Videoüberwachter Selbstbedienungsladen in Kolbermoor
Blumen „abheben“ wie am Bankautomaten? So gehen Floristen mit dem Fachkräftemangel um
Auch im Blumenhandel fehlt das Fachpersonal an allen Ecken. Immer mehr Floristen bieten deshalb Blumensträuße aus dem Automaten. Wie Geschäfte aus dem Mangfalltal damit umgehen und warum eine Kolbermoorerin noch einen Schritt weitergeht.
Kolbermoor/Mangfalltal – Die EC- oder Kreditkarte an die Türe halten, eintreten und dann am Schalter Geld abheben – auch mitten in der Nacht. So kennt man es bisher eigentlich nur von Banken oder Sparkassen. Doch ganz ähnlich könnte es bald Kunden gehen, die Blumen, Dekoration oder kleine Geschenke kaufen wollen. Das Kolbermoorer Fachgeschäft „Blumen Elsperger-Weiss“ jedenfalls geht neue Wege und eröffnet Anfang Mai einen Selbstbedienungsladen. Ein Blumenladen, der völlig autark ohne Personal funktioniert.
Damit reagiert der Betrieb auf den immer größer werdenden Personalengpass in der Branche. „Auch vor uns macht der Fachkräftemangel nicht Halt“, sagt die Floristin Marion Schmid. Bereits im vergangenen Jahr machte der Familienbetrieb deshalb aus der Not eine Tugend und installierte vor dem Laden in der Sigmund-Fischer-Straße einen Blumenautomaten, der rund um die Uhr Blumensträuße „auswerfen“ kann. „Das wird super angenommen, auch 80-Jährige nutzen das Angebot“, welches per Kartenzahlung bedient werden kann, erklärt Schmid.
Wie der Fachkräftemangel zum Rund-um-die-Uhr-Verkauf führte
Und auch die Tatsache, dass Blumen dort teilweise um Mitternacht oder um 3 Uhr morgens aus den Fächern gezogen werden, zeige, dass das von den Ladenöffnungszeiten unabhängige Angebot gut angenommen werde. Doch Floristin Schmid will nun noch einen Schritt weitergehen. „Der neue ‚Mitarbeiter‘ deckt leider keine Kleinigkeiten und auch keine Pflanzen ab“, schildert Schmid ursprüngliche Überlegungen zu einer Automaten-Erweiterung. Doch anstatt das „silberfarbene Ungetüm“ zu vergrößern, entschied sie sich zu einem Selbstbedienungsladen, der am 6. Mai zwischen 8 und 18 Uhr feierlich eröffnet werden soll.
„Wir brauchen eigentlich drei weitere Floristinnen für unseren Laden“, sagt Schmid. Es werde immer schwieriger, Personal zu finden. Und auch wenn man mindestens eine Kraft auch weiterhin suche, soll das neue Konzept den Personal-Engpass ein Stück weit auffangen. Ein Teil der weiter bestehenden Ladenfläche wurde nun zu einem Selbstbedienungsbereich ausgebaut. „Was man eigentlich nur aus den Vorräumen der Banken kennt, funktioniert auch hier“, sagt Schmid. „Zugang via EC-Karte, Kameraüberwachung und ein Bezahlterminal“, beschreibt die Floristin.
„Der Automat braucht keinen Urlaub, wird nicht krank und auch nicht schwanger.“
Unabhängig vom klassischen Ladenlokal und dem außen stehenden Automaten steht das neue „Blumen-SB-Terminal“ dann bald von 5 bis 23 Uhr offen. „Natürlich bestücken wir den Bereich immer mit frischen Blumen“, sagt Schmid. Ansonsten soll der Selbstbedienungsladen aber vollständig autark funktionieren.. „Wir wollen den Kontakt zu unserer Kundschaft natürlich nicht aufgeben, denn der macht unseren Job ja aus“, so Marion Schmid. Jetzt könne man jedoch die Zeit, die vor allem für Deko für Hochzeiten, Geburtstage und Firmenevents benötigt werde, noch intensiver nutzen.
Automat hat großen Anteil an den Einnahmen
Nicht auf einen Selbstbedienungsladen, jedoch auf einen Automaten setzt auch das Blumengeschäft Glückspilz in Feldkirchen-Westerham, den Nadin Fraunholz zusammen mit ihren Eltern betreibt. Auch hier können Kunden rund um die Uhr Blumen per Knopfdruck kaufen. Den automatisierten Mitarbeiter gibt es dort bereits seit vier Jahren. „Wir wollten, dass die Leute ihre Blumen nicht unbedingt bei der Tankstelle kaufen müssen“, nennt Fraunholz die Grundidee für die Anschaffung. So könnten Kunden auch außerhalb der Laden-Öffnungszeiten frische Blumen erhalten.
