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Berührende Geschichten

Im Angesicht schrecklichster Gräueltaten: Aiblinger trifft Ukrainer im Kriegsgebiet

Zusammenhalt in schweren Zeiten: Christian Otto (oben, Zweiter von links) bei der Ankunft mit seiner Hilfslieferung in der Ukraine. Unten Aufnahmen von seinen Fahrten durch das Kriegsgebiet.
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Zusammenhalt in schweren Zeiten: Christian Otto (oben, Zweiter von links) bei der Ankunft mit seiner Hilfslieferung in der Ukraine. Unten Aufnahmen von seinen Fahrten durch das Kriegsgebiet.

Die Schauplätze und Schilderungen schrecklichster Gräueltaten hat der Bad Aiblinger Christian Otto bei seinen sechs Hilfstransporten seit Ausbruch des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zu sehen und zu hören bekommen. Was ihn am meisten erschüttert und besonders berührt.

Bad Aibling – Bis zum 24. Februar 2022 verband er die Ukraine und die Menschen dort durchweg mit Leichtigkeit und Frohsinn: Rund 20 Mal war der Bad Aiblinger Christian Otto in seinem Leben bereits in dem osteuropäischen Land unterwegs, überwiegend als begeisterter Anhänger des FC Bayern und der Deutschen Fußballnationalmannschaft bei deren Auswärtsspielen. Doch fast nichts ist seit dem Angriff Russlands auf das Nachbarland mehr, wie es war. Aber eines ist ihm geblieben: Die Verbundenheit mit den Menschen dort.

„Wenn wir in der Ukraine waren, sind wir immer fünf, sechs Tage dort geblieben. Da lernt man natürlich auch Leute kennen“, sagt der Aiblinger. Zu diesen Leuten gehört Oleg aus Lwiw (Lemberg). Ihn kontaktierte Christian Otto als erstes, nachdem er von dem Überfall der Russen erfahren hatte. Fragte ihn, was er benötige. Am 7. März 2022 traf der Aiblinger zum ersten Mal nach Kriegsbeginn nach einer 1250-Kilometer-Fahrt im Privatauto in Lwiw ein, verteilte Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter an ein Kinderkrankenhaus sowie an die Menschen, die mit ihren Schlafsäcken in Bunkern Unterschlupf gesucht hatten. 

Sechsmal war er seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine, dreimal in Lwiw, je einmal in Ternopil, Simy und Kiew. Sich stets vergewissernd, dass die Hilfsgüter in dem „lange für Korruption bekannten Land“ auch wirklich in zuverlässige Hände kommen, die sich um eine adäquate Zuteilung kümmern. Während sich laut Christian Otto hinter der polnisch-ukrainischen Grenze in Lwiw Helfer aus aller Welt treffen, sehe man im Inneren des Landes so gut wie keine Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen mehr.

Große Unterstützung aus der Region

Viele der Lebensmittel- und Kleiderspenden kamen aus der Bevölkerung. Auch zahlreiche Firmen beteiligten sich, etwa mit Paletten voller Süßigkeiten, aber auch wichtigen Nahrungsmitteln, mit Elektrogeräten, Baumaschinen, Medikamenten, Transportfahrzeugen und Geld. Der Verein Mut & Courage hatte 3000 Euro beigesteuert. Sie stammen aus Spenden, die bei der Veranstaltung mit Christian Springer zusammenkamen, als dieser im November in Bad Aibling aus seinem Buch „Ich und der Russe“ las. Bärbel Merk hatte für eine der Touren nach Lemberg eine Menge an Kleiderspenden sowie sonstige Utensilien organisiert und zudem mit Elke Netscher federführend bei einer im Vorfeld durcheführten kirchlichen Spendenorganisation organisiert. Für die Beschaffung von 40 Generatoren hat Christian Otto selbst einen fünfstelligen Betrag vorfinanziert. Dafür hat der Verein Mu& Courage das Spendenkonto „Hilfe in der Ukraine Mut & Courage Bad Aibling e.V.“ bei „meine Volksbank Raiffeisenbank eG“ eingerichtet, IBAN DE25 7116 0000 0202 9521 22,
BIC GENODEF1VRR.

