„Die Harfe kommt zu kurz“
Junge Frau in altem Beruf: Was eine 27-Jährige Bad Feilnbacherin am Harfenbauen fasziniert
Sie wollte nicht „irgendwas mit BWL machen“, sondern etwas mit ihren Händen schaffen. Nun ist Franziska Kolb aus Bad Feilnbach seit fünf Jahren selbstständige Harfenbauerin. Warum es ihren Beruf eigentlich gar nicht mehr gibt und welchem veralteten Weltbild sie als Frau noch immer begegnen muss.
Bad Feilnbach – Der Geruch von frischem Holz liegt in der Luft. Genau wie der volle Klang von schwingenden Harfensaiten. Franziska Kolb sitzt in ihrer Werkstatt im Bad Feilnbacher Ortsteil Derndorf und spielt eines ihrer vielen Instrumente an. „Mein Vorteil ist, dass ich sie nicht nur bauen, sondern auch spielen kann“, sagt die 27-Jährige. Als Geigen- und Harfenbauerin ist sie seit fünf Jahren selbstständig. Seitdem hat sie in ihrem Ein-Frau-Betrieb vieles erlebt, vieles gelernt und manches macht sie noch heute sprachlos.
Kunden bis zur dänischen Grenze
Die junge Frau, die in der Umgebung zusammen mit ihrer Schwester auch als Musikerin gefragt ist, liebt es, etwas mit ihren Händen zu erschaffen. Sechs Harfen, die am Ende mehrere tausend Euro wert sind, baut sie im Jahr und versucht, diese speziell auf ihre Kunden anzupassen. „Holz beim Holzhändler kaufen, in Form schneiden, hobeln, verleimen, verschleifen.“ Franziska Kolb nennt einige Arbeitsschritte, die sie rund 3,5 Monate mit einer Harfe beschäftigen.
Dabei arbeitet sie an mehreren Instrumenten parallel. Schließlich ruhen die Exemplare immer wieder, etwa während der Lackier- und Leimzeiten. Daneben verdient die gelernte Streichinstrumentenbauerin ihren Lebensunterhalt auch mit Service und Restaurierungen von Geigen oder Harfen. „Ich bin kein Morgenmensch“, sagt Kolb, die gut und gerne mal bis halb elf in der Nacht in der Werkstatt sitzt, um etwa noch ein paar Federn einzuziehen. Dass die Feilnbacherin eine von ganz wenigen Harfenbauern im gesamten Alpenraum ist, liegt auch daran, dass es ihren Beruf im eigentlichen Sinne gar nicht mehr gibt.
Kundenstamm bis an die dänische Grenze
„Die Harfe kommt zu kurz“, sagt Kolb und erklärt, dass der Beruf des Harfenbauers in den 60er Jahren in das Tätigkeitsfeld des Zupfinstrumentbauens integriert wurde. Kolb fasziniert das äußerst Filigrane im Zusammenspiel mit der Kraft und der Spannung, unter der die Harfe steht. Und auch deshalb bewege sich die 27-Jährige durchaus in einer Nische, weshalb sie einen großen Kundenradius von bis zu 800 Kilometern bedient.
„Die Kunden kommen von überall her“, sagt die Feilnbacherin, die auch schon an Kunden verkauft hat, die von der dänischen Grenze bis nach Bad Feilnbach anreisten.
Zu ihrer Zielgruppe gehören überwiegend Berufsmusiker, die etwa von Konzertharfen zu Volksharfen wechseln wollen. Und diese schätzten an Kolb auch gerade die Tatsache, dass sie selbst Musikerin ist und weiß, wovon sie spricht. Auch viele junge Menschen legen sich bei Kolb eine Harfe zu. Dabei sei das wertvolle Instrument keineswegs nur bei Wohlhabenden von Interesse. „Menschen, für die Geld keine Rolle spielt, fehlt oft eher das Verständnis für die Kultur“, sagt sie.
Konfrontiert mit altem Weltbild
Doch nicht nur das findet Kolb schade. Vor allem auch das veraltete Weltbild einiger Menschen, mit dem sie immer wieder konfrontiert wird. „Wenn ich beispielsweise auf Messen meine Instrumente ausstelle und meinen Mann und meinen Vater dabei habe, dann werden immer erst sie angesprochen.“
Die Gesellschaft sei noch lange nicht im 21. Jahrhundert angekommen, traue Frauen häufig noch weniger zu. Auch deshalb halte sie sich weitestgehend aus den Sozialen Medien zurück, damit sie eben nicht nur aufgrund ihres Aussehens als Harfenbauerin beachtet werde.
Generell merkt auch Kolb, dass Corona und die allgemeinen Preissteigerungen Spuren hinterlassen haben. „Es wird überall und somit natürlich auch am Instrument gespart.“ Und ganz allgemein gehe der Sinn für Kultur und Musik immer mehr verloren. „Stimmen Sie ein Volkslied im Seniorenheim an und alle können mitsingen“, sagt Kolb und bedauert, dass sich dies geändert habe. In Familien werde zuhause immer weniger gesungen oder musiziert. Ein Umstand, der natürlich nicht für Kolb selbst und ihre Familie gilt.
Selbstständigkeit? „Es ist wichtig, persönliche Grenzen zu ziehen“
„Eigentlich wollte ich immer in die Richtung Restaurierung gehen“, erinnert sich die 27-Jährige an ihre früheren Pläne. „Irgendetwas Altes zu erhalten, hat mich immer fasziniert“. Nun arbeitet sie zwar in einem durchaus alten Beruf, erschafft dabei jedoch Neues. Doch selbstständig seit Anfang 20 zu sein, die alleinige Verantwortung zu tragen und gleichzeitig noch Zeit zu finden für ein – oftmals musikalisches – Privatleben – Geht das überhaupt? „Es ist wichtig, persönliche Grenzen zu ziehen“, sagt Kolb und blickt auf lehrreiche Jahre zurück. „Es gab Zeiten, da hatte ich mein Büro in meinem Schlafzimmer.“ Mittlerweile schafft es Kolb immer besser, Arbeit und Privates zu trennen. Denn genug Arbeit gebe es immer.
Mit ihrer handwerklichen Arbeit zählt sie manchmal zu den Exoten. „Von 110 Leuten aus meinem Abijahrgang haben gerade einmal drei eine Ausbildung gemacht“, sagt Kolb und bedauert diese Entwicklung. „Jeder will studieren, etwas mit BWL machen. Dabei will kaum mehr jemand etwas Handwerkliches lernen.“
Doch klar ist auch: „Der Job ist sehr anstrengend.“ Um ihre Arbeit gut erledigen zu können und um etwa die schweren Harfen herum zu hieven, macht Kolb drei Mal in der Woche Sport. Doch am Ende des Tages zu sehen, was sie geschafft hat, gibt ihr immer wieder „ein gutes Gefühl“.

