Interview zum Antikriegstag am 1. September
In Zeiten des Ukraine-Kriegs: So setzt sich die Heufelder Kriegerkameradschaft für Frieden ein
Er hat einen eher martialischen Namen, dennoch ist die Wahrung des Friedens das erklärte Ziel des Vereins Soldaten- und Kriegerkameradschaft Heufeld. Wie er darauf hinarbeitet und welche Gefühle der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bei ihm auslösen, erklärt Vorsitzender Christian Kastl im Interview.
Bruckmühl – Die Vereinsnamen klingen recht martialisch, dennoch tut man den vielen Soldaten-, Reservisten- und Kriegervereinen in der Region unrecht, wenn man sie in die militaristische oder gar rechte Ecke stellt. Denn die Organisationen haben sich nicht nur dem Andenken an Kriegsgefallene verschrieben, sondern auch der Wahrung des Friedens. Anlässlich des Antikriegstags am 1. September erklärt Christian Kastl (38), seit 2012 Vorsitzender der Soldaten- und Kriegerkameradschaft Heufeld, wie wertvoll die Arbeit des Vereins gerade angesichts des Kriegs in der Ukraine ist und welche Spuren bei ihm Reisen an historische Kriegsschauplätze hinterlassen haben.
Der Vereinsname Soldaten- und Kriegerkameradschaft klingt ja sehr martialisch und militaristisch. Wie lässt sich der Vereinsname mit den Zielen „Versöhnung“ und „Frieden“ in Einklang bringen?
Christian Kastl: Ein zentrales Ziel unseres Vereins ist ja nicht nur, das Andenken an die Kriegsopfer zu wahren. Sondern auch immer wieder, beispielsweise am Volkstrauertag, mahnende Worte zu finden, um deutlich zu machen, dass der Friede keine Selbstverständlichkeit ist. Wir sind jetzt zum Teil bereits die dritte Generation, die ohne Krieg in unserem Land leben dürfen. Mein Großvater aber hat den Zweiten Weltkrieg noch hautnah miterlebt. Und gerade in Heufeld haben wir viele Menschen, die damals gefallen sind. Jeder einzelne Mensch muss letztlich dazu beitragen, dass so etwas nicht wieder passiert. Daher finde ich auch nicht, dass der Vereinsname dem entgegensteht.
Was hat Sie selbst damals dazu bewogen, dem Verein beizutreten?
Kastl: Das hat bei mir auch familiäre Gründe. Mein Großvater war im Zweiten Weltkrieg, mein Vater über 30 Jahre im Vorstand der Soldaten- und Kriegerkameradschaft. Ich bin daher schon als Kind mit dem Vereinsleben aufgewachsen. Und das, obwohl ich selbst nie bei der Bundeswehr war, nachdem ich ausgemustert worden bin. Allerdings war ich da aus beruflicher Sicht auch nicht unglücklich darüber.
Wie sieht denn das klassische Vereinsleben und die Vereinsarbeit des Heufelder Vereins aus?
Kastl: Eine unserer wichtigsten Veranstaltung ist die Gedenkstunde zum Volkstrauertag, bei der wir unter anderem im Beisein des Bürgermeisters am Kriegerdenkmal zum Gedenken der Gefallenen und Kriegsopfer einen Kranz niederlegen. Zudem sind wir Mitglied in der Interessensgemeinschaft der Krieger-, Veteranenvereine und Soldatenkameradschaften im Landkreis Rosenheim (IG Rosenheim), die immer wieder Fahrten zu geschichtlich bedeutenden Orten organisieren, wo dann in der Regel eine große Gedenkfeier stattfindet. Das sind wirklich sehr beeindruckende Erlebnisse, die lange im Gedächtnis bleiben.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Kastl: Meine erste Reise der IG, an der ich teilgenommen hatte, führte damals ins französische Verdun, wo eine der längsten und verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkriegs stattgefunden hatte. Wenn man dort dann ins Museum geht und sieht, was die Soldaten, von denen viele das ja gar nicht wollten, alles mitmachen und erleiden mussten, ist das sehr erschreckend und beeindruckend. Wenn man sieht, wie viele Tote es dort gegeben hatte, ist das schon sehr extrem. Da werden einem die Schrecken eines Krieges deutlich vor Augen geführt. Auch der Austausch mit dortigen Reservistenvereinen berührt einen natürlich sehr.
Seit Jahren klagen viele Vereine über Mitgliederschwund und Nachwuchsprobleme. Wie sieht es da bei der Soldaten- und Kriegerkameradschaft aus?
