Wieder Schulbus-Ärger in Großkarolinenfeld
Mutter streitet mit Gemeinde: Nora (9) hat eine Sehschwäche – ist ihr Schulweg zu gefährlich?
Ursula Schatz aus Großkarolinenfeld findet den Schulweg ihrer Tochter zu gefährlich. Sie will, dass ihr Kind an der Haustür abgeholt wird. Die Gemeinde sperrt sich. Mutter und Bürgermeister streiten deshalb seit Monaten. Weshalb die Positionen so verfahren sind.
Großkarolinenfeld - Kein Gehweg und keine Beleuchtung: Am Salinenweg und an der Joseph-Baumann-Straße in Großkarolinenfeld müssen Kinder am Straßenrand zum Bus laufen. Die neunjährige Tochter von Ursula Schatz hat zudem Probleme mit dem Sehen. All das macht ihren Schulweg in den Augen der Mutter gefährlich.
Bürgermeister widerspricht der Mutter
„Das ist nur lachhaft, das generell als gefährlichen Schulweg zu bezeichnen“, sagt Bürgermeister Bernd Fessler. „In diesem Bereich handelt es sich ganz sicher um keinen gefährlichen Fußweg.“ Die Straße wird Fessler zufolge nur von Anliegern oder Bulldogs genutzt. Es sei genügend Platz für Fußgänger, um auszuweichen.
Ursula Schatz fühlt sich von Bernd Fessler nicht ernst genommen: „Er belächelt mich.“ Der Bürgermeister habe ihr gesagt, dass sie ihre Tochter übermäßig behüte und Nora zur Schule laufen solle. „Das ist in seiner Position nicht angemessen. Er meint, meine Tochter besser zu kennen als ich“, sagt Schatz.
Während Ursula Schatz die Vorgehensweise des Bürgermeisters missbilligt, kritisiert dieser wiederum das Verhalten der Mutter. „Es ist ein Problem, wenn ich so etwas in der Presse bringe. Die Leute meinen immer, dann geht‘s leichter, aber dann geht‘s garantiert nicht leichter“, sagt er. „In dem Moment, in dem ich im Fokus der Öffentlichkeit stehe, werde ich es immer so machen, wie die gesetzlichen Vorgaben sind.“
Mütter haben das Verhalten des Bürgermeisters mehrfach kritisiert
Der Bürgermeister wirkt persönlich angegriffen. Bereits zuvor haben einige Mütter die Kommunikation von Bernd Fessler und der Gemeinde kritisiert. Denn es gab bereits Streit um den Schulbus. Nora und anderen Kindern hatte der Busfahrer mitgeteilt, dass sie am nächsten Tag nicht mehr einsteigen dürfen, weil ihr Schulweg kürzer als zwei Kilometer sei. Erst ab dieser Grenze dürfen Kinder von der 1. bis zur 4. Klasse mit dem Schulbus fahren.
Doch Ursula Schatz zufolge hat ihr ein Online-Kartendienst 2,1 Kilometer angezeigt. Deshalb hat die Mutter den Weg am 2. März mit einem Mitarbeiter der Gemeinde abgemessen. Das Ergebnis: 2076 Meter. Ihre Tochter ist also schulbusberechtigt. Das Problem: Nora sollte zur weiter entfernten Haltestelle am Aschachweg laufen. „Obwohl der Bus an der Joseph-Baumann-Straße vorbeigefahren ist“, sagt Schatz. Die Haltestelle ist näher an dem Zuhause der Schülerin.
„Ich sehe das nicht als vertretbar an“
Die Mutter hat nach eigenen Angaben lange kämpfen müssen, damit ihre Tochter an der Joseph-Baumann-Straße abgeholt wird. Bis dorthin muss Nora 900 Meter laufen - ohne Gehweg und ohne Beleuchtung. Laut Schatz ist die Sicht bei Nebel schlecht, und ständig fahren landwirtschaftliche Fahrzeuge mit ungesicherten Ladungen den Weg entlang. „Ich sehe das nicht als vertretbar an“, sagt die Mutter. Deshalb verlangt sie, dass ihre Tochter am Salinenweg, direkt vor der Haustür, abgeholt wird.
Neben der fehlenden Infrastruktur gibt es ein weiteres Problem. Nora Schatz ist im Dezember vergangenen Jahres gestürzt und hat sich eine Gehirnerschütterung zugezogen, sagt ihre Mutter. Nora habe doppelt gesehen, schwarze Punkte hätten ihr Blickfeld gestört. „Das ist mittlerweile wieder etwas besser“, sagt Schatz. Dennoch habe ihre Tochter weiterhin Sehprobleme und könne sich nur schlecht konzentrieren.
Zwei Atteste von unterschiedlichen Ärzten belegen die Augenmüdigkeit der Neunjährigen. „Wegen Konzentrationsstörungen, erhöhter Müdigkeit und Sehproblemen aufgrund eines Sturzes ist es für die Patientin zwingend notwendig, einen möglichst kurzen Schulweg zu haben“, steht in einem Schreiben. In dem anderen Brief steht beinahe dasselbe.
„Ich möchte keinem Arzt zu nahe treten, aber es gibt viele Ärzte, die stellen sehr viele Gutachten aus“, sagt Fessler. Er formuliert diese Aussage allgemein, erklärt zuvor noch, dass er der Presse zu einem individuellen Fall keine Auskunft geben kann.
Bernd Fessler hat jedoch eine Erklärung an Ursula Schatz geschickt. Darin steht, dass der Bus den Salinenweg aufgrund der Straßenverhältnisse nicht befahren könne. Das habe die Gemeindeverwaltung mit dem Busunternehmen Hollinger geprüft.
„Das kann ich nicht verstehen, das ist eine fadenscheinige Erklärung“, sagt Schatz. Denn sogar Lastwagen befahren den Salinenweg und der Bus könne auf dem Parkplatz von „Forstpflanzen Blaha“ wenden. Das lässt der Bürgermeister nicht gelten: „Da muss der Bus mindestens einmal rückwärts fahren, da braucht der Schulbus wahrscheinlich einen Einweiser.“
Schatz will den Schulweg nun auf Gefährlichkeit prüfen lassen. Fessler lehnt das ab. Alexander Strickner von der Polizeiinspektion Bad Aibling erklärt, dass die Gemeinde den Weg von Verkehrserziehern der Polizei überprüfen lassen kann - aber nicht muss. Die kommunale Behörde entscheide selbst, ob eine Begutachtung nötig ist. Betroffene könnten gegen die Entscheidung der Gemeinde jedoch Einspruch beim Landratsamt einlegen.




