Schließung nach fast 140 Jahren
Aus für Familien-Unternehmen: Warum die Kolbermoorer Traditions-Metzgerei Lax schließt
In Kolbermoor endet eine Ära. Schon bald müssen Sebastian und Karin Lax ihre beliebte Traditionsmetzgerei schließen. Was steckt hinter dem schweren Schritt? Und wie lange geht die Fleisch- und Wurstware noch über die Ladentheke?
Kolbermoor – Es war ein Schock, nicht nur für die Familie selbst. Als die Nachricht in den vergangenen Tagen durchsickerte, brach eine Welle der Bestürzung los. Die familiengeführte Traditionsmetzgerei Lax aus Kolbermoor wird ihre Tore in wenigen Monaten nach fast 140 Jahren für immer schließen. Doch was steckt hinter diesem überraschenden Entschluss und wie lange werden Weißwürste, Wiener oder Blutwurst noch über die Ladentheke gehen?
Wenn man Sebastian und Karin Lax in ihrem Laden in der Rosenheimer Straße sieht, wird schnell klar, dass die Metzgerei für das Ehepaar eine echte Herzensangelegenheit ist. Wurstaufschnitt aller Art, Geflügel, frische Kalbsleber – die große Auswahl lädt sofort zum Schlemmen ein. Die Gespräche mit den Kunden sind vertraut und gehen weit über eine bloße Leberkas-Bestellung hinaus. „Ich wollte das schon immer machen“, erinnert sich der 62-Jährige an seine Anfänge. Damals lernte Sebastian Lax das Handwerk im heimischen Betrieb und übernahm den Laden von seinen Eltern. Er und seine Frau Karin führen die beliebte Traditionsmetzgerei nunmehr seit 33 Jahren in vierte Generation. „Doch nun ist leider bald Schluss“, sagt er, nachdem er einmal tief durchatmen muss.
Gründung im Jahre 1887
Es war eine völlig andere Zeit, als sein Ururgroßvater Simon Lax mit seiner Frau Rosalie im Jahre 1887 die Kolbermoorer Institution zum Leben erweckte. An gleicher Stelle, im gleichen Haus, werden auch heute noch zahlreiche Schmankerl frisch zubereitet und mehr als 100 Fleisch- und Wurstwaren angeboten. Doch, wie Sebastian Lax gegenüber dem OVB offen erklärt, gibt es „mehrere Baustellen“, die ein frühzeitiges Ende der Traditionsmetzgerei erforderlich machen. So stand eine Schließung in wenigen Jahren zwar ohnehin auf dem Plan. „Doch eigentlich wollte ich es bis 65 noch schaffen.“ Laut Lax habe man sich nun jedoch für einen frühzeitigen „sauberen Schnitt“ entschieden – schweren Herzens.
Einer dieser „Baustellen“ sei die eigene Gesundheit des Inhaber-Paares, erklärt Sebastian Lax und spricht über das ein oder andere Problem, welches die Jahrzehnte lange Arbeit – „wir stehen beide den ganzen Tag im Geschäft“ – mit sich brachte. Zudem hätten ein paar Mitarbeiter, für die man kaum mehr Nachfolger finden würde, ihren baldigen Eintritt in den Ruhestand angedeutet. Allen voran der ebenso von gesundheitlichen Einschränkungen betroffene Metzgermeister, der von Beginn an als enger Wegbegleiter von Sebastian Lax im Geschäft arbeitete und ohne den eine Fortführung des Geschäfts ein Ding der Unmöglichkeit wäre.
Ein weiteres Problem sei die in die Jahre gekommen technische Ausstattung. „Die Kühlmaschine wird beispielsweise immer schlechter und wir müssen immer wieder Kühlmittel auffüllen“, erklärt Metzgermeister Lax. In die Aufrüstung des Inventars noch einmal kräftig zu investieren, und das für gerade einmal zwei, drei weitere Jahre Betrieb, würde keinen Sinn ergeben, stellt die Familie bedauernd klar.
