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Ein Jahr nach Kriegsbeginn

„Krieg ist Alltag geworden“ – Wie sich das Ukraine-Engagement einer Kolbermoorerin verändert hat

Der Krieg in der Ukraine (rechtes Bild aus der Nähe von Charkiw) hat das Leben von Martin und Diana Alberti aus Kolbermoor grundlegend verändert.
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Der Krieg in der Ukraine (rechtes Bild aus der Nähe von Charkiw) hat das Leben von Martin und Diana Alberti aus Kolbermoor grundlegend verändert.

Kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges krempelte Diana Alberti aus Kolbermoor ihr Leben komplett um – zugunsten der ukrainischen Flüchtlingshilfe. Doch wie sieht es heute aus? Was die 47-Jährige noch immer fassungslos macht und warum der Kontakt in die Ukraine nicht abreißt.

Kolbermoor – Vor einem Jahr begann die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlene Invasion in der Ukraine. Der darauf folgende Flüchtlingsstrom löste auch hier in der Region eine Welle der Solidarität aus und schrieb endlose Geschichten von sozialem Engagement. Eine dieser beispiellosen Geschichten hat Diana Alberti aus Kolbermoor geschrieben. „So etwas kennen wir eigentlich nur von Erzählungen der Großeltern“, sagte die Projektmanagerin damals, kurz nach Kriegsbeginn.

Ihr großes Engagement war so nicht geplant. Enge ukrainische Freunde eines Kollegen waren kurz nach dem russischen Überfall zu Fuß unterwegs zur polnischen Grenze. Albertis Ziel damals: Die fünf Frauen nach Deutschland holen. „Mein Mann und ich wollten diese Frauen gerne bei uns privat aufnehmen“, erklärte sie die ursprüngliche Idee. Doch aus dieser konkreten Anfrage von Freunden wurde schließlich ein „großes persönliches Hilfsprojekt in Kolbermoor“.

Netzwerk aus Fahrern, Dolmetschern und Sanitätern

Aus ihrer Eigeninitiative heraus konnte sie mit ihrem Mann Martin ein Netzwerk aus Fahrern und Fahrzeugen, Dolmetschern und Sanitätern sowie weiteren Privatpersonen, die Unterkünfte zur Verfügung stellen, aufbauen. Dabei stand Albertis Initiative auch mit der Stadt und dem Landkreis in Kontakt. Anfang März 2022 organisierte sie den ersten Konvoi von mehreren Personentransportern an die ukrainisch-polnische Grenze, um von dort 20 Flüchtlinge abzuholen. Albertis Mann fuhr selbst mit. Diese Fahrten führte die Kolbermoorer Initiative von nun an regelmäßig durch, um möglichst viele Menschen mitnehmen zu können.

Innerhalb von kürzester Zeit hatte Alberti einen Helferkreis aus Personen aus dem privaten Umfeld sowie Busfahrern, Sanitätern und Automechanikern zusammengetrommelt. Sie selbst koordinierte alles. „Das war schon heftig“, erzählte Alberti damals vom Anruf ihres Mannes, als dieser von den Eindrücken aus dem Flüchtlingslager an der Grenze berichtete. Was er dort sah, habe er kaum in Worte fassen können. Es sei eine „furchtbare Situation“ gewesen, überall Schreie, überall weinende Menschen, überall Sirenen.

Ein Jahr danach: „Haben auch unschöne Sachen erlebt“

Neben der Organisation der Fahrten nahm die 47-Jährige zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter auch ukrainische Flüchtlinge bei sich zuhause auf. Für Alberti, die in dieser Zeit alles der Ukraine-Hilfe unterordnete, eine emotionale und kräftezehrende Phase. Schließlich betreute sie in Hochzeiten 25 Personen, was neben Beruf und Familie eine große Herausforderung darstellte. Und heute, ein Jahr nach Kriegsbeginn? Gegenüber den OVB-Heimatzeitungen erklärt die Kolbermoorerin nun, dass sie noch immer eng mit der Thematik verbunden sei, das Geschehen verfolge und Kontakte zu Ukrainern pflege. „Das große Engagement in diesem Sinne gibt es aktuell jedoch nicht mehr.“