Kastl: Auch wir leiden darunter, die Mitgliederzahlen sehen derzeit nicht gut aus. Momentan haben wir zwischen 70 und 80 Mitglieder, waren vor Jahren aber auch schon bei über 100. Seit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 ist es für uns noch schwieriger, neue Mitglieder zu bekommen. Ein weiteres Problem ist, dass viele aktive Mitglieder mittlerweile ein Alter erreicht haben, wo sie sich dann einfach auch ein bisschen zurücknehmen wollen und teilweise aus gesundheitlicher Sicht auch müssen. So war es auch 2012. Damals hatte der Verein händeringend einen neuen Vorsitzenden gesucht, hatte dann aber das Glück, dass ich gerade den Vorsitz beim Burschenverein niedergelegt hatte. Und da in mir so viel Heufelder Herzblut steckt, habe ich gesagt, dass ich das Amt übernehmen würde, bevor der Verein am Ende aufgelöst werden muss.
Wie ist es denn um die Zukunft des Heufelder Vereins bestellt?
Kastl: Den Nachwuchsmangel zu bekämpfen, ist schwierig, zumal wir schon immer ein Verein sind, der für alle Interessierten offen ist. So war es bei uns nie Pflicht, bei der Bundeswehr gewesen zu sein. Auch weibliche Mitglieder haben wir bereits in den Reihen, die allerdings eher bei gesellschaftlichen Anlässen in Erscheinung treten. Nicht, weil wir das vom Verein so vorschreiben, sondern weil sich das einfach so eingespielt hat. Bei der kommenden Herbstversammlung werden wir daher sicherlich ausführlich darüber diskutieren, wie wir als Verein weitermachen wollen. Wollen wir die Aktivitäten runterfahren? Gibt es vielleicht Stimmen, die sich für einen Zusammenschluss mit einem Nachbarverein aussprechen? In welchen Richtung es gehen wird, ist jetzt aber noch völlig offen. Im kommenden Jahr stehen dann zudem die Neuwahlen des Vorstands an. Grundsätzlich bin ich da für alles bereit, sage aber auch ganz klar, dass ich es nicht alleine machen kann.
Aktionstag vom DGB ins Leben gerufen
Seit dem Jahr 1957 wird am 1. September in Deutschland der Antikriegstag begangen. Initiiert wurde er damals vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der auch heute noch jedes Jahr zu Aktionen für den Frieden aufruft. Der Termin ist dabei nicht zufällig gewählt: Denn am 1. September 1939 hatte Nazi-Deutschland mit dem Angriff auf Polen den Zweiten Weltkrieg ausgelöst.
Nicht nur in Hinblick auf neue Vereinsmitglieder, auch in Hinblick auf die Sicherheit Deutschlands: Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, die Wehrpflicht wieder einzuführen?
Kastl: Das sehe ich nach so langer Zeit, in der die Wehrpflicht jetzt ausgesetzt ist, als schwierig an. Zumal es heute aus rechtlicher Sicht bestimmt noch schwieriger wäre, beispielsweise wenn es erneut nur für Männer gelten sollte. Außerdem haben wir ja immer noch Berufs-, Zeitsoldaten und Reservisten. Ein grundsätzlich verpflichtendes, soziales Jahr für junge Menschen, das dann beispielsweise auch bei der Feuerwehr absolviert werden könnte, kann ich mir eher vorstellen. Da gibt es bestimmt einige, denen es nicht schaden würde, einen neuen Blickwinkel zu bekommen. Vielleicht würde dann auch der Egoismus wieder etwas zurückgehen.
Der Verein und seine Mitglieder versteht sich ja in erster Linie als „Mahner für den Frieden“. Wie stark betroffen macht da der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine?
Kastl: Das war natürlich schon erschreckend. Die Meinungen darüber bei uns im Verein sind auch recht gespalten. Jeder hofft natürlich, dass das Ganze so schnell wie möglich ein Ende findet. Ich persönlich finde es wichtig, dass wir uns nicht direkt einmischen, denn das könnte zu einem ganz großen Unglück führen. Und dennoch muss meiner Meinung nach deutlich gesagt werden, dass – auch wenn in der Ukraine vielleicht auch nicht alles richtig gelaufen ist – kein Land das Recht hat, einfach ein anderes Land anzugreifen und Teile davon zu annektieren.
Was waren Ihre ersten Gedanken und Gefühle, als Sie am 24. Februar 2022 vom Angriff Russlands auf die Ukraine erfahren haben?
Kastl: Dass wir mit Kriegsbildern und -nachrichten, beispielsweise aus dem Irak, aus Syrien oder Afghanistan, konfrontiert werden, gehört in den vergangenen Jahren ja leider fast schon zum Alltag. Aber ein Krieg in Europa nahezu direkt vor der Haustür, das löst dann schon noch tiefere Gefühle aus. Da ist dann schon auch eine Portion Angst dabei, dass dieser Konflikt eskalieren könnte. Und deshalb ist es auch so wichtig, dass wir als Verein immer wieder mahnend den Finger heben und den Menschen deutlich machen, dass Frieden kein Selbstläufer ist.