„Es wird immer mehr angenommen“, beschreibt Fraunholz ihren Eindruck, wonach Kunden den Automaten nun auch schlicht aus Gründen der Praktikabilität gerne nutzten. „Wenn die Leute von dem Angebot wissen, dann rechnen sie auch damit und brauchen sich nicht schicken, noch während der Öffnungszeiten vorbeizukommen.“
Als besonders wertvoll erwies sich der Automat für den Feldkirchen-Westerhamer Familienbetrieb in den Corona-Jahren, als dieser einen Großteil der Miet- und Lohnkosten erwirtschaftete, erzählt Fraunholz. Doch auch nach der Pandemie wurde und werde das Angebot von Jung und Alt gut angenommen, „wir bekommen durchweg positives Feedback“. Und nachhaltig, betont Fraunholz, sei der elektronische Mitarbeiter auch noch. „Sträuße, die am Samstagmittag noch im Laden stehen, müssten wir eigentlich wegschmeißen, da sie nicht bis Montag halten.“ Durch den Automaten könnten diese nun aber auch noch über das Wochenende frisch angeboten werden.
Dieser werde regelmäßig frisch bestückt sowie beheizt beziehungsweise in den Sommermonaten gekühlt. Auch in den Augen von Fraunholz stelle der Fachkräftemangel in der Floristik-Branche ein großes Problem dar. Der überwiegende Frauenberuf sei zum einen nicht gut bezahlt. Zum anderen verliere die Branche ganz viele Mitarbeiterinnen, sobald sie Nachwuchs bekommen. Um so wichtiger seien die technischen Hilfsmittel. „Der Automat braucht keinen Urlaub, wird nicht krank und auch nicht schwanger“, so Fraunholz. Sie schätzt den Automaten-Anteil an den gesamten monatlichen Betriebseinahmen auf etwa ein Viertel.
Trotz Mehrarbeit: „Schönster Beruf der Welt“
Anita Rieder, Inhaberin des Bad Aiblinger Blumengeschäftes „Vergissmeinnicht und komm bald wieder“, sieht das größte Problem in der Ausbildung. In der Region gebe es nur sehr wenige Betriebe, die überhaupt noch ausbilden. Dafür sei ein Meister erforderlich. „Aber ein Blumengeschäft kann ja jeder aufmachen.“ Rieder, seit 16 Jahren selbstständig, bezeichnet ihren Job zwar nach wie vor als „schönsten Beruf der Welt“. Sie müsse jedoch 60 bis 80 Stunden in der Woche arbeiten, um den Bedarf zu decken. Zudem werden auch etwa ihre Eltern miteingespannt. Zusätzliches Personal sei nämlich nicht nur schwer zu finden. Es müsse auch bezahlt werden. Rieder macht aber auch klar, dass man mit der Zeit gehen und neue Konzepte überdenken müsse. „Denn bis 70 will ich das in diesem Pensum nicht machen.“ Einen Blumenautomaten kann sie sich für ihren Betrieb dennoch derzeit nicht vorstellen.
Ähnlich sieht es Anna Angermaier („Angermaier Gärtnerei – Floristik“) aus Bad Feilnbach. Auch sie beobachtet den Fachkräftemangel in der Berufssparte. Neben der niedrigen Bezahlung („eine Floristin bekommt, wenn sie anfängt, in der Regel rund 1500 Euro auf die Hand“) hat der Personal-Engpass etwas mit dem Geschlecht zu tun. Viele junge Frauen, die Mitte 20 zum ersten Mal Mutter werden, blieben diesem Beruf anschließend fern. Denn sobald man eine Familie ernähren müsse, sei der Beruf einer Floristin finanziell nicht attraktiv.
Angermaier selbst fängt die Personalknappheit damit auf, dass sich mehrere Teilzeit-Kolleginnen eine Stelle teilen. „So funktioniert es bei uns gut“, sagt die Inhaberin. Und das Personal aus Floristik und Gärtnerei helfe sich zudem je nach saisonalem Bedarf gegenseitig aus. Klar ist, und das machen alle Floristinnen im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen klar: Der Beruf erfordert Herzblut, die Personallage ist und bleibt jedoch, wie in vielen Branchen, angespannt.