„Es fühlt sich so an, als wäre der Krieg für die Ukrainer zum Alltag geworden.“

Diana Alberti aus Kolbermoor

So habe man zwischen März und Mai zahlreiche Hilfs-Fahrten organisiert, Flüchtlinge in der Nachbarschaft untergebracht und als Anlaufstelle Hilfe koordiniert. Doch nach einer gewissen Zeit, so Alberti, habe sich die Situation stark verändert. „Da irgendwann so viele Hilfsorganisationen vor Ort waren, haben wir uns irgendwann auf die Hilfe für die konzentriert, die bereits hier waren.“ Ihr Netzwerk begleitete die ukrainischen Geflüchteten zur Vhs, zu Sprachschulen, zum Jobcenter oder zu Ärzten.

Eine der Fahrtruppen des Kolbermoorer Netzwerks (von links): Leonie Fuchs, Sebastian Taubenberger, Andreas Schiffmann, Armin Klatt, Daniel Klatt, Timm Vojnic Purcar, Martin Alberti.

„Im Mai ging es dann los, dass die ersten Ukrainer wieder in ihr Heimatland zurückgegangen sind“, erzählt Alberti. Dies sei auf der einen Seite nachvollziehbar gewesen. „Auf der anderen Seite haben wir auch unschöne Sachen erlebt, da wir viel Engagement reingesteckt haben und einige einfach gegangen sind, ohne Bescheid zu geben.“

Luftalarm am Telefon miterlebt

Grundsätzlich blickt sie aber positiv auf die vielen Hilfsaktionen zurück. „Es beeindruckt mich noch heute, dass innerhalb kürzester Zeit so viel möglich war“, sagt die Kolbermoorerin. Zumal sie immer noch Kontakt zu vielen Flüchtlingen pflege, auch zu den beiden Ukrainerinnen, die bei den Albertis bis August untergekommen waren. „Wir telefonieren wöchentlich und waren so auch schon live bei einem Luftalarm dabei.“ Was Alberti dabei am meisten erschreckt: „Es fühlt sich so an, als wäre der Krieg für die Ukrainer zum Alltag geworden.“

Das Leid und die Situation mitzubekommen, lasse sie nach wie vor nicht los. Trotz der Befürchtung, dass der Krieg noch lange andauern könnte, mache ihr jedoch die Mentalität der Ukrainer Hoffnung. „Über unsere Freundin haben wir zum Beispiel mitbekommen, wie die Menschen in Charkiw in nur wenigen Monaten ein völlig zerstörtes Shoppingcenter wieder aufgebaut haben.“ Als Alberti dann ein Foto ihrer Freundin beim Shoppen zugeschickt bekam, war sie unglaublich beeindruckt. „Sie tun alles dafür, um eine gewisse Normalität zu schaffen“, so die Projektmanagerin.

Flüchtlingshilfe in Kolbermoor

Neben Albertis Netzwerk beteiligten sich in Kolbermoor viele weitere Menschen und Organisationen an der Ukraine-Hilfe. Auch das Landratsamt hat in der Stadt noch immer zahlreiche Unterkünfte für Ukraine-Flüchtlinge angemietet. Hinzu kommen die Ukrainer, die über private Initiativen in Privatwohnungen leben können. Genaue Zahlen, wie viele Geflüchtete dezentral untergebracht sind, seien laut der Stadt Kolbermoor nicht bekannt, was auch Susanne Weber von der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Diakonie bestätigte.

Aus Webers Sicht kam der größte Zustrom an Ukraine-Flüchtlingen im vergangenen Jahr bis Juni, mittlerweile habe sich die Lage in Kolbermoor deutlich beruhigt.

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