Doch Christian Otto führten die Wege auch an die Schauplätze schrecklicher Gräueltaten. Etwa nach Bachmut, wo er von dem erschütternden Schicksal eines elfjährigen Mädchens erfuhr: „Die Evakuierung war bereits im Gange, doch die Kleine kauerte in Decken gehüllt im Bunker und weigerte sich, diesen zu verlassen. Sie wollte auf ihre Eltern warten. Sie wusste nicht, dass diese tot oben im Garten lagen – sie waren kurz zuvor von einer Rakete getroffen wurde.“

Schreckliches Schicksal eines kleinen Buben

Wie grausam die Angreifer gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen seien, berichtete ihm ein Einwohner von Butscha. „Sie haben einfach mit den Raketen in die Häuser geschossen. Auf dem Rückzug kam es zu Plünderungen. Die letzten fünf Tage müssen die schlimmsten gewesen sein. Ein Vater bat die Kämpfer, wenigstens die Sachen seiner Kinder dazulassen. Uns wurde erzählt, dass die Militärs daraufhin seine Frau und ein Kind erschossen und den Mann geschlagen hätten. Das zweite Kind, das sich im Schrank versteckte, haben sie nicht gefunden – und zum Schluss den Vater auch noch erschossen.“ Erst ein paar Tage zuvor seien bereits die Großeltern des Kindes getötet worden.

Leben und Arbeiten im Kriegsgebiet

Eine besondere Veranstaltung bestreiten Christian Otto und die ukrainische Künstlerin Aleksandra Klitina Freitag, 5. Mai, in der Galerie des Kunstvereins Bad Aibling im alten Feuerwehrgerätehaus. Ab 19 Uhr sprechen die beiden dort über „Leben und Arbeiten im Kriegsgebiet“. Am Montag, 8. Mai, findet außerdem ein Kultur-Talk zum Thema „Frauen in der Kunst – und warum Kunst im Krieg so wichtig ist“ statt. Beginn ist um 20 Uhr in den Räumlichkeiten an der Rosenheimer Straße 4 in Bad Aibling (ehemailger „Unverpackt-Laden“).

„Man kann noch sehen, wie die Angreifer in ganz Butscha vorgegangen sind. Sie haben wahllos durch die Tore durchgeschossen, dabei unter anderem auch eine 98-jährige Frau getötet“, berichtet Christian Otto erschüttert. Was ihn auf der anderen Seite beeindruckt: „Die Einwohner bauen jetzt die Häuser wieder auf. Auch in Irpin. Diese Stadt war noch stärker zerstört als Butscha. Hier haben die Kämpfer wahllos überall reingeschossen, selbst in Wohnviertel, mit der Panzerfaust. Ein klares Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung.“

„Ich habe noch nie so oft in den Himmel geschaut“

Christian Otto bei seinem Aufenthalt in Kiew

Und all dem Horror zum Trotz: „Da ist ein unwahrscheinlicher Mut, ein Miteinander, ein ,Alltag‘. In Kiew geht es zu wie in München. Die Menschen müssen arbeiten und leben, es geht weiter.“ Sehr viele Checkpoints gebe es dort. Daneben Flugabwehrraketen. Am Himmel immer wieder Drohnen, die mit Sprengköpfen ausgestattet sind. Angst habe er zwar keine gehabt. „Aber man muss schon aufpassen. Ich habe noch nie so oft in den Himmel geschaut.“

Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten nach Kiew

Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Der Bad Aiblinger Christian Otto (Zweiter von links), der zweite Kommandant von Bachmut „Stone“ sowie die Künstlerin Aleksandra Klitina mit ihrer Mutter.  © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Ein Checkpoint bei Kiew. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Flüchtlingsstrom vor der ukrainisch-polnischen Grenze. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Sammlung von Spenden für die dritte Lieferung nach Lemberg. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Hilfsmittel werden dringend benötigt. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Mahnmal vor der St. Michael-Kathedrale in Kiew. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Irpin Central Haus und Kirche wurde im März 2022 mit Raketen zerstört. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Zerstörtes Kulturzentrum.  © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Die erste Fahrt ins Kinderkrankenhaus nach Lwiw von Manfred Geith und Christian Otto im Privatauto. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Die Ukrainer, links, mit Oleg (Dritter von links) empfingen die Helfer aus Bad Aibling: Markus Geltl, Christian Otto, Andreas Pfefferle, Marianne Otto, Bärbel Merk, Marco Netscher und H. Wenzel. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Aiblinger Konvoi mit Polizeischutz Richtung Lviv. © Christian Otto
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine
Eindrücke von Bad Aiblinger Hilfstransporten in die Ukraine © Christian Otto

