Nach zwei Jahren coronabedingter Ausfälle
Akademie der Bildenden Künste: Warum sie Kolbermoor zum künstlerischen Zentrum macht
Nach zwei Jahren coronabedingter Ausfälle und Verschiebungen ist an der Akademie der Bildenden Künste in Kolbermoor der Lehrbetrieb wieder ganz normal angelaufen. Doch wie schafft es ein freie Akademie, sich um im Umfeld vieler Kunstschulen und großer staatlicher Akademien im süddeutschen Raum zu behaupten?
Kolbermoor – Die Ateliers der Akademie der Bildenden Künste in Kolbermoor atmen Kreativität. Künstler arbeiten konzentriert an ihren Bildern – auf Tischen, Staffeleien, dem Fußboden. Der ist übersät mit Farbklecksen, die vom kreativen Schaffen zeugen. „Ich würde am liebsten auch gleich anfangen“, ist Andreas Furtwängler von der Atmosphäre inspiriert. Der Bildhauer und Maler mit venezolanischen Wurzeln ist für seine stählernen Skulpturen bekannt, die als riesige Insekten in der Landschaft stehen. Zu Besuch in der Region wollte er einfach mal reinschauen. Von der Kolbermoorer Kunstakademie habe er schon viel gehört, erzählt er. Nach zwei Jahren -Pandemie stehen ihre Türen nun endlich wieder offen, und Furtwänlger ist fasziniert: „Die Ateliers haben Ausstrahlung. Die Atmosphäre inspiriert, und Kunst lebt von Inspiration.“
Auf dem Weg zur Normalität
Im Januar sind die Kurse und Studiengänge in der Akademie wieder angelaufen, im April alle Beschränkungen aufgehoben worden. Belegen in normalen Jahren hier etwa 800 Teilnehmer künstlerische Seminare und 120 Studenten Studiengänge für Plastik, Zeichnung und Malerei, stabilisieren sich die Anmeldungen nun allmählich wieder. „Wir sind auf dem Weg zurück zur Normalität, aber noch nicht wieder dort angekommen. Die letzte Corona-Welle ist nahtlos in den Ukraine-Krieg übergegangen. Die Unsicherheit ist noch groß“, beschreibt Geschäftsführerin Anna Eisner.
Atmosphäre zieht Künstler an
2014 wurde die Akademie auf Initiative der Familie Werndl gegründet, um Menschen Räume und Wege zur eigenen schöpferischen Ausdruckskraft aufzuzeigen. Einer der Ideengeber war Rupert Fegg, damals noch Direktor der Kunstakademie Bad Reichenhall und bis heute künstlerischer Berater der Akademie. Er brachte mit Professor Markus Lüpertz einen der bekanntesten zeitgenössischen Künstler nach Kolbermoor: Nach seinen Professuren an den Kunstakademien in Karlsruhe und Düsseldorf leitet er in Kolbermoor einen der Studiengänge für Zeichnung und Malerei. Seine Sommerakademien sind begehrt, seine Free-Jazz-Konzerte haben Kultstatus. Und die Akademie trägt mit dem Schriftzug am Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes seine Handschrift.
„Wir bieten Kunstseminare, Workshops, Meisterkurse und verschiedene Studiengänge im Bereich Malerei und Zeichnung sowie Plastik an – als Direktstudium in mehreren einwöchigen Modulen pro Jahr oder als berufsbegleitende Studiengängen an den Wochenenden“, informiert Eisner. Mussten die Termine in der Corona-Pandemie abgesagt oder immer wieder verschoben werden, laufen seit Januar alle Veranstaltungen wieder nach Plan. Namhafte Dozenten wie Professor Jerry Zeniuk, Professor Hermann Nitsch und Professor Siegfried Anzinger oder Max Wagner, Heribert Heindl, Xenia Hausner, Gabriele Musebrink und Felix Eckardt unterrichten hier. Insgesamt gehören etwa 130 Dozenten zum Team.
