Wissenschaftliche Studie weist nach
Kolbermoor hat unterirdisches Potenzial: Wie es die Fernwärmeversorgung nachhaltiger machen könnte?
Eine geothermische Fernwärmeversorgung wäre in Kolbermoor sinnvoll. Das hat eine Studie der Geothermie-Allianz Bayern ergeben. Nun werden Partner gesucht, die eine Förderbohrung finanzieren. Auch mit dem Risiko, dass sie nicht fündig werden.
Kolbermoor - Im Untergrund ist es heiß. „In einer Tiefe von vier bis fünf Kilometern werden Temperaturen von 100 bis 150 Grad erwartet“, erklärt Jaromir Jeßberger von der Universität Bayreuth. Er gehört zu einer Gruppe junger Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Technische Thermodynamik und Transportprozesse (LTTT), die im Rahmen der Geothermie-Allianz Bayern auf Basis von geologischen Daten die Nutzungsmöglichkeiten des geothermischen Potenzials im Raum Kolbermoor prüften.
Hydrothermale Ressourcen sind ergiebig
Das Forschungsprojekt untersucht die hydrothermalen Ressourcen des süddeutschen Molassebeckens. Dieses erstreckt sich von der Donau bis zu den Alpen und bietet günstige geologische Voraussetzungen für Geothermie-Projekte. In Bayern stehen bereits zahlreiche Anlagen - hier wurden in den letzten 20 Jahren 25 Geothermieprojekte umgesetzt, die größtenteils Wärme in Fernwärmenetze einspeisen.
Geothermie mit Fernwärmeversorgung koppeln
Die Ressourcen sind noch lange nicht ausgeschöpft. Aufgabe der jungen Wissenschaftler war es nun, das Potenzial im Untergrund von Kolbermoor zu prüfen und geeignete Standorte für eine Verbindung von Geothermie und Fernwärmeversorgung zu finden. Tiefengeothermie eignet sich insbesondere für die Wärmeversorgung über Fernwärmenetze, weil hier hoher Wärmebedarf auf geringer Fläche vorhanden ist.
Sinnvoll und wirtschaftlich
Der Wärmebedarf in Kolbermoor wurde analysiert, ein Konzept für eine potenzielle Fernwärme-Versorgung aufgestellt und auf seine Wirtschaftlichkeit geprüft. Mit dem Ergebnis: „Eine geothermische Fernwärmeversorgung wäre in Kolbermoor sinnvoll und wirtschaftlich“, informiert Jeßberger.
Das Thermalwasser könnte über eine Förderbohrung mit einer Tauchkreiselpumpe an die Oberfläche befördert werden. „Dort gibt es seine thermische Energie über einen Wärmeübertrager an das Wasser im Fernwärmenetz ab, heizt dieses auf 97 Grad Celsius auf, wird dabei auf etwa 60 Grad Celsius abgekühlt und über eine Reinjektions-Bohrung wieder in die Tiefe befördert“, erklärt der Wissenschaftler die Technologie.
Die Studie ermittelte, dass bei einem Betrachtungszeitraum von 30 Jahren die nachhaltige Tiefenwärme wirtschaftlich verkauft werden könnte. „Wir haben Wärmegestehungskosten von 63 Euro pro Megawattstunde berechnet“, infomiert Jeßberger. „Das wären also 6,3 Cent pro Kilowattstunde. Die erdgasbasierten Fernwärmekosten werden im kommenden Jahr vermutlich stark ansteigen, mancherorts sogar auf über 20 Cent pro Kilowattstunde.“
Grauzone um Rosenheim erstmals beleuchtet
Während es im Münchener Raum schon zahlreiche Bohrungen gibt, war das Gebiet um Rosenheim und Kolbermoor bislang eine Grauzone. Das soll sich mit den Untersuchungen der Geothermie-Allianz nun ändern. Allerdings haben Geothermiebohrungen zwei entscheidende Risiken: Auch wenn nach Informationen des Informationsportals „Tiefe Geothermie“ mehr als 95 Prozent aller Bohrungen im bayerischen Molassebecken ihr fündiges Ziel erreichten, bleibt immer ein „Fündigkeitsrisiko“ bestehen. Das heißt: Die alte Bergmannsweisheit „Vor der Hacke ist es duster“ trifft auch auf moderne Abbaumethoden zu.
Das größte Risiko ist es, nicht fündig zu werden
Bei der Erschließung eines geothermischen Reservoirs ist nicht klar, ob die Bohrung auch wirklich auf eine ausreichende Wasser-Förderrate und ausreichend hohe Temperaturen trifft. „Damit besteht für Investor und Betreiber bis zum Ende der ersten Bohrung das Risiko einer Fehlinvestition“, erklärt Jeßberger. Auf Bundesebene werde aktuell über neue Fündigkeits-Versicherungen nachgedacht. Versicherer hatten dieses Angebot vom Markt genommen, nachdem es einige Rückschläge bei nicht fündigen Projekten gab.
Zudem sind die Bohrungen sehr teuer, kosten pro Bohrmeter etwa 3000 Euro. Die Bohrtiefe in Kolbermoor wird auf etwa 5250 Meter geschätzt. Es wären zwei Bohrungen erforderlich - eine für die Förderung und eine für die Reinjektion.
Suche nach Fördermittelgebern
Wie geht es nun weiter? „Gemeinsam mit den Kommunen und der Geothermie-Allianz müssen wir auf Grundlage unserer Studie nun Fördermittelgeber suchen“, betont Jeßberger. Durch eine Erkundungsbohrung könnte das wirtschaftliche Risiko für den gesamten Großraum Rosenheim-Kolbermoor massiv gesenkt werden. „Unsere Ergebnisse könnten als Basis für potenzielle Forschungsvorhaben und nachhaltige, innovative Wärmeprojekte dienen.“ Weitere Schritte müssten nun die Kommunen als Auftraggeber veranlassen.
„Derzeit laufen die Vorbereitungen für eine Konferenz aller Bürgermeister des Landkreises Rosenheim, die im Januar oder Februar stattfinden soll“ informiert Thomas Ertl, Klimaschutzmanager der Stadt Kolbermoor. Dort sollen sie ausführlich über die Geothermie-Studie, die Kosten der Bohrungen, die Wirtschaftlichkeit von geothermischer Fernwärmeversorgung und Fördermöglichkeiten informiert.
Wirtschaftsminister verspricht bessere Vernetzung
Im November fand im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie ein „Runder Tisch Tiefengeothermie“ statt. Dort kündigte Staatsminister Hubert Aiwanger Unterstützung für alle Akteure, insbesondere für die Kommunen an. Zudem sollten alle zuständigen Behörden für Berg-, Bau- und Wasserrecht an einen Tisch geholt werden, um für die langwierigen und komplizierten Genehmigungsprozesse eine bessere Lösung zu finden.