Wie lange der Betrieb noch laufen soll
Dass sich der Beruf in den vergangenen Jahren erheblich gewandelt habe und etwa sämtlicher Verwaltungsakt, Papierkram und Bürokratie zugenommen hätten, erledige sein Übriges, bedauert der 62-Jährige und zeigt auf drei dicke Ordner im Regal seines Büros. Dieses ist im Übrigen nur eine Wand von der Fleischtheke entfernt, was die nächste Schwierigkeit verdeutlicht. „Selbst wenn wir einen Nachfolger hätten, könnte der die Metzgerei nicht einfach übernehmen, weil alles mit unserem Wohnhaus verbunden und nicht abgetrennt ist.“
Und so hätten nun mal viele Gründe dazu geführt, schon dieses Jahr einen Schlussstrich zu ziehen. Der Plan sei nun, noch bis zum 9. August geöffnet zu haben. Was danach mit der Ladenfläche passieren wird, stehe laut Lax noch nicht fest. Mit dem Einzug eines neuen Gewerbes sei jedoch nicht zu rechnen. Und obwohl Karin und Sebastian Lax stolz darauf sein können, als eine der letzten familiengeführten Traditionsmetzgereien, die wie in jeder Branche von einem veränderten Kaufverhalten der Kunden und steigenden Produktionskosten betroffen sind, so lange durchgehalten zu haben, macht sich Traurigkeit in der Mine des Inhabers breit. „Es fühlt sich einfach trotzdem so an, als hätten wir es nicht geschafft, bis zum Ende durchzuhalten.“
„Weißwürste, Leberkas, Wiener, Fleischsalat, Blutwurst“
Und dennoch blickt er mit Freude auf die vielen Jahre zurück, in denen vor allem Stammkunden den Metzgereibetrieb ermöglicht hätten. Mit aller Macht habe man sich gegen die generelle Entwicklung gestemmt, selbst produziert und sogar zahlreiche Rezepte von Sebastians Vater mit übernommen. „Weißwürste, Leberkas, Wiener, Fleischsalat, Blutwurst“, zählt Lax nur einige wenige Produkte auf, die zu den Beliebtesten gehören. Letztere etwa fülle man nach wie vor per Hand „wie früher“ ab. Doch Lax weiß auch: „Natürlich fahren mittlerweile viele Menschen in die Gewerbegebiete, können dort gut parken und kaufen ihre Wurst im Supermarkt.“ Viele könnten sich die Metzgerware schlicht nicht mehr leisten, was auch die Tatsache verdeutliche, dass von den einst sieben Traditionsmetzgereien in Kolbermoor nur noch zwei übrig seien.
Und auch deshalb will sich die Familie vor allem bei den vielen Stammkunden bedanken, die die Nachricht zwar überwiegend mit Verständnis, aber freilich auch bestürzt aufgenommen hätten. Während Karin Lax an der Wursttheke steht, fällt es ihr ebenso sichtlich schwer, über den anstehenden Schritt zu sprechen. „Für uns alle ist das natürlich nicht leicht“, sagt die 61-Jährige. Zumal mit der Kundschaft oftmals ein sehr inniges Verhältnis entstanden sei. „Die sind uns so ans Herz gewachsen, da spricht man auch mal über private Probleme und versucht den Kummer der Kunden ein Stück weit aufzufangen.“
Viele Kolbermoorer sind bestürzt
Zwar sind Karin und Sebastian Lax selbst nicht auf Facebook unterwegs. Doch die große Bestürzung, die auf der Plattform angesichts der Schließung losgebrochen ist, ist auch den beiden nicht verborgen geblieben. „Es ist Wahnsinn, wie schnell das jetzt die Runde macht“, sagt Lax. Tatsächlich wird in den sozialen Medien emotional über das nahende Aus der Metzgerei Lax diskutiert. Kommentare wie „Da gibt es den besten Fleischsalat“, „Schade, bin mit meiner Uroma immer da gewesen“ oder „Großer Verlust für Kolbermoor“ sind dort keine Seltenheit. Doch bei aller Trauer über das Ende einer Ära wolle man nun die kommenden Monate noch mit voller Kraft zu Ende bringen. Und während Karin Lax so über die schwierige Entscheidung spricht, geht die Ladentür auf und sie ist sofort für ihre Kundin da. „Ja grüß Sie, was darfs denn sein?“