Geschäftsführerin Eisner ist glücklich darüber, dass sich die Kolbermoorer Akademie im Umfeld vieler freier Kunstschulen im süddeutschen Raum und großer staatlicher Akademien der Bildenden Künste aus eigener Kraft behaupten und einen Namen machen konnte. „Mein Traum war es, Kolbermoor als künstlerisches Zentrum so zu etablieren, dass es eine Adresse für namhafte Künstler wird, und sie neben ihrer eigenen künstlerischen Karriere hier einmal im Jahr ihr Wissen in Studiengängen oder Kursen weitergeben“, erinnert sich Eisner an die Anfänge.
In acht Jahren Akademie der Bildenden Künste ist er Realität geworden. Dem künstlerischen Berater Fegg gelingt es immer wieder, neue Gesichter an die Mangfall zu holen. Pro Jahr werden etwa 30 neue Dozenten mit ihren künstlerischen Angeboten ins Programm aufgenommen. „Im Herbst können wir Meisterkurse mit Sati Zech anbieten, im Dezember ein Seminar mit Elvira Bach“, freut sich Eisner über die Zusage zweier unverwechselbarer Frauen, die zu den Ikonen der deutschen und internationalen Kunstszene zählen.
Nach zwei Jahren Corona-Pause kann sich die Akademie nun auch wieder der Öffentlichkeit zeigen. Nicht nur durch farbverkleckste Künstler im Stadtbild oder offene Türen, die zu einem Blick in die Ateliers einladen, sondern vor allem durch Veranstaltungen. Die ersten Abschlussausstellungen der Studenten von Professor Lüpertz, Felix Eckardt und Gabriele Musebrink fanden bereits statt (wir berichteten). „Jetzt freue mich auf das Free-Jazz-Konzert im August, auf die Vorstellung unseres neuen Programms, auf die beliebte Dozentenausstellung im Januar und auf unseren neuen Akademie-Bildband, mit dem wir informieren und inspirieren wollen“, hofft Eisner auf eine stabile Normalität.
„Meine Zeit ist jetzt“: 75-jährige Tirolerin kann endlich ihrer Leidenschaft frönen
Kunst braucht Atmosphäre. Und die hat die Akademie der Bildenden Künste in Kolbermoor. Dabei erweist sich die Verbindung aus den denkmalgeschützten Gebäuden der Alten Spinnerei und moderner Kunst als besonders inspirierend. Die Historie der einstigen Verwaltungsgebäude lebt in den Räumen der Akademie. Zu den vier Ateliers gehört beispielsweise der einstige Beetsaal der in der Spinnerei beschäftigten Protestanten, dessen Tonnengewölbe sich heute über eine gläserne Fassade mit der katholischen Pfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit verbindet.
Das Foyer wurde bewusst in rohem, neutralem Beton belassen, denn: „Kunst passiert drinnen“, sagt Anna Eisner.Im Loftatelier unterm Dach der Akademie hat Angelika Domenig, Künstlerin aus Dirnberg im österreichischen Vorarlberg, ihr „Wohlfühlatelier“ gefunden. Als Kursleiterin unterrichtet sie an elf Akademien in Österreich und sagt: „Ich gehe nur noch dorthin, wo ich mich wohlfühle.“ Kolbermoor gehört dazu, und „das fängt bei Anna an, die um jeden Seminarleiter und Teilnehmer vom ersten Moment an sehr bemüht ist.“ Zweimal im Jahr kommt die Aquarylic-Künstlerin nach Kolbermoor und bringt Schülerinnen wie Inge Pechtl aus dem Pitztal mit. Die 75-jährige Wirtin leitete 42 Jahre lang ihr Hotel „Zirbenhof“ in Sankt Leonhard. Erst vor drei Jahren fand sie einen Nachfolger. Seitdem frönt sie ihrer Leidenschaft – der Malerei: „Ich habe schon mit Mitte 50 angefangen, sporadisch zu malen. Nun habe ich endlich genug Raum für meine Leidenschaft. Jetzt ist meine Zeit.“


