße vorrangig für Radfahrer – Kolbermoor stellt die Weichen für eine echte Verkehrswende. Warum die Radler bei der Eröffnung der ersten Fahrradstraße der Stadt Schlange stehen.
Kolbermoor – Fahrradstraße, das ist der Name eines Verkehrsweges, den es bislang in Deutschland noch relativ selten gibt. Was man sich darunter konkret vorstellen darf? In Kolbermoor kann man es jetzt im doppelten Wortsinn „erfahren“, denn die Friedrich-Ebert-Straße wurde als Fahrradstraße für den Verkehr freigegeben.
Radwegenetz wächst
Sie ist die erste Straße eines ganzen Netzes, das nach und nach entstehen soll und hat damit „Vorzeigecharakter“. Auch deshalb, so Bürgermeister Peter Kloo bei der Eröffnung, habe man sich in der Stadt nicht damit begnügt, auf die alte und doch schon ramponierte Straße nur Markierungen aufpinseln zu lassen. „Wir wollten einfach was Ordentliches, etwas mit Hand und Fuß schaffen.“
Deshalb steckt auch viel Überlegung in der Gestaltung der „neuen“ Straße. Zum Beispiel die Anlage eines breiten Fußgängerstreifens an der Kanalseite, direkt bei den Bäumen und am Wasser, damit aber auch weg von den einmündenden Seitenstraßen. Der Streifen, so erklärt Mobilitätsmanagerin Veronika Winkler, wird abgetrennt durch ein reflektierende Bodenmarkierung, die zudem leicht geriffelt ist: Für alle, die nicht mehr so gut sehen können, ist diese Markierung mit dem Fuß oder dem Gehstock leicht zu erspüren.
Gleichberechtige Verkehrsteilnehmer
Alle Verkehrsgruppen sind dabei gleichberechtigt, das gilt vor allem für Fahrrad- und Autofahrer, wobei es sich bei den Autofahrern hauptsächlich um Anlieger handeln wird: Für den Durchgangsverkehr ist die Straße gesperrt. Für alle ist das Tempo auf 30 Kilometer pro Stunde (km/h) beschränkt, was es auch möglich macht, dass Fahrradfahrer die ganze Straßenbreite ausnutzen beziehungsweise nebeneinander fahren dürfen.
Der Bedarf für solche Straßen ist in Kolbermoor gegeben, wie die Zählstelle hinter dem Rathaus, an der Verlängerung der Friedrich-Ebert-Straße beweist: Sei ihrer Einrichtung im April dieses Jahres sind rund eine Viertelmillion Fahrradfahrer gezählt worden. Und das, wie Bürgermeister Peter Kloo durchaus stolz erklärte, nicht nur hauptsächlich an den Wochenenden, sondern vor allem werktags. „Letzte Woche, an einem unschönen Novemberwerktag, als ich abends vorbeifuhr, war dieser Streckenabschnitt von rund 1200 Fahrradfahrern benutzt worden“.
Kolbermoorer steigen aufs Rad um
Für den Bürgermeister ein Zeichen, dass eine Verkehrswende, bei der das Fahrrad als eine taugliche Alternative zur Autonutzung in der Stadt gesehen wird, keinesfalls nur Utopie ist. Schon 2020 hatte man in Kolbermoor einen Fahrradanteil am Verkehr von 27 Prozent – diesen im nächsten Jahrzehnt auf etwa vierzig Prozent zu steigern, ist damit eine realistische Aussicht. Das Ziel wiederum ist, wie Peter Kloo betonte, nicht nur aus ökologischen Gründen erstrebenswert. Sondern vor allem auch, um Kolbermoor vorm Verkehrsinfarkt zu bewahren.
Erreichbar ist das Ziel vor allem dann, wenn das Fahrradfahren so attraktiv wie nur möglich wird. Dazu zählen nicht nur die großen Vorhaben, wie gut geplante und sorgfältig gestaltete Fahrradstraßen. Die Stadt bemüht sich auch sonst, den Radlern das Leben leicht und angenehm zu machen. Deshalb wird man in Zukunft vermehrt auf Fahrradabstellmöglichkeiten achten, und auch „Sonderangebote“ wie die Fahrrad-Reparaturstelle auf der Höhe des Rathauses zählen dazu.
„Radl-Checker“ haben viel zu tun
Dass gerade eine schnelle Reparaturmöglichkeit gut angenommen wird, war auch am Eröffnungstag zu sehen: An der Schlange nämlich, die sich vor einem kleinen Zelt am Rand der Fahrradstraße sammelte. Hier hatte die Stadt die „Radl-Checker“ angeheuert, die die Fahrräder auf Verkehrssicherheit überprüften und kleinere Wehwehchen des Gefährts sofort und kostenlos kurierten.
Auch die Polizei war vertreten, die vor allem jüngeren Radlern zeigte, wie wirksam ein Fahrradhelm tatsächlich ist. Dies durch ein rohes Ei, das in einen Mini-Sturzhelm gepackt war. Die Kinder durften es fallen lassen – und siehe da, das Ei blieb heil.
Die Erwachsenen wiederum bekamen alle Fragen zu einer Fahrradstraße erklärt – vor allem, was wem erlaubt ist. Und hier waren Viviane Wagner und Alexander Strickner von der Polizeiinspektion Bad Aibling völlig einer Meinung mit Bürgermeister Peter Kloo: Ein Verkehrsgeschehen völlig entspannt und ohne jeden Stress wäre möglich – ein bisschen Rücksicht, manchmal auch Nachsicht würde reichen.