Christian Otto hat vor Ort Kontakt zu dem stellvertretenden Kommandanten von Bachmut, genannt Stone. „Ein totaler Adrenalinjunkie“, beschreibt er den Mann, der früher in der Politik und im Bankenwesen tätig war. 132 Länder habe er in seinem Leben bereist. Jetzt ist seine Aufgabe die Verteidigung von Bachmut. Otto zeigte er seine Live-Aufnahmen von den Kämpfen. Ein Scharfschütze habe Stone am Helm getroffen. „Doch er hat nur abgewunken und gesagt: ,Das ist ein Dummer, der kann das nicht. Du musst wissen, aus diesem Winkel kann er gar nicht richtig treffen‘.“ 

Jetzt richtet er den Fokus auf Hilfe für Waisenkinder

„Faszinierend, beeindruckend, schrecklich, traurig“ – so beschreibt der Bad Aiblinger seine Eindrücke nach sechs Fahrten mit 18 Tonnen Hilfsgütern – von Lebensmitteln und Kleidung über Rollstühle und Baumaschinen bis zu 40 Generatoren für Privathaushalte. Jetzt wendet sich Christian Otto einem anderen Projekt zu. „Ich möchte etwas Nachhaltiges tun, ein Waisenhaus in der Ukraine unterstützen. Davon gibt es ja leider sehr viele.“

Aleksandra Klitina stellt in Bad Aibling aus

Die Ukrainerin Aleksandra Klitina bestreitet die kommende Ausstellung in der Galerie des Kunstvereins Bad Aibling im Alten Feuerwehrgerätehaus vom 22. April bis 7. Mai. Die Künstlerin absolvierte mehrere Ausbildungsgänge, von 2001 bis 2005 studierte sie an der Larenstein Universität (Niederlande) internationales Business Management und von 2019 bis 2021 am MIM (The international Management Institute Kiew) . Die fundierten Studiengänge ermöglichten ihr die Mitarbeit in internationalen Organisationen. Ihre Malerei betrachtet sie als Werkzeug der Mahnung um ein friedliches Miteinander. Starkfarbige Bilder in Öl auf Leinwand porträtieren oder karikieren politische Persönlichkeiten, die den Weltfrieden gefährden. Eindringlich stellen ihre Bilder dar, dass die nächste bewaffnete Auseinandersetzung das Ende der Menschheit bedeuten könnte. Auch Rassismus und Feminismus sind Themen ihrer Arbeiten.

Auch hier steht am Anfang die Recherche, wo die Hilfe zuverlässig ankommt und wie geholfen werden kann. Den Kontakt zur Ukraine hält Christian Otto auch über Aleksandra Klitina, die er in der dortigen Hauptstadt kennengelernt hat. Die Künstlerin, die ihre Bilder vom 22. April bis 7. Mai in der Galerie des Kunstvereins Bad Aibling ausstellen wird, war einst stellvertretende Infrastrukturministerin und Journalistin bei der Zeitung „Kyiv Post“.

Und dann ist da noch Nelia Morozova, die junge Ukrainerin, die mit ihrem kleinen Sohn nach Ausbruch des Krieges nach Deutschland geflüchtet ist und nun am Gymnasium Bad Aibling ukrainische Schüler unterrichtet. Christian und Marianne Otto gaben den beiden über acht Monate ein Obdach, bis sie auf eigenen Füßen stehen und in eine von Otto bereitgestellte Wohnung ziehen konnten. Bei seiner jüngsten Fahrt nach Kiew besuchte er ihre liebevolle Mutter, die dort Deutsch unterrichtet.

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